Lernen von Vorbildern - selbstverständlich lohnt es sich, die Kinder zum Fußball, Handball, Eishockey oder eben zum Skispringen mitzunehmen. Der Funke kann überspringen. Das war bei Pius Paschke nicht anders. Als vor 23 Jahren Sven Hannawald letztmals für den Deutschen Skiverband (DSV) die Vierschanzentournee gewann, stand der junge Paschke auf den Tribünen von Innsbruck und drückte die Daumen. Der Oberbayer war damals elf Jahre alt. Paschke hatte von einem Nachbarn eine Karte für den Wettbewerb am Bergisel geschenkt bekommen. Er kommt aus Kiefersfelden nahe der Grenze zu Österreich.
Pius Paschke und die Vierschanzentournee: Als Elfjähriger ging alles los
„Das war ein Highlight für mich. Ich war in Innsbruck und habe Sven damals gewinnen sehen. Als Elfjähriger habe ich das noch nicht so ganz mitgeschnitten. Für mich war das mehr Skispringen im Stadion genießen“, erzählte Paschke bei der deutschen Auftakt-Pressekonferenz im Hotel Sonnenbichl. In Fischen im Allgäu traf sich die deutsche Mannschaft am Freitagnachmittag, um das Projekt „nächster deutscher Tourneesieg“ zum 23. Mal in Angriff zu nehmen.
Hannawalds Gesamtsieg aus dem Jahr 2002 ist bis heute der letzte deutsche Triumph bei dem Traditionsevent. Der 34 Jahre alte Paschke kommt diesmal im Gelben Trikot nach Oberstdorf, wo am Sonntag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) das erste der vier Springen startet. Der Polizeiobermeister reist mit fünf Weltcupsiegen als Favorit an. In der frühen Saisonphase machte Paschke den größten Leistungssprung im deutschen Team. Er ist die große Hoffnung der Fans im Stadion am Schattenberg, das seit Wochen ausverkauft ist.
Erst vor gut einem Jahr hatte der Athlet den ersten Weltcuperfolg seiner Karriere gefeiert und ist in wenigen Monaten aus dem Schatten von Andreas Wellinger oder Karl Geiger gesprungen. Der Spätzünder musste in Fischen den Grund für den plötzlichen Aufwärtstrend erklären. Die Flugkünstler erzählen dann gerne von ihrem Flugsystem, das sie jetzt gefunden haben. Martin Schmitt pflegt einst zu sagen, dass er „sein Sach“ beieinander habe. Das sagt alles und auch nichts.
Paschkes Anfahrtshocke ist aggressiver
Paschke wurde konkreter. „Die Anfahrtshocke ist jetzt offensiver. Davor war ich langsam“, sagte der Weltcupführende und ging seinen Sprung durch. Er sei vorwärts gekommen, „den Druck an der Kante in den Flug zu transportieren“. Und schließlich habe er seine Skiführung verändert, um weiter nach unten gleiten zu können. Nur wenige Sekunden dauert ein Sprung. Die Aktiven und ihre Trainer zerlegen jeden Satz in mehrere Phasen, um die Einzelteile am Ende wieder zusammenzufügen. Paschke nennt das seine „Idee vom Skispringen“.
Andreas Wellinger hat eine weitere Erklärung für den Leistungssprung seines Teamkollegen. „Pius und ich haben uns schon im Sommer auf höchsten Niveau duelliert. Das Schöne ist, dass es Pius in den Winter herüber gebracht hat“, lobte Wellinger, der neben Geiger zu den Sieganwärtern im DSV-Team zählt. Der Olympiasieger belegt den sechsten Platz in der Weltcup-Wertung und beendete die Vierschanzentournee vor einem Jahr hinter dem Japaner Ryoyu Kobayashi auf Platz zwei. Der Ruhpoldinger gewann vor einem Jahr das Auftaktspringen in Oberstdorf.
Weltcup-Führung ist eher ein Fluch
Auf den Gesamtsieger warten der Goldene Adler und 100.000 Schweizer Franken (ca. 106.500 Euro) Preisgeld. Der Triumph ist jedoch viel mehr wert. „Mit dieser Veranstaltung ist unser Sport groß geworden. Von daher ist es als Skispringer eine der größten Sachen, die man gewinnen kann“, sagte Paschke. Die Führung in der Weltcup-Wertung war in der jüngsten Vergangenheit für die Springertournee allerdings eher ein Fluch denn ein Segen. In den vergangenen fünf Jahren kamen Stefan Kraft aus Österreich, der Japaner Ryoyu Kobayashi, Halvor Egner Granerud (Norwegen), der Allgäuer Geiger und Dawid Kubacki aus Polen im Gelben Trikot zur Tournee. Alle reisten nach dem vierten Tournee-Springen ohne Adler aus Bischofshofen wieder ab.
Als Hauptkonkurrenten der deutschen Springer gelten bei der 73. Vierschanzentournee die Österreicher. Beim jüngsten Weltcup im schweizerischen Eingelberg feierten die rot-weiß-roten Springer Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft einen Dreifachsieg. Auch der Schweizer Gregor Deschwanden oder Anze Lanisek aus Slowenien gelten als Sieganwärter. Titelverteidiger Kobayashi gilt als zu formschwach, um vorne angreifen zu können. Es könnte auf das Duell Deutschland gegen Österreich hinauslaufen. Auf die Frage, welchen der drei starken Österreicher er für am gefährlichsten halte, antwortete Wellinger im Teamhotel demonstrativ kurz und selbstbewusst: „Wellinger. Paschke.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden