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Skispringen: Die Leiden des Martin Schmitt

Skispringen

Die Leiden des Martin Schmitt

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    Vize-Weltmeister Martin Schmitt.
    Vize-Weltmeister Martin Schmitt. Foto: DPA

    Im Herbst sprach Martin Schmitt mit einem Lächeln über sein Gewicht. 1,82 groß, knapp 65 Kilo schwer - so stand er da. Ziemlich dünn. Aber doch zu dick.

    Der Skispringer erzählte, dass er für weite Flüge noch rund zwei Kilo abnehmen will. Und der 31-Jährige verriet, dass der Kampf mit den Pfunden eine Plage ist. Aber er lächelte.

    Anfang Januar ist Martin Schmitt nur noch blass. Kaum ein Lächeln. Erschöpfter Blick. Es ist Vierschanzentournee. Stress. Die Sprünge enden früher als gewünscht. Schmitt ist ausgepumpt, ein paar Tage später nimmt er eine Auszeit. Erschöpfungs-Syndrom.

    "Abnehmen hat mich krank gemacht", schreibt die Bild-Zeitung. Er sagt: "Dass ich jetzt nicht voll leistungsfähig bin, liegt auch daran, dass ich mich seit Jahren in einem Grenzbereich bei meinem Gewicht bewege. Dass man eine Gratwanderung machen muss, wenn man keinen Nachteil beim Springen haben will."

    Der Schwarzwälder spricht auch vom Hungern. Ausgezehrt hat ihn aber nicht allein das ständige Streben nach dem idealen Fluggewicht. Sein Trainer Werner Schuster und der Mannschaftsarzt sprechen von mehreren Gründen, die zu Mangelerscheinungen, miserablen Blutwerten, Schlafstörungen und Erschöpfung geführt haben: "Ich war schon die ganze Saison müde und schlapp", sagt Schmitt.

    Wahrscheinlich beginnt die Geschichte schon vor rund zehn Jahren. Damals war Martin Schmitt ein junger Überflieger. Dann folgte eine lange Durststrecke. Im Februar 2009 war er plötzlich wieder ganz oben: WM-Silber.

    Die Olympischen Winterspiele 2010 vor Augen, legte er sich noch einmal voll ins Zeug. Schon im Sommer war es zu viel. Übertraining. Im Winter lief es nicht nach Plan, Druck und Stress bauten sich auf. Und immer im Hinterkopf das alte Springer-Gesetz: Leicht fliegt weit. Also abnehmen.

    Die Regel gilt heute noch ebenso wie im Jahr 1999, als Sven Hannawald die Welt mit einem Foto aus dem Badeurlaub geschockt hatte: Der Skispringer war abgemagert. Seither ist einiges geschehen. Der Weltskiverband FIS hat eine Untergrenze beim Gewicht eingeführt.

    Sie ist ein Segen, denn die Kilo-Grenze verhindert extremes Untergewicht. Zugleich ist die Regel aber auch ein Fluch: Sie hat sich zum Ziel entwickelt. Wer das Mindestgewicht hat, darf die längsten Ski springen und hat die größten Tragflächen. Ist ein Springer schwerer, hat er die gleichen Ski.

    Aber die zusätzlichen Kilos kosten ihn Weitenmeter. Schmitt schildert das Dilemma: "Wenn ich zwei, drei Kilo mehr wiegen würde, verliere ich fünf bis sechs Meter an Weite."

    Während der Vierschanzentournee entschied sich Schmitt fürs Hungern. Andere auch. Andreas Bauer, einst Skispringer und heute Trainer der deutschen Kombinierer, erinnert sich: "Einige liefen wie ferngesteuert umher. Das deutet darauf hin, dass sie sich beim Gewicht an der Grenze bewegen." Er weiß, dass einige Sportler von Natur aus sehr leicht sind. Die anderen seien vom ständigen Abnehmen "irgendwann ausgebrannt im Kopf", sagt der Oberstdorfer.

    In der nächsten Saison wird die Gewichtsgrenze angehoben. Ein bisschen. Martin Schmitt würde sich ebenso wie Andi Bauer mehr wünschen. Doch der oberste Skisprung-Funktionär des Weltverbandes FIS, Walter Hofer, antwortet: "Wir müssen beide Seiten beachten. Und es gibt genauso viele Sportler, die eher unter der Grenze liegen." Beschlossen ist ein Mittelweg. Die Gewichtsgrenze steigt um rund zwei Kilo. Das verschafft Martin Schmitt etwas Luft. Dick wird er nicht.

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