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Ski-WM: Die deutschen Skifahrer und die Suche nach dem Killerinstinkt

Ski-WM

Die deutschen Skifahrer und die Suche nach dem Killerinstinkt

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    Kira Weidle hat schon bewiesen, dass sie den geforderten Killerinstinkt hat. Sie startet bei der WM am Mittwoch im Super-G.
    Kira Weidle hat schon bewiesen, dass sie den geforderten Killerinstinkt hat. Sie startet bei der WM am Mittwoch im Super-G. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Archivbild)

    Es ist die Konsequenz, mit der man fährt, die darüber entscheidet, wer gewinnt. Das zu umschreiben, ist leicht und schwer gleichzeitig. Kira Weidle bemüht dafür Begriffe wie Gnadenlosigkeit oder Kompromisslosigkeit. Die beste deutsche Hochgeschwindigkeitsfahrerin hat diese Eigenschaften vor allem bei ihrer italienischen Konkurrentin Sofia Goggia ausgemacht. Die dominiert die Speeddisziplinen der Frauen in diesem Winter und ist "schon beeindruckend", sagt Weidle. Das sei, was sie in jedem Renntraining probiere. "Noch konsequenter werden, noch kompromissloser in die Schwünge reingehen. Den Ski auf Zug halten." Das mache die Italienerin aus. "Besser Skifahren tut sie auch nicht."

    Gefordert ist: Risiko verdrängen, auf das Ergebnis fokussieren

    Vor dem Super-G der Frauen bei der alpinen Ski-WM in Courchevel und Méribel an diesem Mittwoch, geht es im deutschen Team mal wieder um den Killerinstinkt, dessen Fehlen der DSV-Alpindirektor bisweilen in seinem Team bemängelt. "Du brauchst in dem Sport diejenigen, die den Charakter haben, das Risiko zu verdrängen und nur auf das Ergebnis fokussiert zu sein", sagt er an diesem Abend im Mannschaftshotel der deutschen Mannschaft. Draußen hat sich die Nacht über das kleine Örtchen in der Nähe von

    Maier ist gut gelaunt, in Plauderlaune gewissermaßen. Eine Medaille von den Frauen und eine von den Männern seien, wie immer, das Ziel des DSV bei einer WM. Für sich persönlich habe er aber natürlich andere Erwartungen. "Ich weiß, dass wir Dinge besser können, als wir in der letzten Zeit gezeigt haben." Acht Podiumsplatzierungen gab es aus deutscher Sicht in dieser Saison bisher. Maier klingt mittelmäßig zufrieden damit. Er sieht viele "Anschlussplatzierungen", die Hoffnung auf mehr machen. Schnell ist er dann wieder beim Killerinstinkt. Ein komplexes Thema, sagt der Alpin-Chef. Und hat ein systemisches Problem ausgemacht. Zu fehlerorientiert werde hierzulande trainiert. Man lege in der Ausbildung sehr viel Wert auf technische Themen. "Am Schluss gewinnt aber der, der am brutalsten fährt. Technik ist Mittel zum Zweck."

    In Norwegen wird die Wettkampfmentalität früh gefördert

    Die Norweger, sagt Maier, machten vor, wie es auch gehen könne. Denn die würden ihre Leute viel häufiger und früher gegeneinander Wettkämpfe fahren lassen. Die deutsche Philosophie sei eine andere und das zu ändern "brutal schwer. Wir müssen dieses Wettkampfgen entwickeln."

    Maier spricht in ruhigem Ton, es geht ihm ums Grundsätzliche. Auf der einen Seite müsse man die Menschen finden, die besagten Killerinstinkt mitbringen. Auf der anderen Seite müsse man Systeme entwickeln, diese auch zu fördern. Das betreffe die komplette Philosophie der Ausbildung. Im Leistungssport müsse man sich immer im Klaren darüber sein, dass man über Trainingsformen die Leistungsfähigkeit von Menschen ausreize. Die moderne Trainingswissenschaft hat nicht nur den Skirennsport grundlegend verändert. Athletik, Ernährung, Regeneration, Mentaltraining. Kaum eine Sportart, die im Lauf der vergangenen Jahrzehnte keine rasante Entwicklung durchlaufen hat. Wer heute zum Beispiel ein Fußballspiel aus den 1980er Jahren anschaut, fragt sich unwillkürlich, ob da gerade eine Zeitlupenaufnahme läuft. 

    Am Ende sind es immer Menschen, die den Sport betreiben

    Nur eines ist immer gleich geblieben: Es sind Menschen, die den Sport betreiben. Und bei aller Forderung nach Killerinstinkt und Gnadenlosigkeit dürfe man das Wichtigste nicht vergessen, sagt Maier. "Du bist nur erfolgreich, wenn du Freude an dem hast, was du machst. Es ist die größte Herausforderung für die Trainer, die Freude am Sport zu erhalten. Nur dann bringst du irgendwann mal Topleistungen."

    Er führt Andreas Sander als Beispiel an. Der hatte bei der WM in Cortina d’Ampezzo vor zwei Jahren überraschend Silber in der Abfahrt gewonnen, war vorher noch nie auf dem Podium gestanden. Nach dem Erfolg habe er allen beweisen wollen, dass er zu Recht dort oben gestanden habe. "Und dann verzettelt man sich eben", sagt Maier. Man reise mit "37 Ernährungsteilen" an, brauche dieses und jenes noch, um es möglichst gut zu machen. "Irgendwann ist dann der Fokus vom Sport weg. Weil das Außenherum, von dem man glaubt es hilft mir weiter, so viel Raum einnimmt." Der Spaß bleibt in diesem Streben nach Perfektion auf der Strecke. Sander stand seit der WM nicht mehr auf dem Podium. Zuletzt allerdings zeigte seine Formkurve steil nach oben, er wurde beim Super-G-Weltcup von Cortina d’Ampezzo Vierter. Das macht Hoffnung für die Speedrennen der Männer. 

    Den Auftakt macht aber Kira Weidle im Super-G. Sie wirkt, als sei die Vorfreude groß – auch wenn sie in der Abfahrt deutlich stärker einzuschätzen ist. "Aber wir haben auch schon gezeigt, dass bei so einem Großereignis sehr viel möglich ist, auch Überraschungen. Genau so gehe ich da rein, mit 100 Prozent. Alles, was ich habe. Am Ende zählen nur die Medaillen. Das ist das, was ich anvisiere", sagt Weidle. So klingt es wohl, wenn sich Killerinstinkt und Freude zusammenschließen. Maier dürfte die Worte seiner Fahrerin gern gehört haben. 

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