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Flickwerk am Nervenkostüm: Sportler unter Druck

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Flickwerk am Nervenkostüm: Sportler unter Druck

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    Flickwerk am Nervenkostüm: Sportler unter Druck
    Flickwerk am Nervenkostüm: Sportler unter Druck Foto: DPA

    Vor den Augen der Sportwelt genau im entscheidenden Moment seine Leistung abzurufen, das ist die große Kunst. "Mental war ich nicht stark genug, das zu bewältigen", klagte Eisflitzerin Wolf nach verpasstem Gold. Viele Athleten arbeiten inzwischen mit Psychologen zusammen, doch manche setzen bei der Kopfarbeit immer noch auf die eigene Stärke und Tipps ihrer Trainer.

    Rodlerin Hüfner studiert Psychologie, setzt dennoch auf ihren Mentaltrainer, weil sie weiß, wie hippelig sie werden kann: "Man kann sich ja nicht selbst therapieren." Das Ergebnis? "Er hat wirklich gute Arbeit geleistet. Jetzt bin ich Olympiasiegerin. "Gold-Lena" Neuner hat nach ihren Erfolgen ihr Erfolgsrezept verraten: "Ich habe Gott sei Dank früh genug verstanden, dass es auch im mentalen Bereich wichtig ist, etwas zu tun. Ich habe da ganz, ganz viel gemacht. Das hat mich extrem weitergebracht", erklärte die 23-jährige Biathletin. Den Kopf zu trainieren sei jedoch "ein bisschen schwieriger" als den Körper.

    Bei den Winterspielen vor Ort sind allerdings kaum Psychologen. Die Zusammenarbeit läuft meistens in der Vorbereitung, danach gibt es "Telefonseelsorge". Wer sich betreuen lässt, das ist nach Angaben des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) "reine Privatsache" - im Gegensatz zur Betreuung durch Ärzte und Physiotherapeuten, die zentral gesteuert wird. Ein Team-Psychologe, so Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle, "wäre totaler Quatsch, weil kein Psychologe drei oder vier Athleten in einer reinen Einzelsportart betreuen kann. Das hätte keinen Sinn."

    Im Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) vertraute Präsident Andreas Trautvetter nach dem schrecklichen Unfalltod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili den Ärzten: "Sie haben sicherlich auch eine psychologische Ader und werden unsere Athleten entsprechend betreuen."

    Weiche Knie oder Nerven wie Stahlseile? Die Skirennfahrer setzen auf Hilfe durch Selbsthilfe. Alpin-Chef Wolfgang Maier: "Wir haben ein Konzept mit Psychologen schon vom Schüleralter an, damit die Athleten sich später im Leistungsbereich in Grenzsituationen helfen können." Ausgerechnet die als so cool geltenden Snowboarder haben mit Kai Engbert als einzige einen Spezialisten für das ganze Team dabei.

    "Die Entscheidung, ob Psychologen hier sind, treffen erst mal die Verbände", erklärte Ulf Tippelt, Leistungssportdirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB): "Viele sagen, dass Psychologen wichtiger für den Trainingsprozess sind als im Wettkampf. Nur die Snowboarder haben den Psychologen als existenziell angesehen." Der deutsche Mannschaftsarzt Bernd Wolfarth findet einen zentralen Ansprechpartner, der im Vorfeld keinen oder kaum Kontakt mit Athleten oder Betreuern hatte, "wenig sinnvoll".

    Bei den Paarlauf-Weltmeistern Savchenko/Szolkowy sieht sich Ingo Steuer als Mann für alles: Trainer, Choreograph, Pressesprecher, Betreuer. Aber Psychologe? "Das brauchen wir nicht." Mit Akribie werden im Eiskunstlauf die Kleider für Kurzprogramm und Kür genäht, Flickwerk gibt es dafür mitunter am Nervenkostüm. Die Olympia-Dritten aus Chemnitz sind - so die einstige Eis-Königin Katarina Witt - "an dem Druck zerbrochen".

    Eisschnellläuferin Jenny Wolf, Seriensiegerin und Topfavoritin über 500 Meter, brachte ein Fehlstart außer Tritt - und das ausgerechnet bei Olympia. "Wir haben zwei Mentaltrainer im Team, aber ich habe sie bisher nicht gebraucht", sagte die Berlinerin. "Ich war auf viele Situationen vorbereitet, aber nicht darauf, dass die Spannung so abfällt."

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