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Tennis: "Ich habe versagt": Als Michael Stich trotz neun Matchbällen verlor

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"Ich habe versagt": Als Michael Stich trotz neun Matchbällen verlor

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    Boris Becker (hinten) und Niki Pilic müssen Michael Stich nach seiner schlimmsten Niederlage trösten.
    Boris Becker (hinten) und Niki Pilic müssen Michael Stich nach seiner schlimmsten Niederlage trösten. Foto: Achim Scheidemann, dpa

    Boris Becker haben alle geliebt. Die deutschen Tennis-Fans haben mit ihm gezittert und gejubelt. Weil Becker so emotional, seine Spielweise so mitreißend war. Becker hat Tennis-Geschichte geschrieben, als er 1985 erstmals in Wimbledon gewann. Tennis-Deutschland hat vor dem Fernseher mit ihm gelitten. Becker hat eine Ära geprägt.

    Michael Stich war ein noch größeres Talent als Boris Becker

    Becker aber war zu dieser Zeit in den 1980er und 1990er Jahren nicht der einzige deutsche Tennisprofi, der die Welt erstaunt hat. Michael Stich war ein sogar noch größeres Talent, sein Tennisspiel war viel feiner und technisch ausgereifter. Er war ein Gentleman auf dem Platz. Oft zurückhaltend, manchmal arrogant wirkend. Aber eben keiner, der die Massen begeistert.

    1991 hatte auch Stich in Wimbledon gewonnen. Es war sein großer Moment. Im Finale gegen Becker. Es war eine einseitige Partie. Aber keine, die ihn den deutschen Herzen näher gebracht hätte. Dort war immer noch Boris Becker die Nummer eins. Zu Stich gab es eher eine Zweck-Liebe. Eine, die immer dann am glühendsten war, wenn es in den Daviscup ging. In den Wettbewerb, der damals die Massen elektrisierte. Es gab viele unvergessene Duelle. Becker gegen McEnroe in Hartford. Es gab große Siege. Aber eben auch erschütternde Niederlagen. Stich hat eine solche erlebt.

    Boris Becker musste 1995 verletzt aufgeben

    Vier Jahre nach seinem Triumph auf Londons Rasen spielte er zusammen mit Becker im Daviscup. Die beiden waren keine großen Freunde, eher eine Zweckgemeinschaft. Ihr Naturell war so unterschiedlich, dass sie zwar zusammen auf dem Platz standen, darüber hinaus aber kaum eine Verbindung hatten. 1995 führte sie ihr gemeinsamer Daviscup-Weg im Halbfinale nach Russland. Becker und Stich zusammen, was sollte da schon schiefgehen. Im Finale wartete ein Heimspiel gegen die USA, darauf fieberten schon alle hin.

    Die Hürde Russland aber musste noch übersprungen werden. Auf Sand, der so nass war, als wäre er wochenlang bewässert worden. Vieles lief dennoch nach Plan, bis Becker am Sonntag, dem letzten Tag, nicht mehr antreten konnte. Der Körper streikte. Deutschland führte 2:1, was sich allerdings nach dem Auftritt von Ersatzmann Bernd Karbacher schnell änderte. Er war chancenlos gegen Jewgeni Kafelnikow. Also musste Stich es richten. Der heute 54-Jährige musste gegen Andrej Tschesnokow ran. Ein solider Spieler, der sich durch seinen Einsatz auszeichnete. Er rannte und rannte, es wurde ein anstrengendes Spiel, das in den fünften Satz ging. Es blieb eng, bis Stich mit 7:6 führte und eigenen Aufschlag hatte.

    Nun, da waren sich alle sicher, würde er es richten. Stich aber kam ins Straucheln. Sein Arm wurde schwer, der Kopf machte nicht mehr mit. Stich vergab den ersten Matchball, kann passieren. Dann den zweiten, auch noch denkbar. So ging es weiter. Auch die Matchbälle drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht und neun nutzte der Deutsche nicht. Es wurde zum Drama. Am Ende siegte der Russe mit 14:12. Stich saß auf seiner Bank, der Kopf ging nach unten, er weinte. Becker kam zu ihm, legte ein Handtuch um seine Schulter, wollte trösten. Stich aber bekam es nicht mehr mit. "Ich habe versagt. Das war die schmerzhafteste Niederlage meiner Karriere", sagte Stich. "Als Menschen und Tennisspieler wird dieses Match mich immer prägen. Ich wusste nicht, wie brutal Sport sein kann."

    Drei Wochen nach Moskau verletzte sich Stich schwer

    Deutschland schied aus, nichts wurde es mit dem Traumfinale gegen die USA um Pete Sampras, Andre Agassi und Jim Courier. Es wäre ein Heimspiel gewesen, entweder in München oder Dortmund. Zehn Millionen DM hätte es dem deutschen Tennis-Bund damals gebracht. So aber Enttäuschung pur, die sich in den weiteren Jahren fortsetzte. Erst 2007, also zwölf Jahre später, erreichte das deutsche Team wieder mal das Halbfinale im Daviscup.

    1995 aber hatte für Stich noch mehr zu bieten. Drei Wochen später spielte der 27-Jährige in Wien. Wenige Minuten waren erst im Viertelfinale gegen Todd Woodbrigde vorbei, als sich Stich schwer verletzte. Er knickte auf dem Weg zum Netz um und krümmte sich vor Schmerzen auf dem Boden. Die Diagnose: Riss des mittleren Außenbandes, Anriss des vorderen Bandes, Beschädigung der Kapsel am linken Sprunggelenk. Der nächste Tiefschlag. Stich kämpfte sich zurück. Ein Jahr später schaffte er es sogar ins Endspiel der French Open. Er verlor gegen Jewgeni Kafelnikow, einen Russen. Ein Jahr später beendete Stich seine Karriere. 

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