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Wimbledon: Die rüstige Ü30-Truppe will noch mehr Tennis-Titel

Wimbledon

Die rüstige Ü30-Truppe will noch mehr Tennis-Titel

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    Nach ihrem Aus in der ersten Runde kündigte Venus Williams an, wieder nach Wimbledon zurückzukehren.
    Nach ihrem Aus in der ersten Runde kündigte Venus Williams an, wieder nach Wimbledon zurückzukehren. Foto: Kin Cheung, dpa

    Im Theater der größten Grand Slam-Träume brandete noch einmal freundlicher Applaus auf, als die ehemalige Wimbledon-Königin humpelnd das grüne Spielfeld verließ. Venus Williams winkte ein paar Mal lächelnd in die Menge zurück, es sah nach Abschied aus an diesem ersten Tag der Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2023. War's das etwa für jetzt und immer für die fünfmalige Gewinnerin, die sich nach einem Sturz verletzt durch die verlorene Erstrundenpartie gegen die Ukrainerin Elina Svitolina geschleppt hatte? Von wegen: „Ich werde weitermachen, das ist nicht das Ende“, sagte Williams später. Um dann noch einmal ein kühnes Vorhaben in Erinnerung zu rufen: „Man kann hier auch noch mit Fünfzig antreten. Wenn eine das schafft, dann ich.“

    So ändern sich die Zeiten: Vom Jugendwahn vergangener Tennisepochen, aber auch von einer Hoppla-jetzt-komm-ich-Mission eines 17-jährigen Teenagers wie Boris Becker im Jahr 1985, ist das Welttennis gerade weit entfernt. Venus Williams, die zwischen 2000 und 2008 im Rasenreich fünfmal dominierte, ist nur das extremste Beispiel für die verschobenen Karrieregrenzen in der Branche. Big Sister Venus spielt noch in einem Alter Weltklassetennis, da war Björn Borg einst bereits 17 Jahre zurückgetreten – der legendäre Schwede hörte 1983 mit 26 auf, damals ein Schock für die Tenniswelt. Aber auch die beiden größten deutschen Spieler, Steffi Graf und Beckers letztes Hurra kam 1999 in Wimbledon, Grafs Abschied folgte nur wenige Wochen später, am 13. August jenes Jahres. 

    Boris Becker verabschiedet sich 1999 in Wimbledon

    Hinter Becker, Graf und auch Michael Stich (Rücktritt schon 1997 mit 29) hatte eine überaus rüstige Ü30-Truppe in Gestalt der Topleute Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic noch ein bis zwei nachfolgenden Generationen hartnäckig die begehrtesten Pokale verwehrt. Djokovic, aktuell der einzig verbliebene Überspieler, will nun seine Laufbahn noch bis zur Vierzig fortsetzen: Ans Aufhören verschwende er „gerade nicht einen einzigen Gedanken.“ Doch nicht nur die bekanntesten Gesichter der Szene schreiben wundersame Geschichten der Ausdauer: Spaniens Feliciano Lopez, der soeben beim ATP-Turnier auf Mallorca Lebewohl sagte, trat zwischen den French Open 2002 und den Australian Open 2022 bei 79 Majors in Serie an.

    Federer, der sich im Moment auf einer Ehrentournee befindet und am Dienstag auch in Wimbledon gastierte, hatte für seinen Karriere-Marathon ehedem eine einleuchtende Selbstdiagnose parat gehabt: „Je älter ich wurde, umso besser verstand ich meinen ganzen Beruf. Nie trainierte ich so effektiv und gleichzeitig schonend wie jenseits der Dreißig.“ Tatsächlich bieten sich im modernen Tennis nicht nur für Superstars und Multimillionäre wie Federer Möglichkeiten, sich mit einem Spitzenteam von Coaches und allerlei Spezialisten optimal aufzustellen. Auch in der Breite reisen die meisten Profis heute mit einem ganzen Assistenztrupp umher, Ernährung, Fitness und methodische Übungsarbeit spielen im Hier und Jetzt eine wesentlich größere Rolle. 

    Tennisschläger verursachen weniger Verschleiß

    Ivan Lendl, einst der Avantgardist für eine professionelle Lebensführung in seinem Sport, sagt dazu: „Was ich damals praktiziert habe, macht heute fast jeder im Tennis. Weil er es muss, um nicht abgehängt zu werden.“ Lendls einstiger Widersacher Mats Wilander nennt auch fortgeschrittene Schlägertechnik als Ursache für Karrieren, die inzwischen nicht selten länger als zwei Jahrzehnte dauern: „Die Rackets sind viel schonender, verursachen viel weniger Verschleiß.“ 

    Vor einigen Jahren war der Altersdurchschnitt in den Top 10 der Männer sogar schon einmal bis auf 29,7 Jahre und der Top 100 auf 27,7 Jahre hochgeschnellt. Im Moment ist das Welttennis in der absoluten Spitze wieder etwas jünger geworden, aber im historischen Vergleich immer noch alt. Zum Vergleich: Ende der 80er Jahre lag der Altersschnitt der 100 besten Männer bei 23,7 Jahren und der 100 besten Frauen bei 22,6 Jahren. 

    Kerber will nach Babypause zurückkehren

    Und die aktuellen Schlagzeilen dieser Tage? Angelique Kerber, 35, dreimalige Grand Slam-Siegerin, beginnt ihre Rückkehrmission nach der Babypause, mit dem Ziel, mindestens bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu spielen. Und ihre dänische Freundin Caroline Wozniacki, zweifache Mutter, startet ebenfalls ein Comeback, für die US Open im Spätsommer ist sie bereits mit einer Wild Card ausgestattet. Trainer-Großmeister Otto Rehhagel hatte ja einst in seiner unendlichen Weisheit dies festgestellt, wie in Stein gemeißelt: „Es gibt nicht alte und junge Spieler. Sondern gute und schlechte Spieler.“

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