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Paralympics: Pistorius ein Athlet für die Geschichtsbücher

Paralympics

Pistorius ein Athlet für die Geschichtsbücher

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    Oscar Pistorius startete als erster beinamputierter Läufer bei Olympischen Spielen. Foto: Tal Cohen dpa
    Oscar Pistorius startete als erster beinamputierter Läufer bei Olympischen Spielen. Foto: Tal Cohen dpa

    Kurz vor dem größten Moment seiner Karriere winkte Pistorius noch einmal smart lächelnd und mit einer Sonnenbrille im Gesicht ins Publikum. Wenige Sekunden später startete der sechsfache Paralympics-Sieger an diesem 4. August 2012 in London als erster beinamputierter Läufer bei Olympischen Spielen.

    Dank dieser historischen Leistung und auch seines gewinnenden Auftretens hat der Südafrikaner stets eine Öffentlichkeit erzielt, wie dies in der Leichtathletik sonst nur dem alles überstrahlenden Superstar Usain Bolt gelingt. Pistorius wurde frenetisch gefeiert in London, er ist der "Blade Runner" und der "schnellste Mann ohne Beine": Auch deshalb ging die Nachricht von den tödlichen Schüssen auf seine Freundin und dem Mordverdacht gegen den 26-Jährigen am Donnerstag binnen Minuten um die Welt.

    "Ich möchte mein Land stolz machen. Ich bin hungrig und ich glaube an mich" - diesen Satz hat Pistorius 2011 kurz vor der WM gesagt und diesem Motiv ist er stets gefolgt. Am 22. November 1986 kam er in Sandton/Südafrika infolge eines Gendefekts ohne Wadenbeine und mit nur zwei Zehen auf die Welt; noch als Baby wurden ihm im Alter von elf Monaten beide Beine unterhalb der Knie amputiert.

    Pistorius legte stets Wert darauf, nicht als "Behinderter" wahrgenommen zu werden, sondern als "Mann ohne Beine". Auf eigens angefertigten Karbonprothesen gewann er bei den Paralympischen Spielen in Athen, Peking und London insgesamt sechs Goldmedaillen über 100, 200, 400 und 4 x 100 Meter, aber das reichte ihm irgendwann nicht mehr. Der "Blade Runner" wollte in die Geschichte eingehen, sich mit nicht-behinderten Athleten messen. Dafür nahm er auch einen mehrmonatigen Kampf gegen die Mühlen der Sportgerichtsbarkeit auf - den mit Sicherheit härtesten Kampf seiner Karriere.

    Im Januar 2008 untersagte ihm der Leichtathletik-Weltverband IAAF, an normalen Wettkämpfen teilzunehmen. Die Prothesen würden ihm einen Vorteil verschaffen, hieß es zur Begründung. Vier Monate später hob der Internationale Sportgerichtshof CAS dieses Urteil aber wieder auf. Das Gutachten der Sporthochschule Köln, auf das sich die IAAF berief, sei unvollständig gewesen, argumentierten die obersten Sportrichter in Lausanne. Für Pistorius war dies "ein sehr stolzer Moment".

    Seitdem wird der Südafrikaner aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Für viele Menschen mit Behinderung sei er "eine echte Identifikationsfigur", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" einmal über ihn. Pistorius ist ein Vorbild und Antrieb für viele, dessen war er sich immer bewusst. Er suchte die öffentliche Bühne, ließ seine Aussagen von PR-Agenturen verbreiten. Der "schnellste Mann ohne Beine" erzählte seine Geschichte gern und oft.

    Die einzigen, die sich aber immer an dieser Geschichte störten, waren Funktionäre wie der Deutsche Helmut Digel, langjähriger Präsident des DLV und Council-Mitglied der IAAF. Für ihn war der Fall Pistorius bei aller Anerkennung und Sympathie für den Südafrikaner stets "eine Frage der Chancengleichheit". Die IAAF befürchtet nach wie vor, dass die technische Entwicklung so schnell voranschreitet, dass Karbon-Prothesen irgendwann so etwas wie "Technik-Doping" sein werden, das nicht-behinderten Läufern keine Chance mehr lässt.

    Pistorius' historische Auftritte bei der WM 2011 und den Olympischen Spielen 2012 haben diese These eher nicht bestätigt. Bei beiden Ereignissen schied er jeweils im Halbfinale aus. In London sagte er noch, unbedingt 2016 nach Rio de Janeiro und danach "auf der Höhe meines Könnens aufhören" zu wollen. Seit Donnerstag sieht es so aus, als könnte Pistorius dieses Ziel nicht mehr erreichen. (dpa)

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