Im Hotel der deutschen Mannschaft haben sie im zweiten Stock, Gang rechts, einen kleinen Raum für die Pressekonferenz hergerichtet: vorn zwei weiße Tische, dahinter vier Stühle, an der Wand zwei Aufsteller mit Sponsoren-Logos. In der Ecke stapeln sich ein paar Kisten mit Mannschaftsfotos. Dem gegenüber stehen zwei Stuhlreihen, eine Kamera ist aufgebaut. DSV-Pressesprecher Ralph Eder sitzt schon bereit, eine Handvoll Journalisten hat sich eingefunden. Man kennt sich. Durch eine Seitentür kommen Romed Baumann, Simon Jocher und Luis Vogt in den blauen DSV-Pullovern dazu und nehmen Platz. Es sind die Reste des deutschen Speed-Teams. Die beiden Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen und Josef Ferstl haben ihre Karrieren beendet, Vize-Weltmeister Andreas Sander leidet an einer Zellerkrankung.
Im „Home of Snow“ trifft sich Ski-Welt
Nur wenige Stunden zuvor hatten die Schweizer Hochgeschwindigkeitsspezialisten zur Pressekonferenz geladen. Das Szenario hätte kaum gegensätzlicher sein können. Treffpunkt war im riesigen „Home of Snow“ der Österreicher, dem Zentrum dieser WM, das direkt neben dem Zielbereich steht. Hier treffen sich die Promis, Funktionäre, Ex-Skigrößen, Politiker und auch sonst so ziemlich jeder, der im Ski-Zirkus zugange ist.
Marco Odermatt ist der Star der Ski-Szene
Im Presseraum hat sich ein halbes Dutzend Kamerateams eingefunden. Rund 30 Journalisten aus aller Welt wuseln herum und quetschen sich auf die Holzbänke vor dem Podium, das unter den Mikrofonen fast zusammenbricht. Zuerst nimmt Franjo von Allmen Platz und erzählt, wie sehr er die WM-Athmosphäre genieße. In Wengen gewann der 23-Jährige den Super-G, in der Abfahrt raste er in diesem Winter schon dreimal aufs Podest. Als Nächstes kommt Marco Odermatt. Er ist der Star der Szene. Sieben Rennen hat er in der aktuellen Saison schon wieder gewonnen und muss Fragen beantworten, die sonst keinem gestellt werden. Zum Beispiel die, was es ihm bedeuten würde, drei WM-Goldmedaillen zu gewinnen. Odermatt lächelt zurückhaltend. „So denke ich nicht“, sagt er. Er schaue von Rennen zu Rennen.
Im Teamhotel des DSV geht es um andere Themen. Der 39-jährige Baumann wird gefragt, die wievielte WM das für ihn nun eigentlich sei. „Seit 2007 war ich bei jeder dabei“, sagt der gebürtige Österreicher wie aus der Pistole geschossen. 2019 nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an und startet seitdem für den DSV. Seinen größten Erfolg feierte er bei den Weltmeisterschaften 2021 in Cortina d’Ampezzo, als er im Super-G Silber gewann. Eine Wiederholung scheint eher unwahrscheinlich, auch wenn Baumann die Bedingungen in Saalbach-Hinterglemm entgegenkommen. Jocher laboriert an einer schmerzhaften Fersenverletzung, der junge Vogt soll vor allem Erfahrung sammeln.
Zwei Generationen in einem Team
Als Baumann im schwedischen Are erstmals bei einer WM startete, war Vogt gerade mal fünf Jahre alt. Zwei Jahre später in Garmisch-Partenkirchen liefen sich die beiden trotzdem über den Weg. Vogt durfte die Startnummer von Baumann tragen. Jetzt sitzen die beiden gemeinsam in dem kleinen Presseraum und der Dritte im Bunde, Jocher, frotzelt mit breitem Grinsen, dass der eine sich noch in die Hose gemacht habe, als der andere schon WM-Rennen fuhr. Die Stimmung ist gut im kleinen deutschen Speed-Team. Die Erwartungen sind gering, der Druck dementsprechend auch. Baumanns siebter Platz in Gröden ist das bislang beste Ergebnis der deutschen Speed-Spezialisten in diesem Winter. So gesehen bietet der Super-G an diesem Freitag die erste Gelegenheit, für eine Überraschung zu sorgen. Oder Odermatt gewinnt.
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