Die Kritik kam auf. Natürlich. Schließlich wütet nach wie vor ein Virus in Deutschland. Die Fallzahlen sanken zuletzt zwar, der Inzidenzwert auch, das Corona-Virus aber bestimmt noch immer den Alltag. Ist es da sinnvoll, eine Nordische Ski-WM mit mehreren tausend Menschen auszutragen? Nicht alle verstehen den Sinn hinter der Austragung, es herrschen teilweise Ängste, dass das Virus nun durch die vielen Gäste vermehrt nach Oberstdorf getragen werde. Eine begründete Sorge?
Ski-WM in Oberstdorf: Man kann die Virusübertragung verhindern
"Es ist auf jeden Fall vermeidbar, dass es in Oberstdorf zu einem großen Ausbruch durch die anreisenden Gäste kommt", sagt Alexander Kekulé. Der 62-Jährige ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und hat die Veranstalter der WM im Umgang mit der Pandemie beraten. Er sagt: "Man kann die Virusübertragung verhindern, so wie man es verhindern kann, von einem Lastwagen auf der Autobahn überfahren zu werden." Es braucht bestimmte Maßnahmen, um sich zu schützen. Ein gutes Hygienekonzept. Die WM-Veranstalter haben ihres auch auf Wunsch der bayerischen Landesregierung noch einmal verschärft. Für alle WM-Teilnehmer sind nun PCR-Tests und alle zwei Tage Antigentests vorgeschrieben.
Es ist ein Konzept, das die Beteiligten weitgehend schützen soll. Kekulé ist überzeugt, dass das auch gelingen wird. "Es wird auch bei dieser Veranstaltung den einen oder anderen geben, der im Vorfeld nicht alle Sicherheitsmaßnahmen beachtet hat und der bei WM positiv getestet wird. Bei so vielen Personen wäre es ein Wunder, wenn keiner das Virus dabeihat", sagt Kekulé. Er sei aber zuversichtlich, dass die Maßnahmen dafür sorgen, dass ein größerer Ausbruch verhindert werde. "Vielleicht müssen ein paar Menschen in Quarantäne oder andere isoliert werden, aber das ist eine kontrollierbare Situation", so der Virologe.
Ski-WM 2021: Tests finden im Rachen und durch die Nase statt
Kekulé war im Vorfeld der WM zweimal in Oberstdorf vor Ort und hat sich alle Anlagen angeschaut. Während des Wettkampfs wird er nicht im Allgäu sein, bei Bedarf aber ist er jederzeit zu erreichen. "Es sind sehr gute Leute vor Ort, ein sehr gutes Labor und ein kompetentes Gesundheitsamt", sagt der Virologe. Die abschließende Verantwortung liegt beim zuständigen Gesundheitsamt, Kekulé ist nur als Berater tätig. Welche Tests sind sinnvoll, in welchem Rhythmus, wie sollten die Abstriche genommen werden? Im Mund oder durch die Nase? Nicht immer werden seine Ratschläge beherzigt. "Das gehört zu unserem Alltag als Wissenschaftler", sagt er.
Bei der Vierschanzentournee, bei der Kekulé auch schon als Berater tätig war, gab es Probleme mit mal positiv und später negativ getesteten Athleten. Der Abstrich im Mund hat den Nachteil, dass die Viren bei einer hohen Flüssigkeitsaufnahme kurz vor dem Test kurzzeitig aus dem Rachen gespült werden können. Das kann ein falsches Ergebnis zur Folge haben, der Abstrich durch die Nase bringt mehr Sicherheit. Dennoch haben sich die Oberstdorfer Organisatoren dazu entschieden, die PCR-Tests im Mundraum durchzuführen. Die Antigen-Tests finden durch die Nase statt. "Ich habe nicht das Gesamtkonzept abgenommen, sonst käme es zu einer Konkurrenzsituation zwischen mir und dem Gesundheitsamt", sagt der Virologe.
Ski-WM mit Zuschauern wäre ein fatales Signal
Lange Zeit war die Hoffnung groß gewesen, dass die Titelkämpfe mit Zuschauern möglich wären. Kekulé ist noch immer davon überzeugt, dass Fans im Allgäu vor Ort hätten dabei sein können. "Ich denke, dass eine solche Veranstaltung im Freien mit Zuschauern möglich gewesen wäre", sagt er. Mit einer begrenzten Anzahl freilich, aber immerhin. "Aus epidemiologischer Sicht ginge das", sagt Kekulé – mit dem nötigen Abstand und durchgehenden Tests. Allerdings sprächen auch zwei Aspekte dagegen. Alle Zuschauer, die nach Oberstdorf angereist wären, hätten im gleichen Sicherheitsplan eingebunden sein und ebenso häufig getestet werden müssen wie die Athleten.
Die Verantwortung der Veranstalter allerdings endet, sobald die Wettkampfstätten verlassen werden. Zum anderen wäre das Signal einer WM mit Zuschauern fatal in einer Zeit, in der in Deutschland fast alles stillsteht. "Aus diesen Gründen ist es richtig, die WM ohne Zuschauer auszurichten", sagt Kekulé. Der Virologe aber macht Hoffnung, dass vielleicht bald wieder Veranstaltungen mit Zuschauern stattfinden. "Wenn ein sehr konsequentes Hygienekonzept vorliegt, ist das möglich", sagt Kekulé. Er setzt dabei vor allem auf Schnelltests, die nun auch in Deutschland nach langer Wartezeit vermehrt eingesetzt werden sollen, zuverlässige Masken und Abstand halten. Und natürlich auf die Sicherstellung der Nachverfolgung.
Virologe Kekulé: Inzidenz auf 35 oder Null ist illusorisch
Der Lockdown sei bislang erfolgreich, die Inzidenz aber fällt kaum unter 60 oder 50. "Die Maßnahmen sind ausgereizt. Es wurden viele Löcher gestopft, aber an manchen Stellen tröpfelt es noch", sagt der Virologe. Die Idee, die Inzidenz auf 35 oder gar null runterzubringen, sei illusorisch. "Da bräuchte man weitere radikale Maßnahmen, bei denen die Bürger nicht mehr mitmachen", sagt Kekulé. Man müsse sich mit einer Inzidenz um die 50 abfinden, dürfe aber auf keinen Fall alles lockern ohne die nötigen Schutzmechanismen. Kekulé setzt auf selektive Maßnahmen, wie das konsequente Impfen von allen Über-70-Jährigen und Risikogruppen.
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