Vielleicht ist er gerade deshalb so ein Star, der Liebling des französischen Publikums bei diesen Olympischen Spielen, weil er nicht als ein solcher auftritt und die große Pose im Licht der Kameras lange nicht sein Ding war. „Ich bin eigentlich sehr schüchtern“, verriet Léon Marchand gegenüber der Zeitung Libération. Und doch geht der Top-Schwimmer nach seinen Rennen inzwischen auf Tuchfühlung mit seinen Fans, schüttelt Hände, verteilt Küsschen. „Ich versuche, die Energie der Menge für mich zu nutzen, sie treibt mich in jedem Finale an.“
Für die Franzosen ist der fünfmalige Weltmeister Marchand – neben dem 17-jährigen Tischtennis-Wunder Félix Lebrun – die Entdeckung dieses Olympia-Sommers. Sogar Präsident Emmanuel Macron persönlich rief ihn nach seiner olympischen Goldmedaille über 400 Meter Lagen an, um ihm zu sagen, wie stolz er auf ihn sei. „Marchand, der Größte“, nannte ihn die Sportzeitung L’Équipe. Das Publikum verwandelte beim Singen der französischen Nationalhymne Marseillaise das „Marchons“ („Marschieren wir“) in ein „Marchand“ um. Spätestens nach seinen drei Goldmedaillen habe er „definitiv seinen Platz im Herzen der Franzosen“, schrieb die Zeitung Le Monde über „das neue Lieblingskind des französischen Sports“.
Franzose Léon Marchand stammt aus einer Schwimmer-Familie
Geboren wurde der 22-Jährige in Toulouse in eine Familie von Schwimmern. Sowohl seine Mutter Céline Bonnet, als auch sein Vater Xavier Marchand sowie sein Onkel Christophe Marchand traten bei Olympischen Spielen an, sein Vater gewann 1998 WM-Silber über 200 Meter Lagen. Trotzdem sagte Léon Marchand, sein Karriereweg sei nie eine Selbstverständlichkeit für sein Umfeld gewesen. Als Kind probierte er auch Judo und Rugby aus, sein Schwimmtalent war nicht sofort ersichtlich. „Meine Eltern haben mich nicht wirklich angetrieben, sie haben eher versucht, mich zu bremsen oder davon abzubringen.“ Bekanntermaßen mit wenig Erfolg. Der junge Mann, der stets ein guter Schüler war, sich für japanische Mangas interessiert und derzeit einen Flugschein macht, verfolgt gleichzeitig ein Informatik-Studium.
Allerdings nicht in seinem Heimatland, das er im September verließ, um in den USA zu studieren. Und vor allem zu trainieren – an der Arizone State University in Tempe bei Star-Coach Bob Bowman, der schon Michael Phelps’ Mentor war. Auf eine erste Bewerbungsmail habe ihm Bowman persönlich geantwortet, erzählte Marchand – und sie wurden sich schnell einig. Bereut haben dürfte es keiner der beiden, denn der 22-Jährige hatte sich bereits nach einer Woche Olympia drei Goldmedaillen gesichert: Über 400 Meter Lagen, über 200 Meter Schmetterling sowie über 200 Meter Brust.
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