Endlich kommt er. Endlich keine Sätze darüber, dass man „auf einem guten Weg“ sei und sich „viel vorgenommen“ habe. Das ist oft zu hören bei den Interviews mit den Wintersportlerinnen und Wintersportlern in der Nürnberger Messehalle. Dort holten sich die Aktiven Ende Oktober ihre Jacken, Trainingsanzüge und Sportschuhe für die kommende Wintersaison ab. Wenn Markus Eisenbichler mit seiner großen schwarzen Ausrüstungstasche zu den Journalisten kommt, ist es vorbei mit den gestanzten Standardsätzen. Jetzt gibt es O-Ton Süd mit klaren Ansagen.
Wobei Eisenbichler erstaunlich verhalten beginnt. „Ich bin um einiges ruhiger geworden, entspannter. Und muss mich nicht mehr so schnell aufregen“, startet der Skispringer die Fragerunde. Wirklich? Schade! Gut zehn Minuten später wird es wieder deftig. Dazu später mehr. Zunächst arbeitet der 33-Jährige den vergangenen Winter auf, in dem der Athlet aus dem ersten Kader des Deutschen Weltverbandes regelrecht abstürzte. Er gehörte nicht mehr zum A-Team der deutschen Adler. „Eisei“, so sein Spitzname, konnte sich nicht mehr mit seinem Kumpel Karl Geiger im Doppelzimmer einquartieren. Das ungleiche, aber über die Jahre prächtig harmonierende Duo, war gesprengt. Weil der Oberbayer aus Siegsdorf nicht mehr die nötigen Leistungen brachte, fand er sich in der B-Mannschaft wieder. Der sechsfache Weltmeister verpasste erstmals seit 2012 die Vierschanzentournee.
Eisenbichler: „Das will ich mir nicht mehr antun“
Entspannt berichtet Eisenbichler über den Tiefflug in seiner Karriere, spricht darüber, was schiefgelaufen ist. „Ein Haufen Zeug. Auch private Sachen, die man nicht sagt. Die in unserem Sport eine Rolle spielen, wenn du mental nicht so fit bist und an etwas anderes denkst.“ Schon die Vorbereitung sei vor einem Jahr wegen seiner Kniebeschwerden nicht optimal gelaufen. Statt bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf oder Garmisch-Partenkirchen mit den Besten zu kämpfen, fand sich Eisenbichler im zweitklassigen Continental Cup mit den Talenten wieder, wo er teilweise den zweiten Durchgang verpasste. Er dachte kurzzeitig ans Aufhören. „Natürlich denkst du drüber nach, jetzt mag ich nimmer. Das will ich mir nicht mehr antun.“
Auch seine Ausbildung bei der Polizei hat Zeit und Kraft gekostet. Im vergangenen Jahr machte der Skispringer seinen Abschluss und berichtet: „Ich bin jetzt Kommissar, und da bin ich sehr stolz darauf. Das war immer mein Ziel.“ Der Oberbayer baut vor für sein Leben nach der Sportlerkarriere.
Ausbildung als Kommissar abgeschlossen
Nach Neujahr 2024 kam die Motivation für das Springen zurück: „Ich habe gemerkt, dass ich wieder extrem Bock habe. Egal, was alle sagen, ich werde es wieder probieren.“ Kurz tankte der 33-Jährige im Frühjahr bei Skitouren in Norwegen mit seinen „Spezln“ neue Kraft. Das lädierte rechte Knie, wo ihm das Kreuzband und ein Knorpelschaden Probleme bereiten, habe er in den vergangenen Monaten in den Griff bekommen.
Nach den Sommerspringen auf Matten geht es jetzt auf die Oberstdorfer Schattenbergschanze, wo auf Schnee gesprungen wird. Eisenbichler kann es kaum erwarten. „Mich bockt es wieder richtig darauf, zu springen. Dann werden wir sehen, wo ich stehe.“ Ob Stefan Horngacher wieder mit dem Weltmeister in seiner Weltcup-Mannschaft plant, lässt der Bundestrainer bei dem Einkleidungstermin offen. Wenn er jetzt im Training gute Leistungen bringt, dann könnte er es schaffen“, so Horngacher. Eisenbichler gibt sich zuversichtlich, wieder in der ersten Reihe zu fliegen. „Ich vergleiche mich ungern mit den anderen, aber ich kann schon einigermaßen mit springen“, sagt er. Am 22. November startet die Weltcup-Saison im norwegischen Lillehammer.
Neue Regel nervt die Skispringer
Dann kommt eine neue Fis-Regel zum Tragen, die bei den Aktiven auf wenig Gegenliebe stößt. In Zukunft wird die Landung noch wichtiger. Sprungrichter sollen mehr Punkte abziehen, wenn ein Athlet dabei keinen Telemark zeigt. Beim Telemark handelt es sich um eine bestimmte Landetechnik. Bisher habe immer der beste Springer gewonnen. „Jetzt kann es sein, dass du der Beste bist und nicht auf dem Podest bist. Das ist einfach nicht fair“, sagt Eisenbichler.
Man werde für weite Sprünge bestraft, weil es dann schwieriger ist, mit Telemark zu landen. „Das finde ich total bescheuert, ganz ehrlich, was sich die Fis da wieder einfallen lassen hat“, sagt der Oberbayer mit Blick auf den Weltverband. „Da kann ich dann irgendwann auch nicht mehr still sein, weil ich einfach irgendwann die Geduld verliere.“ Da ist er wieder, der Markus Eisenbichler, wie die Fans ihn lieben. Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist - geradlinig und ehrlich. Auch wenn er angeblich „um einiges ruhiger geworden“ ist.
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