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Triathlon: Patrick Lange vor der Ironman-WM: "Ich gehe da mit breiter Brust rein"

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Patrick Lange vor der Ironman-WM: "Ich gehe da mit breiter Brust rein"

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    Patrick Lange ist schon zweifacher Ironman-Weltmeister. Momentan schindet er sich in St. Moritz dafür, dass noch ein dritter Titel dazukommt.
    Patrick Lange ist schon zweifacher Ironman-Weltmeister. Momentan schindet er sich in St. Moritz dafür, dass noch ein dritter Titel dazukommt. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Herr Lange, wo erreiche ich Sie gerade?

    Patrick Lange: Ich bin gerade im Trainingslager in St. Moritz. Für mich hat sich diese moderate Höhe als ideal herausgestellt, wir sind hier ja „nur“ auf 1850 Metern. Bei mir schlägt das immer sehr, sehr gut an. Ich habe hier einige meiner größten Erfolge vorbereitet, unter anderem zwei Hawaii-Siege. Daher gehört das zum festen Bestandteil bei mir im Jahresaufbau. 

    Wie groß ist Ihr Trainingspensum?

    Lange: Das sind schon volle Tage, weil es auf den wichtigsten Wettkampf des Jahres zugeht. Es stehen jeden Tag fünf bis sieben Stunden Training auf dem Plan. Nach unserem Gespräch warten noch 21 Kilometer Laufen. 

    Das große Ziel aller Ironman-Sportler ist die WM am 10. September in Nizza. Wie zufrieden sind Sie bisher mit der Vorbereitung?

    Lange: Ich bin wirklich sehr zufrieden. Ich hatte in den letzten beiden Jahren immer das Pech, dass mich trotz Impfung Covid erwischt hat. Es zeigt sich deshalb einmal mehr, wie wichtig die Gesundheit ist und die natürlich immer an erster Stelle stehen muss. 

    In Roth sind Sie Ende Juni hinter Magnus Ditlev (7:24,40 Stunden) Zweiter geworden und in 7:30,04 Stunden ebenfalls noch unter dem alten Ironman-Weltrekord von Jan Frodeno geblieben. Kann man das als Fingerzeig für Nizza werten?

    Lange: Es ist auf jeden Fall so, dass ich nach Roth direkt wieder gut ins Training reingekommen bin. Ich bin momentan echt happy. Ich kann meine Leistungen immer weiter steigern, was man jetzt nicht von allen in meiner Altersklasse in den letzten Jahren gesehen hat. Ich arbeite da weiter auf einem stetig steigenden Niveau, was natürlich motiviert. Wenn man merkt, dass man noch mal eine Schippe drauflegen kann. Das ist wirklich cool. 

    Wie anders trainiert denn der Patrick Lange von heute im Vergleich zu dem von vor zehn Jahren?

    Lange: Das kann man schwer vergleichen, weil ich vor zehn Jahren noch gar kein Profi war. Ich bin ein sehr spät Berufener, und das sind natürlich riesige Unterschiede. 

    Aber das bedeutet gleichzeitig, dass Ihr Trainingsalter auf Top-Niveau noch nicht so hoch ist. Erklärt sich damit, dass Sie sich auch mit 36 immer noch verbessern können?

    Lange: Das stimmt, auch wenn ich den Triathlonsport schon seit 20 Jahren betreibe. Aber natürlich, da haben Sie absolut recht. Ich glaube auch, dass da ein Schlüssel dazu liegt, dass ich eben immer noch besser werden kann. Dass ich noch Reserven habe. Dass ich das Gefühl habe, in meiner Profikarriere noch nicht wirklich komplett ausgereizt zu sein. Vor zehn Jahren habe ich mein Staatsexamen als Physiotherapeut gemacht. Da habe ich im Sommer hinter den Büchern gesessen und vielleicht zehn, zwölf Stunden in der Woche trainiert. Im weiteren Verlauf bin ich auch direkt in den Berufsalltag eingestiegen mit einem Halbtagsjob in der Physiotherapie. Da waren dann meistens morgens Einheiten und abends Einheiten – dazwischen habe ich gelernt oder dann eben gearbeitet. Damals war ich auch noch nicht auf der Langstrecke unterwegs. 

    Am 20. August werden Sie erstmals beim Allgäu-Triathlon am Start sein. Wie passt der in Ihren Plan für Nizza? Ist er ein Training unter Wettkampfbedingungen oder Generalprobe?

    Lange: Genau dazwischen, würde ich sagen. Der Allgäu-Triathlon hat für mich schon immer einen gewissen Reiz gehabt, weil er einer der ältesten in Deutschland ist. Er stand schon sehr lange auf meiner Bucket List, und es sind zwei Aspekte, die mich reizen. Zum einen habe ich noch nie einen Wettkampf direkt aus der Höhe gemacht. In der Wissenschaft gibt es zwei verschiedene Ansätze, wie man nach der Höhe Topleistungen abrufen kann. Der eine ist, dass man direkt runtergeht und sofort einen Wettkampf macht. Die andere Variante ist, drei Wochen im Flachen weiterzutrainieren, die Adaptionsprozesse laufen zu lassen und dann regeneriert Höchstleistung zu bringen. Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht mit den drei Wochen. Von daher passt das ideal für Nizza. Aber auch aufgrund dieser tollen Trainingsentwicklung habe ich wirklich nur kurz gebraucht, um für den Allgäu-Triathlon zuzusagen. Er passt einfach optimal in meinen Kalender. Hingehen, Vollgas geben und schauen, was an dem Tag drin ist. Den Vergaser noch mal durchpusten für den großen Tag in Nizza. 

