Von den mitleidigen Blicken lässt sich ja auch nichts kaufen. Wenn sich das eigene Kind – gleichsam Blage wie Plage – vor dem Süßigkeiten-Regal niedersinken lässt, startet das Schauspiel. Wie Windmühlen auf Ecstasy rotieren Arme durch die Luft, versuchen Beinchen ein Loch zum verschwundenen Bernsteinzuckerzimmer zu trommeln und wird das Klagelied angestimmt. Wie ungerecht die Welt ist, dass alle anderen so viele Snickers essen dürfen, wie sie wollen, und dass mit dem baldigen Auszug zu rechnen sei, falls jetzt nicht schleunigst die Gummibären in den Einkaufswagen wandern. Ach Kind, würdest du doch einfach ...
Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Dem energisch vorgetragenen Wunsch des Kindes entsprechen oder mitleidige Blicke erwidern sowie pädagogisch wertvoll die Situation aussitzen und so der sofortigen Bedürfnisbefriedigung entgegenwirken, auf dass der Nachwuchs etwas für das Leben lerne. Die meisten Eltern finden sich kurz darauf mit sechs Snickers und vier Tüten Haribo im Auto wieder. Kind ruhig, Eltern zufrieden.
Ziviler Ungehorsam der Millionärsbürschchen
Die Fifa hat den gleichen Weg eingeschlagen, in dem sie Vinicius Junior als besten Spieler der Welt auszeichnete. Im Oktober noch war Vinicius der Verleihung des Ballon d‘Or ferngeblieben, weil er die prestigeträchtige Auszeichnung nicht erhalten hatte. Sämtliche Spielkameraden von Real Madrid taten es ihm gleich. Ziviler Ungehorsam der Millionärsbürschchen. Es gibt keinerlei Zweifel an der sportlichen Klasse des Brasilianers. Mit der sportlichen Entwicklung konnte sein Gemüt aber nicht Schritt halten. Der ausgestreckte Finger bei aufgerissenen Augen ist sein Erkennungszeichen auf dem Feld. Wiederholte Ungläubigkeit, wie sich Schiedsrichter erdreisten können, nicht in seinem Sinne zu entscheiden. Dazu Schwalben und Arroganzanfälle. Aber sicherlich ganz ein feiner Kerl außerhalb des Platzes.
Die Fifa hat ihn nun als zum weltbesten Spieler gekürt. In ihr Votum flossen neben den Stimmen der Nationalmannschafts-Kapitäne und -Trainer auch jene der Medien und der Fans ein. Die Anhänger stimmten viermal häufiger für Vinicius als für den insgesamt zweitplatzierten Rodri ab. Möglicherweise sind sie im Schnitt mehr Kind als Eltern. An der Wahl ist freilich nichts auszusetzen. Vielleicht könnte die Fifa dann aber auch künftig die WM-Spielorte auf ähnliche Weise bestimmen lassen. Wenn aber Fußball-Nationen wie Katar und Saudi-Arabien das Turnier nicht erhalten, ist dort das Gestrampel vor den Süßigkeiten groß.
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