Um einzuordnen, was Borussia Dortmund an diesem denkwürdigen Dienstagabend vollbracht hat, lohnt der Blick ins vergangene Jahrzehnt. Wenn die Halbfinalspiele der Champions League ermittelt waren, fehlte stets ein Klub: der BVB. Letztmals erreichte Dortmund 2013 die Vorschlussrunde in der Königsklasse. Das Ende ist bekannt: Im Finale im Londoner Wembley-Stadion unterlag der BVB dem FC Bayern München knapp 1:2. Elf lange Jahre des Wartens erklären, warum die Dortmunder sich nach dem Erfolg gegen Atlético Madrid wiederholt des Wortes "magisch" bedienten. Wer derart sehnsüchtig auf einen einprägenden Erfolg im Europapokal wartet, bei dem explodieren die Emotionen.
Wegen der Vorgeschichte gilt der Sieg über Madrids kratzbürstige Mannschaft schon jetzt als historisch. Trainer Edin Terzic war gelungen, was zuvor lediglich den Granden Ottmar Hitzfeld, Jürgen Klopp und in einer Nebenepisode Nevio Scala geglückt war. Für den 41-jährigen Terzic ist das Erreichen des Halbfinales nach dem Gewinn des DFB-Pokals 2021 der bislang größte Moment als BVB-Coach. In der Winterpause musste er noch fürchten, seinen Job zu verlieren. Mit Nuri Sahin und Sven Bender erweiterten die Dortmunder Bosse stattdessen das Trainerteam um zwei Klublegenden.
Edin Terzic sorgt punktuell beim BVB für Höhepunkte
Terzic hat in dieser Saison punktuell für Höhepunkte gesorgt. Nach einer gefühlten Ewigkeit verließen die Dortmunder mal wieder die Münchner Arena als Sieger, jetzt überstrahlt der Halbfinaleinzug konstante Inkonstanz. Im Überschwang sprach Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von einem "stolzen Tag für alle Borussen". Jener Watzke verlautbarte aber auch vor einiger Zeit, dass keine Saison des BVB gut sei, die nicht in der Teilnahme an der Champions League endet. Denn, so süß der Erfolg jetzt schmecken mag, Terzic hat mit seiner Mannschaft etliche Rückschläge erlitten. Im DFB-Pokal war im Achtelfinale Schluss und in der Liga steht Dortmund lediglich auf Rang fünf. Die nächsten Gegner: Bayer Leverkusen und RB Leipzig. Erst danach steht das Hinspiel gegen Paris St. Germain an.
Weil die Champions League reformiert und auf 36 Teams aufgestockt wird, genügt womöglich der fünfte Rang in der Bundesliga zur Teilnahme am Wettbewerb. Das entscheidet sich allerdings erst gegen Ende der Europapokalsaison in Abhängigkeit von Eventualitäten. Darauf setzen sollten die Dortmunder folglich nicht. Ebenso wenig darauf, dass sie die Champions League gewinnen und automatisch qualifiziert sind.
Im Sommer müsste Terzic erneut um seinen Job fürchten. Partieller Erfolg würde flugs verblassen, sollte der BVB die Königsklasse verpassen. Historisch wäre aber auch das: Vor neun Jahren war das letztmals der Fall.