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Tennis: Bei Angelique Kerber ist alles eine Frage des Willens

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Bei Angelique Kerber ist alles eine Frage des Willens

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    Angelique Kerber hat in München ihr Buch präsentiert. Damit möchte sie auch eine Botschaft vermitteln.
    Angelique Kerber hat in München ihr Buch präsentiert. Damit möchte sie auch eine Botschaft vermitteln. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Am Ende saß Angelique Kerber in der Sonne. Der Nebel hatte sich verzogen, die 34-Jährige lehnte entspannt an einer Hauswand. Ihr Blick ging in Richtung der Reitanlage. Ein klein wenig verträumt wirkte sie, als sie den jungen Reiterinnen und Reiter zuschaute. Wohin die Gedanken gingen? In die Zukunft, in der sie bald selbst Mutter sein wird und womöglich ihr Kind selbst irgendwann zum Reitunterricht begleitet? Oder in ihre erfolgreiche Zeit als Tennisspielerin, die trotz der Schwangerschaft noch lange nicht zu Ende sein soll? Wahrscheinlich ein Mix aus beidem.

    Kerber war am Mittwochabend nach München gekommen, um einen Tag später ihr Buch im Café Reitschule vorzustellen. „Eine Frage des Willens“, heißt es. Der Titel sei ihr ganz wichtig gewesen. Lange Zeit sei daran getüftelt worden, heraus kam eben „Eine Frage des Willens“ – was ihre Karriere am besten beschreibe, sagte sie gut gelaunt in der Münchner Gesprächsrunde. Tennis sei schon immer ihre große Leidenschaft gewesen. Auch wenn es ihr Lieblingssport ihr nicht immer ganz einfach gemacht habe. Es gab natürlich viele Aufs, aber auch etliche Abs. Ohne den nötigen Willen geht da gar nichts. Schon gar nicht im Profisport.

    Tatjana Maria kann ein Vorbild für Angelique Kerber sein

    Momentan pausiert die 34-Jährige wegen ihrer Schwangerschaft. Sie lässt aber keinen Zweifel daran, dass sie auf die Tour zurückkehren werde. Wann das sein wird, weiß sie nicht. Sie weiß nur, es wird so sein. Da ist sie sich ganz sicher und platzierte diese Worte so vehement und angriffslustig wie sonst nur ihre Vorhand auf dem Platz. „Tennis ist mein Leben und wird es immer bleiben“, sagte sie entschlossen. Andere Spielerinnen haben gezeigt, dass sehr wohl eine Rückkehr als Mutter möglich ist.

    Tatjana Maria hat zwei Kinder, was sie nicht davon abhält, erfolgreich Tennis zu spielen. In Wimbledon erreichte sie in diesem Sommer das Halbfinale. „Angelique hatte bisher eine Wahnsinnskarriere“, sagt Patrik Kühnen. Der ehemalige Profi und Davis-Cup-Kapitän ist sich sicher, dass sie die Rückkehr schaffen wird: „Diese neue Lebenssituation gibt ihr vielleicht auch Gelassenheit und noch mehr Selbstvertrauen, um noch mal neu anzugreifen“, sagte der heutige Tennis-Experte beim Bezahlsender Sky.

    Kerber weiß, dass der Weg zurück nicht leicht wird. Dass dort Steine liegen werden. „Das ist eine komplett neue Situation“, sagte sie. Die Prioritäten werden sich verschieben, viel muss organisiert werden. Sie braucht künftig eine andere Routine bei Turnieren. Ob ihr Kind immer dabei sein wird, weiß sie noch nicht. Was sie weiß: Sie wird ihr Privatleben weiter geheim halten. Bilder mit ihrem Kind neben dem Platz wird es nicht geben. Die rote Linie zwischen der öffentlichen und privaten Angelique Kerber wird weiter gezogen.

