Es lässt sich natürlich die Frage stellen, wie man die Lebenszeit anders hätte nutzen können. Was in diesen elf Stunden und fünf Minuten zu erledigen gewesen wäre. Wie viele Kinder weltweit in dieser Zeit gezeugt wurden. Ausrechnen, wie viele Kalorien zugeführt werden, wenn alle halbe Stunde ein Snickers vertilgt wird. Andererseits: Warum so etwas tun? Während dieser elf Stunden und fünf Minuten gab es schlicht nichts Sinnvolleres zu erledigen. Wäsche wartet genauso wie zu mähender Rasen. John Isner und Nicolas Mahut warteten nicht. Sie duellierten sich am 22. Juni 2010 über eben jene elf Stunden und fünf Minuten hinweg. Prügelten sich auf Court Nummer 18 in Wimbledon gegenseitig insgesamt 221 Asse ins Feld. Es ist das längste Tennis-Match der Geschichte.
Court Nummer 18 ist nicht die große Bühne des Welttennis. Die großen und kleinen Dramen des Sports lassen sich ja aber eh viel häufiger auf Nebenplätzen und Bezirkssportanlagen als in den Kathedralen der Bewegungskünste finden. John Isner hat sie alle bespielt – die großen wie die kleinen Bühnen. Weil er nicht mit einem Füllhorn von Talent gesegnet war wie etwa der majestätische Roger Federer, schlug er sich häufiger auf Plätzen herum, die abseits der TV-Kameras lagen. Weil er aber über eine Körperlänge von 2,08 Meter und einen donnernden Aufschlag verfügt, servierte er sich dann und wann eben doch auf die Centre-Courts des Planeten.
Bei 253 km/h hält man den Schläger besser nicht in die Flugbahn
Kein Spitzenspieler donnerte den Ball derart schnell über das Netz wie der Amerikaner. Sein härtester Aufschlag wurde mit 253 km/h gemessen. Wer keinen Achsbruch im Ellbogengelenk oder ein Loch in seinem Schläger riskieren will, zieht selbigen lieber weg, statt den zum Scheitern verurteilten Versuch zu starten, den Ball zurück ins Feld zu spielen.
Nicolas Mahut versuchte es an jenem 22. Juni 2010 trotzdem immer wieder. Er gewann sogar zwei Sätze gegen Isner. Am Ende aber setzte sich die goliathische Gewalt Isners durch. 70:68 im fünften Satz. Allein dieser Durchgang dauerte länger als jedes andere Match bei einem Grand-Slam-Turnier.
Am Donnerstag nun hat Isner seine letzte Partie gespielt. Schon vor den US Open hatte er angekündigt, dass er seine Karriere nach dem Turnier beenden werde. Die Turnierplaner bereiteten ihm in der zweiten Runde immerhin eine mittelgroße Bühne. Grandstand, der drittgrößte Platz der Anlage. Isner verlor ein typisches Isner-Match. Fünf Sätze, annähernd vier Stunden und natürlich im Match-Tie-Break . Michael Mmoh beendete die Karriere von Isner. Eine Karriere mit vielen kleinen Dramen, und einem großen.