Im Hinterhof, hinter einem Absperrgitter, parkt der Bus. Bunt beklebt, ergänzt durch den Schriftzug "Serbia" und das entsprechende Logo des Fußballverbands. Knapp zwei Wochen zählte das Teamgefährt zum Stadtbild in der Augsburger Maximilianstraße, chauffierte die serbische Fußball-Nationalmannschaft mal zum Training ins Rosenaustadion, mal zu den EM-Spielen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch absolvierte der Bus seine letzte Dienstfahrt. Augsburg – München – und zurück. Gebraucht wird er jetzt nicht mehr. Die Achtelfinalbegegnungen dieser EM finden ohne Beteiligung der Serben statt. Das 0:0 gegen Dänemark war zu wenig.
Nominell fehlte der Mannschaft von Trainer Dragan Stojkovic ein Treffer, um die Runde der letzten 16 Mannschaften zu erreichen. Mit Blick auf die vorangegangenen Partien gegen England (0:1) und Slowenien (1:1) drängt sich indes der Eindruck auf, Serbien verließ zwangsläufig dieses Turnier. Innerhalb des Teams fehlte jene Struktur, die im europäischen Spitzenfußball für Erfolg unabdingbar ist. Sich allein auf geniale Momente der Offensiv-Stars zu verlassen, war zum Scheitern verdammt. Im Wissen, nichts mehr verlieren zu können, riskierte Stojkovic in den letzten Minuten der Partie viel, doch an offensiver Wucht und Durchschlagskraft mangelte es weiterhin. Einigen Stars wie Mitrovic oder Tadic fehlte die Fitness, anderen wie Vlahovic oder Jovic die Form.
Tennis-Superstar Novak Djokovic bringt den serbischen Fußballern kein Glück
Serbiens Ausnahmesportler Novak Djokovic hatte vor Spielbeginn noch via Videobotschaft den Mutmacher gegeben, zudem saß er auf der Tribüne der Münchner Arena. Glück brachte der Tennis-Superstar den Fußballern seines Landes nicht. Wenige Minuten nach der Pause entlud sich für einen kurzen Moment die Spannung. Der Däne Joachim Andersen erzielte per Eigentor das vermeintliche 1:0 für Serbien, doch Vorlagengeber Luka Jovic hatte im Abseits gestanden.
Wer weiß, was einen bei einem serbischen Sieg gegen Dänemark in der Maximilianstraße erwartet hätte, in den Tagen zuvor hatten erwartungsfrohe Fans das Teamhotel Maximilian's belagert. Hatten vor dem Eingang gewartet oder im Café gesessen, um Blicke auf die Kicker zu erhaschen. Geblieben ist: Stille. Vereinzelt sitzen Betreuer des Teams beim späten Frühstück, die Teehalle, in der das offizielle Medienzentrum aufgebaut war, ist verriegelt. Einige Spieler brachen in den Morgenstunden auf und verabschiedeten sich nach einer langen Saison in den Urlaub, andere schlafen noch oder packen zusammen. Pressekonferenz und Training, die obligatorisch angesetzt waren, fallen natürlich aus.
Um den Hals von Theodor Gandenheimer hängt noch die Akkreditierung der Uefa, steter Begleiter in den vergangenen Tagen. Wohl aus Gewohnheit baumelt sie am Hals des Hoteldirektors. Gandenheimer hatte den Hotelbetrieb komplett an die Bedürfnisse des europäischen Fußballverbands und des serbischen Teams angepasst. Ein Mitarbeiter war rund um die Uhr als Ansprechpartner für alles Mögliche abgestellt, zwei Stockwerke standen dem Team zur Verfügung. Die Absprachen seien zeitraubend gewesen, die Sicherheitsvorkehrungen enorm. Aber diesen Aufwand hätte er gerne noch zwei Wochen in Kauf genommen, meint Gandenheimer. "Natürlich sind wir traurig. Wir hätten uns sehr gefreut, wenn Serbien ins Achtelfinale eingezogen wäre."
Keine Überschneidung zwischen den serbischen EM-Fußballern und den Sommernächten
Von ihm war die Initiative ausgegangen, sich im Verbund mit der Stadt als "Team Base Camp" für die Euro zu bewerben. Von vornherein sei dabei klar gewesen, dass er seine Räumlichkeiten für die komplette EM zur Verfügung stellen müsse. Der Deal: Die Serben bezahlen nur solange, wie sie sich tatsächlich im Hotel aufhalten. Aus wirtschaftlicher Sicht ist für Gandenheimer der schlechteste Fall eingetreten – auch wenn er die Zimmer jetzt für andere Gäste freigeben und während der EM unbezahlt Werbung in eigener Sache betreiben konnte.
Nach der Ankunft in der Nacht hätten die Spieler noch ein wenig zusammengesessen und die EM ausklingen lassen, erzählt eine Angestellte. "Aber alles im Rahmen", schiebt sie hinterher. Gandenheimer verliert über seine EM-Gäste kein schlechtes Wort. Im Gegenteil. Alle seien extrem freundlich zu seinem Personal gewesen. Und Extrawünsche hätten auch nur ganz wenige gehabt. "Man merkt, dass man es mit Profis zu tun hat, die bei internationalen Vereinen spielen." Womöglich kehrt der eine oder andere Spieler mal wieder in die Nobel-Herberge zurück. Dass Profifußballer im Maximilian's ein und aus gehen, zählt zum Alltag. In der kommenden Saison werden wieder Dortmunder, Münchner oder Leipziger das Ambiente genießen, sollten sie ihr Auswärtsspiel beim FC Augsburg bestreiten.
Erspart bleibt Gandenheimer nun die Überschneidung zwischen serbischem Team im Hotel und Sommernächten auf der Straße davor. Wenn am Donnerstag die Party in der Stadt beginnt, sind die Serben längst weg.