    Ist es noch zu früh, um Sie nach der Zielsetzung für Nizza zu fragen?

    Lange: Ich würde mir hier nicht den Allerwertesten aufreißen, um da dann 15. zu werden. Meine Zielsetzung ist ganz klar: Ich möchte ganz vorn landen. Ich möchte um eine Podiumsplatzierung definitiv mitreden. Ich glaube, die Strecke mit 2500 Höhenmetern liegt mir als verhältnismäßig leichtem Athleten sehr gut. Da kommt es auf ganz andere Qualitäten an als in Roth. Von daher rechne ich mir in Nizza eine höhere Chance aus, gehe da mit breiter Brust rein und denke schon, dass ich ums Podium mitreden kann. Das ist die klare Zielsetzung. 

    Sie waren ein harter Kritiker der Entscheidung, die Ironman-WM aus Hawaii nach Nizza zu verlegen. Zuletzt stand zu lesen, Sie hätten Ihren Frieden damit gemacht. Ist das korrekt?

    Lange: Ja, absolut. Ich würde einfach zu viel Energie verschwenden, wenn ich jetzt immer noch in diesem negativen Trott drin wäre. Natürlich wäre ich lieber auf Hawaii, aber es ist nun mal so wie es ist. Man sollte dem Rennen als solches auch eine Chance geben. Ich gehe da jetzt hin, schaue, wie es ist, und nehme es auch wirklich als Highlight der Saison. 

    Wie nehmen Sie eigentlich die Entwicklung wahr, die der Triathlonsport an der Spitze gerade nimmt? Rekorde werden gebrochen und extrem schnelle Zeiten wie am Fließband geliefert. Woran liegt das?

    Lange: Es gibt definitiv eine starke Leistungssteigerung an der Spitze. Wenn man sich den Altersschnitt der Jungs anschaut, die da Druck machen, wird man feststellen, dass die alle so um die 25 Jahre alt sind – und das ist tatsächlich ungewöhnlich. Das ist für einen Ironman-Athleten im klassischen Sinn sehr jung. Als ich so alt war, hieß es noch: Ironman machst du frühestens so ab 29 oder 30. Das hat sich geändert, genauso wie die Herangehensweise, und das spüren wir jetzt. Die Jungen, die jetzt gerade liefern, wollten nie zu Olympia. Die wollten immer nur auf die Langstrecke. Es gibt jetzt also eine frühe Spezialisierung, und es gibt auch kaum noch Quereinsteiger auf diesem Niveau. 

    Ist das der einzige Grund?

    Lange: Nein, denn dann kommen natürlich noch die ganzen Weiterentwicklungen in Sachen Trainingswissenschaft hinzu. Triathlon ist immer noch ein junger Sport, der sich stetig weiterentwickelt. Das Material wird auch immer besser, die Räder, die Schuhe. Es sind viele Sachen. Wenn man sich zum Beispiel die Kohlenhydrataufnahme anschaut. Meinen ersten Ironman-Sieg auf Hawaii habe ich mit ungefähr 40 bis 50 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde gemacht. Heute reden wir von 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde. Das sind ganz andere energetische Reserven, die du anzapfen kannst, um dann natürlich auch viel schneller zu sein. Da hat sich einfach viel getan, und das sieht man nicht nur im Triathlonsport. Das sieht man auch bei den Radfahrern oder bei den Schwimmern. Und da bin ich schon stolz, dass ich mich immer noch weiterentwickelt habe, als einer, der schon zu der etwas älteren Generation gehört. 

    Haben Sie dennoch Verständnis dafür, dass manch Kritiker hinter diesen Leistungssprüngen auch andere Gründe sieht?

    Lange: Man darf die Augen vor Doping nicht verschließen. Man muss das auch ganz offen ansprechen. Ich hätte halt gerne eine Möglichkeit zu beweisen, dass das sauber möglich ist. Als sauberen Athleten fehlt uns dieses Werkzeug. Ich habe vor Kurzem meine Dopingkontrollen nachgezählt und bin jetzt bei 98, die ich in meinem Profidasein bisher hatte. Da kann man dann natürlich sagen, Lance Armstrong ist auch oft kontrolliert worden – was eben auch stimmt. 

    Die Experten sind sich einig, dass Doping wohl immer zum Leistungssport gehören wird.

    Lange: Der Sport bildet ja immer auch eine Gesellschaft ab. Und da gibt es eben Leute, die bescheißen – die Steuern hinterziehen oder sonst irgendwas machen. Das ist im Sport nicht anders. Ich stehe für sauberen Leistungssport. Ich gebe alles und bin da komplett offen. Ich tue alles dafür, so gut wie möglich zu beweisen, dass solche Leistungen sauber möglich sind. Ich stehe 365 Tage, 24 Stunden am Tag für Kontrollen zur Verfügung. Ich lasse meine ganzen Blut- und Urinproben einfrieren und stelle sie für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung. Meine Proben können nach 100 Jahren aufgetaut und mit den neuesten Methoden untersucht werden – und man wird nie verbotene Substanzen darin finden.

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