Felix Neureuther war an diesem Mittwoch ein gefragter Mann. Schließlich tat sich ja auch Außergewöhnliches in dem Sport, der den 40-Jährigen ein Leben lang begleitet hat und in dem er einer der Besten war. Der Allerbeste allerdings war Marcel Hirscher. Der Österreicher dominierte die technischen Disziplinen des alpinen Skirennsports über viele Jahre. Er lieferte sich dabei immer wieder spektakuläre Duelle mit Neureuther, die Hirscher in der Mehrzahl gewann. Perfektion gegen Talent, verbissener Trainingsfleiß gegen die Leichtigkeit des Seins. Hirscher gegen Neureuther elektrisierte die Skiwelt. Vor fünf Jahren beendeten beide ihre Karrieren.
In Österreich sorgt das Hirscher-Comeback für Furore
Bis zu diesem Mittwoch. Da musste Neureuther plötzlich erklären, was Hirscher wohl dazu bewogen haben könnte, ein Comeback zu starten. Die Nachricht war am Morgen durchgesickert. Im skisportverrückten Österreich überschlugen sich die Schlagzeilen. Hirscher ist dort ein Star. Historische acht Mal nacheinander hat er den Gesamtweltcup gewonnen. Darüber hinaus fuhr er unter anderem zu zwei olympischen Goldmedaillen, sieben WM-Titeln und 67 Weltcup-Erfolgen. Mit Neureuther verband und verbindet ihn trotz aller Rivalität eine Freundschaft. Deshalb wusste der deutsche Rekord-Weltcupsieger schon am Dienstag aus erster Hand von den Comeback-Plänen Hirschers. Die findet er "sensationell", sagte Neureuther unserer Redaktion. "Der Skisport braucht Geschichten, braucht Charaktere. Dass jetzt ein Hirscher mit Marco Odermatt, mit Lucas Braathen fährt – einfach sensationell. Ich find's richtig gut."
Statt des rot-weiß-roten Skianzugs der führenden Ski-Nation Österreich wird Hirscher künftig aber für die Niederlande, das Geburtsland seiner Mutter, fahren. Der ÖSV legte seinem langjährigen Zugpferd keine Steine in den Weg. "Natürlich bedauern wir seine Entscheidung, einen Nationenwechsel zur Niederländischen Skivereinigung zu beantragen, sehr, aber schlussendlich haben wir diese auch mitgetragen", sagte ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer. Der Weltverband Fis muss dem Wechsel zwar noch offiziell zustimmen, das gilt aber als Formsache.
Neureuther: "Hirscher hat einfach Lust drauf"
Hirscher selbst ließ sich in der Mitteilung mit den Worten zitieren: "Ich hätte gerne die Möglichkeit, ab und zu Rennen zu fahren. Einfach, weil es mir Spaß macht." Zu seiner Entscheidung für die Niederlande hieß es: "Die Zukunft im ÖSV gehört den jungen Athleten und deshalb möchte ich nicht, dass meinetwegen Ressourcen gebunden, Ausnahmeregeln gemacht oder Startplätze freigehalten werden. Mein neues Projekt ist in Holland einfacher umzusetzen."
Klar ist aber auch, dass das spektakuläre Comeback beste Werbung für Hirschers Skifirma Van Deer-Red Bull Sports ist. Das sei aber sicher nicht der Hauptgrund für die Rückkehr, sagt Neureuther. "Wenn du als Marcel Hirscher, der alles gewonnen hat, zurückkommst, dann willst du einfach Skirennen fahren. Der hat da einfach Lust drauf. Der hat die Leidenschaft für unseren Sport." Gleichzeitig begrüßt Neureuther die Entscheidung Hirschers, für die Niederlande zu starten, die im alpinen Skirennsport bisher nicht aufgefallen sind. Ganz anders Österreich, wo Skifahren auf einer Stufe mit Fußball steht. Dementsprechend hart sind die Plätze im Weltcupteam umkämpft. Neureuther: "Er will keinem jungen Fahrer den Platz wegnehmen. Er will auch mannschaftsintern nicht angegriffen werden. Er macht das jetzt unabhängig und nur für sich." In Österreich müsse man Hirschers Entscheidung deshalb auch akzeptieren.
Hirscher muss sich erst einmal in den Weltcup fahren
Offen ist, wie erfolgreich die Rückkehr auf die große Skibühne verläuft. "Der war jetzt fünf Jahre raus und startet mit Nummer irgendwas. Körperlich ist er, glaube ich, in einer Topverfassung. Wenn einer es schafft, dann er." Hirscher habe immer viel Ski getestet und dabei dann wohl gemerkt: "Hoppala, das geht ja ganz gut. Und wenn du nicht das Gefühl hättest, dass du es noch drauf hast, würdest du es ja nicht machen. Es wartet natürlich viel Arbeit auf ihn. Aber er ist bereit, den Schritt zu gehen."
Anton Giger, Rennchef von Hirschers Skifirma, versuchte gleich, allzu hohe Erwartungen einzufangen. Weltcup-Einsätze seien noch weit entfernt, weil sich Hirscher zunächst über unterklassige Rennen die nötigen Punkte für einen Start in den Elite-Wettkämpfen holen müsse. Als Höhepunkt steht im nächsten Winter aber auch die WM in Saalbach-Hinterglemm an – nur unweit von Hirschers Heimatort entfernt.
Erst jüngst hatte Slalom-Star Lucas Pinheiro Braathen nach einem Streit mit dem norwegischen Verband und einem Jahr Pause angekündigt, im Herbst für Brasilien wieder antreten zu wollen. Was natürlich zu der Frage führen muss, ob auch Neureuther schon an seinem Comeback arbeitet. Die Antwort: "Na klar, dann können wir endlich eine Rentnergruppe aufmachen. Aber wenn, dann starte ich für Jamaika als Abfahrer."