Am Ende war es ein anonymer Brief, der den einst mächtigsten Mann im deutschen Sport stürzte. Alfons Hörmann trat Ende des vergangenen Jahres nicht mehr an, als der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) einen neuen Präsidenten wählte. Vorausgegangen war eine Schlammschlacht innerhalb des deutschen Dachverbandes, ausgelöst durch ein Schriftwerk aus der Mitarbeiterschaft. Dessen Verfasser ist oder sind bis heute unbekannt.
Zweiter anonymer Brief wendet sich gegen die Vetternwirtschaft im DOSB
Als zentrale Aussage des Briefs blieb das „Klima der Angst“ in Erinnerung, das Hörmann durch seinen Führungsstil geschaffen habe. Es folgten Schuldzuweisungen kreuz und quer durch den DOSB. Mit aller Macht wurde nach dem oder den Schreibern oder Schreiberinnen des Briefs gefahndet. Sogar ein Sprachsachverständiger wurde eingeschaltet. Alles vergebens. Hörmann musste aufgeben.
Vor einiger Zeit tauchte ein weiterer anonymer Brief innerhalb des DOSB auf. Diesmal stammte er von „besorgten Vertretern von Mitgliedsorganisationen“. Stein des Anstoßes war die vermeintliche „Vetternwirtschaft“ bei der Vergabe und dem Auswahlprozess „für die Position des Vorstandsvorsitzenden und für die Position des Vorstandsmitglieds Breitensport/Sportentwicklung“, zitiert der SID aus dem Brief.
Die Vorwürfe richteten sich unter anderem gegen den DOSB-Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester. Der besetzt den Posten seit dem 1. Februar, zuvor war er Generalsekretär beim Deutschen Behindertensportverband (DBS). Auf der Homepage des DOSB ließ sich Burmester zu dem Brief mit den Worten zitieren: „Der Sachverhalt wurde bei der Ethikkommission angezeigt. Dementsprechend wird diese ihn überprüfen, bewerten und zu einem Ergebnis kommen. (...) Die Beurteilung darüber, ob ein anonymer Brief der richtige Weg ist, um Kritik zu äußern, überlasse ich anderen.“
Vorwurf: Sportverbände seien untransparent, auch der DEB
Besagte Ethikkommission des DOSB unter der Leitung des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière kam im Juli zu dem Ergebnis, dass „keine Verstöße gegen Compliance-Regelungen oder andere Anhaltspunkte für unethisches Verhalten“ vorlägen. Thomas Weikert, Hörmanns Nachfolger als DOSB-Präsident, ließ sich mit den Worten zitieren: „Gleichzeitig hoffen wir, dass die Zeiten von anonymen Briefen nunmehr endgültig der Vergangenheit angehören.“
Diese Hoffnung wird sich wohl nicht erfüllen, denn längst haben Kritiker den Einfluss solcher Schriftsätze erkannt. Einmal im Umlauf, kann deren Inhalt zu einem echten Problem für die Machthaber werden – ohne dabei die Verfasser in die Bredouille zu bringen. Im Kampf gegen Doping werden solche Whistleblower händeringend gesucht. Im internen Ränkespiel der Verbände sind sie weit weniger beliebt.
Das dürfte auch für den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Eishockeybundes (DEB) gelten. Franz Reindl wird in einem anonymen Brief (liegt unserer Redaktion vor) vorgeworfen, unsaubere Geschäftspraktiken betrieben zu haben. Der Vorwurf ist nicht neu. Undurchsichtige Geldströme zwischen dem Deutschen Eishockeybund, einer Tochtergesellschaft und einem finanzkräftigen Partnerunternehmen bescherten Reindl eine Anzeige und Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft – welche noch immer laufen, wie eine Sprecherin bestätigte.
Anonymität der Briefe macht es schwierig, die Wahrheit zu überprüfen
Reindl selbst hat immer vehement bestritten, während seiner Amtszeit als DEB-Präsident und seiner zeitgleichen Tätigkeit als Geschäftsführer der DEB-Tochter unsaubere Geschäfte betrieben zu haben. Trotz dieser Beteuerungen verlor er die Wahl zum Präsidenten des Weltverbandes, zur Wiederwahl als DEB-Präsident trat er nicht an. Welche Rolle der anonyme Brief dabei gespielt hat ist offen. Hinter den Kulissen soll er schon seit vergangenem Jahr kursieren und Wasser auf die Mühlen der Reindl-Kritiker gewesen sein.
Bleibt die Frage nach dem Wahrheitsgehalt anonymer Briefe. Dieser ist zumindest zweifelhaft und lässt sich oft nur schwer überprüfen. Im Schutz der Anonymität fällt es leicht, Vorwürfe zu äußern, um beispielsweise alte Rechnungen zu begleichen. Im Fall Reindl lässt das Insiderwissen aber immerhin vermuten, dass der Schreiber ein intimer Kenner der Thematik ist.