So ein bisschen steht Stefan Luitz in Sölden alleine da. Weniger, weil beim alpinen Weltcup-Auftakt in Tirol an diesem Wochenende wegen der Coronavirus-Pandemie keine Zuschauer zugelassen sind.
Sondern eher, weil der Deutsche Skiverband (DSV) ohne seine Flaggschiffe der vergangenen Jahre in den WM-Winter hinein steuert. Und so ist der Rennfahrer aus dem Allgäu plötzlich der größte deutsche Hoffnungsträger auf dem Ötztaler Rettenbachferner.
Dort werden bei den Riesenslaloms der Frauen am Samstag (10.00/13.00 Uhr) und der Männer am Sonntag (10.00/13.15 Uhr/jeweils ZDF und Eurosport) die über viele Winter bekanntesten Deutschen fehlen.
Nach Felix Neureuther hatte im Frühjahr auch Fritz Dopfer seine Karriere beendet - und keine zwei Monate vor dem Weltcup-Start sagte auch noch Viktoria Rebensburg "Servus". Bleibt noch Thomas Dreßen. Das Abfahrts-Ass, das vergangenen Winter drei Rennen gewann, wurde am Donnerstag zum deutschen "Skisportler des Jahres" gekürt. Die Saison für die Speedfahrer beginnt aber erst im Dezember in Val d'Isère.
Und dann ist da noch Luitz, der neben jungen Athleten die Chance hat, "in die Fußstapfen ihrer Vorgänger zu treten. Das Potenzial in den Mannschaften ist vorhanden", meint Alpinchef Wolfgang Maier.
Mit Neureuther und Dopfer habe er immer "zwei Granaten im Team gehabt, hinter denen ich mich früher ein bisschen verstecken konnte", sagte Luitz kürzlich. Natürlich merke er, dass nun "mehr Fokus und Druck" auf ihm liegt. Einschüchtern will er sich davon aber nicht lassen. Im Gegenteil: Der 28-Jährige, dessen Karriere über all die Jahre einer Achterbahnfahrt glich, ist angriffslustig.
Nach einer "brutal zähen" letzten Saison, in der er erst beim Parallel-Riesenslalom in Alta Badia kurz vor Weihnachten so richtig in Fahrt kam und Zweiter wurde, will Luitz nun wieder eine "frechere Linie" fahren, sein "Chef auf dem Ski" sein. Womöglich gelingt es ihm dadurch ja auch, Alexander Schmid, der in diesen Winter "mehr Top-Ten-Platzierungen erreichen" möchte, und Fabian Gratz, den dritten männlichen Starter des DSV in Sölden, mitzuziehen. Raus aus dem Versteck. Und rein ins Rampenlicht.
Bei den Frauen ist Lena Dürr im Ötztal die erfahrenste deutsche Starterin, der Riesenslalom ist aber im Vergleich zum Slalom die schwächere Disziplin. Für sie persönlich habe sich durch Rebensburgs Rücktritt "eigentlich nichts geändert", sagte die 29-Jährige - weil sie eben meist im Slalom- und nicht im Riesentorlaufteam trainierte.
Große Hoffnungen auf vordere Plätze machen Dürr, Jessica Hilzinger, Andrea Filser und Weltcup-Debütantin Lisa Loipetssperger in Sölden nicht. "Du musst andere Erwartungen haben", sagte Bundestrainer Jürgen Graller vor dem ersten Winter ohne seine Erfolgsgarantin Rebensburg. "Andererseits ist es eine Riesenchance." Er meint, dass sich andere Fahrerinnen in der neuen Situation entwickeln könnten.
Als eine davon soll Kira Weidle in den Fokus rücken, wenn im Dezember auch die Speedwettbewerbe starten. Nicht nur Rebensburg macht bei der 24-Jährigen "in der Abfahrt die größten Podiums-Hoffnungen" aus, wie sie der Deutschen Presse-Agentur sagte. Auch Neureuther prophezeite im "Sportschau"-Interview, dass Weidle "da wirklich ein Wörtchen mitreden kann". Und so vielleicht für neue positive Schlagzeilen rund um den deutschen Skisport sorgt.
© dpa-infocom, dpa:201016-99-967733/2 (dpa)
Nachrichten auf der Homepage des Deutschen Skiverbandes