    Comebacks sind nicht immer einfach. Der Österreicher Dominic Thiem merkt das gerade, er findet einfach nicht den erfolgreichen Weg zurück. Alexander Zverev steht vor einer ähnlichen Aufgabe. Nach seiner schweren Verletzung in Paris kämpft er um die Rückkehr. „Eine solche Verletzung ist immer ein Einschnitt. Er hat die Einstellung, stärker zurückkommen zu wollen“, sagt Patrik Kühnen. Entscheidend sei dabei, wieder seine Match-Härte zu gewinnen. Also in den entscheidenden Momenten sein bestes Tennis abrufen zu können. „Da braucht man so schnell wie möglich die Bestätigung, dass es klappt“, sagt Kühnen. Ein guter Start und schnelle Siege sind wichtig. Zverev möchte im Januar wieder dabei sein. Bei Kerber wird es deutlich später, das ist klar. Momentan steht sie noch ab und zu auf dem Tennisplatz. Sie will sich fit halten und das Gefühl für den Ball nicht verlieren. Die Olympischen Spiele 2024 in

    Kerber will mit dem Buch eine Botschaft transportieren

    Eine Wahnsinnskarriere habe die 34-Jährige bislang, so Kühnen. Eine allerdings, und das wird in ihrem Buch deutlich, die nicht nur den steilen Weg nach oben kannte. Vor allem über ihre Krisen schreibt sie ganz offen und emotional. Das habe sie bewusst gemacht. „Es ist wichtig, auch eine Botschaft rüberzubringen“, sagt die gebürtige Bremerin. Dass Aufgeben keine Option sei.

    Allerdings stand auch sie knapp davor. 2011 war ein einschneidendes Jahr. Elf Partien verlor sie in Folge. Es waren schmerzhafte Wochen. Sie wollte spielen, aber nicht unbedingt trainieren. Sie musste erkennen, dass das der falsche Weg war. Sie zog sich nach Polen zurück, in die Heimat ihrer Großeltern. Sie legte den Schläger beiseite und führte viele Gespräche. Mit Oma und Opa, aber auch ihren Eltern. Tenniskollegin Andrea Petkovic war zudem eine wichtige Ansprechpartnerin. Kerber fand einen Weg zurück. Sie wandelte sich, wurde zu einer anderen Person, wie sie nun zugab. Trainingsfleißig. „Man muss zu 100 Prozent dahinterstehen, wenn man etwas macht“, sagte sie. Auch das ist eine Botschaft, die sie transportiert.

    In Australien fällt Kerber ein Holzbalken auf den Kopf

    Danach ging es bei Kerber bergauf. 2016 gewann sie die Australian Open. Das Turnier in Melbourne begann schlecht. Vor ihrem ersten Spiel landete in der Nacht im Hotel ein Holzbalken auf ihrem Kopf. Er hatte sich von der Decke gelöst. „Ein Schreckmoment“, erzählte sie nun. Eine Beule trug sie davon. Im gleichen Jahr wurde sie im September die Nummer eins der Welt, 2018 gewann sie in Wimbledon. Die Revanche gegen Serena Williams glückte ihr eindrucksvoll. Besonders an den Matchball erinnert sie sich. Wie der Ball an der Netzkante hängen blieb. Eigentlich ein leises Geräusch, für Kerber aber hörte es sich laut wie ein Jumbojet an. Es war ihr Moment, ihr großer Triumph. Lange habe sie dafür arbeiten müssen. „Ich hatte Wimbledon nicht in den zwei Wochen gewonnen, sondern in den 20 Jahren davor“, sagte sie über ihre Entwicklung.

    Kerber hat in ihrer Karriere viel gelernt. Auch, dass man wahre Freunde vor allem in guten Zeiten erkenne. „Man sieht, ob sie einem den Erfolg gönnen, wenn man es geschafft hat oder ob Neid dabei ist“, erklärte sie. Nun muss sie es allen noch einmal beweisen. Sie will unbedingt nach ihrer Babypause auf den Platz zurück. Aber wann soll Schluss sein mit der Karriere? „Irgendwann wird das Gefühl kommen, das werde ich merken“, sagte sie. Sie hat lange Roger Federers Abschiedsabend in London verfolgt. Sie weiß, wie schwer es dem Schweizer gefallen ist, aufzuhören. Die emotionalen Momente seines Abschieds haben auch sie gerührt. Es ist eine Kunst, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Auch das ist eine Frage des Willens.

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