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Tischtennis: TTC Neu-Ulm: Von null auf Bundesliga und zurück

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TTC Neu-Ulm: Von null auf Bundesliga und zurück

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    Ein Bild aus der Vergangenheit: Lin Yun-ju, Truls Moregardh und Dimitrij Ovtcharov jubeln mit dem Pokal.
    Ein Bild aus der Vergangenheit: Lin Yun-ju, Truls Moregardh und Dimitrij Ovtcharov jubeln mit dem Pokal. Foto: Joaquim Ferreira, dpa

    Knapp ein Dutzend Mitglieder hat er noch, eine Mannschaft nicht mehr: Der TTC Neu-Ulm, Deutschlands vermutlich kleinster Tischtennisverein – zugleich der, mit der fraglos ungewöhnlichsten Historie. Das sportliche Kapitel endete am Ostersonntag in Saarbrücken im Halbfinale der Champions League. Im Silberpokal des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) ist der Klubname dagegen seit Januar 2023 für alle Zeiten eingraviert. 

    Der noch wertvollere Titel indes, eben jener in Europas Königsklasse, blieb Präsident Florian Ebner und seinen Akteuren verwehrt. Jetzt zum dritten Mal übrigens und wieder so denkbar knapp wie im Vorjahr. Damals scheiterte der TTC im Halbfinale an Rekordmeister Borussia Düsseldorf, diesmal am Gastgeber und Titelverteidiger Saarbrücken. Gerade mal ein Ball fehlte zum möglichen ganz großen Coup. Ein Ball nur, bei letztlich fünf Einzeln mit insgesamt 19 Sätzen. Kein weiterer Pokal also zum Abschied, nachdem sich der Verein schon im Vorjahr im Streit mit der Bundesliga-Leitung aus dem Oberhaus zurückgezogen hatte. Sportlich wäre er für die Champions League zwar erneut qualifiziert, einen weiteren Start aber hat der DTTB mit einer Regeländerung verhindert.

    TTC Neu-Ulm stand zweimal im Halbfinale der Champions League

    „Innerhalb von fünf Jahren deutscher Pokalsieger und zweimal im Halbfinale der Königsklasse, das muss man erst mal hinbekommen“, zieht Ebner gleichwohl eine positive Bilanz. Nur eine halbe Dekade liegt zwischen dem jüngsten Frust in der Saarlandhalle und dem fröhlichen bayerischen Abend in einem rappelvollen Festzelt, bei dem sich im Sommer 2019 der frisch gegründete Klub mit seiner ersten Mannschaft vorgestellt hatte. Spektakuläre Schaukämpfe, bestgelaunte Spieler in Lederhosen machten zwischen Bühne und Biertischen Appetit auf mehr. 

    Ein erster Stimmungskiller freilich kam schnell. „Die Coronakrise war eine Zäsur, hat alle Planungen vereitelt“, sagt der Klubchef rückblickend. „Wir waren zu jung, um damit gut umgehen zu können“. Sportlich dagegen war der TTC in der Liga allemal konkurrenzfähig, deutlich schwieriger das Hallenproblem und der Aufbau einer Fan-Basis. 

    Russlands Überfall auf die Ukraine wirkte sich massiv aus

    Noch mehr durchgeschüttelt hat den jungen Verein freilich Ebner zufolge Russlands Überfall auf die Ukraine. Zweifellos habe er vom Exodus beim russischen Spitzenklub Orenburg profitiert, räumt der Präsident ein, „vier Weltklasse-Leute auf einen Schlag bekommt man nicht alle Tage“. Mit Folgen jedoch für das bis dato stabile Teamgefüge. Spürbar vor allem für drei junge hochtalentierte Russen, vom Heimatverband quasi als Olympia-Team für Paris geplant und von ihrem Landsmann Dimitrij Mazunov in Neu-Ulm bestens ausgebildet. 

    Stark genug jedenfalls schon für erste Titel auf europäischer Ebene, beim TTC intern aber noch klar im Schatten der Topstars – und durch Sanktionen von internationalen Turnieren (abgesehen von Vereinskonkurrenzen) ausgeschlossen. „Bitter für sie, das haben sie nicht verdient“, meint Florian Ebner. „Das Umfeld war nicht auszublenden“, registrierte der 66-Jährige in dieser Phase auch diverse kritische Äußerungen, betont aber: „Intern hat sich der TTC davon nicht beeinflussen lassen.“ Was ein Blick auf die Bank bei mehreren Spielen bestätigte: Ein russischer Coach und ein ukrainischer Teammanager Schulter an Schulter, mehrere Athleten aus beiden Ländern ebenfalls und der in Kiew geborene deutsche Nationalspieler Dimitrij Ovtcharov dazu.

    Dimitrij Ovtcharov machte den Höhenflug erst möglich

    Letztgenannter hatte mit seinem Wechsel nach Neu-Ulm den kurzen Höhenflug des TTC erst ermöglicht: „Ohne ihn wären wir an die anderen Topstars nicht herangekommen", sagt Ebner. An den taiwanesischen Ballvirtuosen Lin Yun-Ju also, den Japaner Tomokazu Harimoto und den Schweden Truls Moregardh. Klar hätten sich mit diesen Zugängen die Ambitionen des Vereins geändert, erklärt der Ulmer Medienunternehmer. „Hauptziel war zunächst nur die Teilnahme am ‚Final Four’ in der Neu-Ulmer Arena.“ Mithin die nationale Pokalendrunde, die sich hier seit Jahren etabliert hat und der Donaustadt wohl über das TTC-Ende hinaus bleiben wird. 

    Basis und Klub hingegen fremdelten anfangs zum Teil heftig. Traditionalisten war schon die Wildcard suspekt, die dem TTC den Einstieg in die Bundesliga ermöglicht hat, ohne die ansonsten nötige Ochsentour durch rund ein Dutzend Spielklassen. Allerdings haben sich beide Seiten sehr schnell angenähert. „Unsere Erfolge haben der Region gutgetan“, stellt der zuvor im Tennis und Golf verwurzelte Klubchef fest, „Fußball und Basketball als Zugpferde kamen ja erst danach“. 

    Dass er über die Jahre viel Zeit, Herzblut und natürlich auch Geld in sein Projekt investiert hat, bestreitet der Unternehmer nicht. „Aber Leistung und Gegenleistung haben sich entsprochen“, formuliert er sein persönliches Fazit. Das er mitnichten nur an Erfolgen festmachen will: „Unfassbare Spiele und viele Erlebnisse am Rande, Begegnungen insbesondere mit großartigen Menschen, sind mehr wert als Titel.“ 

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