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Schwimm-Legende Warnatzsch tritt ab: Das Ende einer Ära

Schwimmen

Erfolgstrainer Warnatzsch: „Ich muss auch mal aufhören“

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    Norbert Warnatzsch führte unter anderem Britta Steffen zu zweimal Olympia-Gold und zwei WM-Titeln.
    Norbert Warnatzsch führte unter anderem Britta Steffen zu zweimal Olympia-Gold und zwei WM-Titeln. Foto: Bernd Thissen, dpa

    Herr Warnatzsch, wie schwer fällt es Ihnen, das Schwimmbad zu verlassen?
    NORBERT WARNATZSCH: Naja, da bin ich zweigeteilt. Ich muss sagen, es ist gut. Es reicht. Natürlich hat man aber auch eine sehr gute Verbindung zu den Sportlern und Kollegen. Es ist schon so, dass das dann irgendwie fehlen wird. Es ist ja gewohnter Alltag, mit den Kollegen und Sportlern zusammen zu sein. Speziell diese Gruppe hier ist mir sehr ans Herz gewachsen. Das erzeugt ein bisschen Wehmut. Aber ich muss auch mal aufhören. Sollen sich jetzt andere kümmern.

    Was hat Sie als Trainer am meisten geprägt?
    WARNATZSCH: Ich habe schon immer versucht, etwas zu erreichen - im positiven Sinne. Und geprägt haben mich natürlich die Höhepunkte. Das waren in erster Linie Olympische Spiele. Mit Jörg Woithe bei den Olympischen Spielen 1980, dann mit Britta Steffen und jetzt als Assistenztrainer und Berater in Paris. Die Olympischen Spiele, die wir gemeinsam erlebt haben, sind meine absoluten Höhepunkte. Danach kommen in meiner Denkweise Weltmeisterschaften. Wiederum Woithe 1982, wiederum Britta 2009 und jetzt unsere Gruppe natürlich auch. Dann kommen die Europameisterschaften. Und da ist ganz besonders Franziska van Almsick mit ihrem Auftritt in Berlin zu nennen. Und Britta natürlich auch, zuvor in Budapest. Diese Erfolge haben mich geprägt. Aber auch andere haben hervorragende Ergebnisse gebracht, die ich nicht vergessen werde.

    Das heißt, Sie definieren Ihr Wirken als Trainer ganz extrem über Erfolge?
    WARNATZSCH: Ich wollte etwas erreichen. Das war das Ziel. Das habe ich angestrebt. Und das habe ich erreicht. Also nicht in jedem Sinne, es ist nicht alles ist hundertprozentig aufgegangen. Aber, na ja, du musst das alles erst mal machen.

    Was wird Ihnen fehlen, wenn Sie nicht mehr täglich am Beckenrand stehen?
    WARNATZSCH: Die Verbindung zu den Athleten über die sechs Jahre, die ich jetzt hier in Magdeburg bin, ist sehr eng und sehr innig und sehr vertraut. Das ist natürlich ein Stück Erleben, das ich immer in meinem Herzen tragen werde.

    Ds klingt sehr freundschaftlich, gleichzeitig müssen Sie als Trainer eine Respektsperson sein. Wie passt das zusammen?
    WARNATZSCH: Ach, Respektspersonen brauche ich nicht. Das bin ich. Ich habe nie gesagt, dass ich jetzt mal eine Respektsperson sein will. Das bin ich im Sinne der Dinge, die man von mir weiß. Das bin ich im Sinne meines Verhaltens, den Athleten, den Trainern gegenüber. Die respektieren mich, ohne dass ich jetzt sagen muss: Respektiert mich mal. Das ist ein normaler Prozess, dass man weiß, was ich erreicht habe. Dass man weiß, wie ich mit den Athleten umgehe und dass die Athleten wissen, was sie an mir haben. Das soll jetzt keine Siegerehrung mit mir selbst sein, aber das erlebt man natürlich.

    Was würden Sie im Rückblick anders machen?
    WARNATZSCH: Nicht allzu viel. Die Dinge, bei denen man genau weiß, hier habe ich als Trainer einen Fehler gemacht, würde ich natürlich korrigieren. Aber das kannst du ja nicht mehr. Und ich werde jetzt nicht auf irgendwelche Fehler eingehen, das würde zu weit führen. Wenn Dinge schieflaufen, bin ich der Typ, der das analysiert. Ich schiebe das nicht auf die Athleten. Als Franzi bei Olympia in Athen nicht den erstrebten Olympiasieg erreicht hat – aus verschiedensten Gründen, die ich jetzt nicht nennen werde – bin ich als Erstes in mich gegangen. Dann haben sie mich im Fernsehen gefragt, wie die Analyse sei. Franzi van Almsick habe doch versagt. Ich habe geantwortet, dass das mein Problem ist. Ich bin der Trainer. Die hat das gemacht, was ich hier gesagt habe. Und wenn ich als Trainer es nicht geschafft habe, sie zum Erfolg zu führen, dann muss ich mich hinterfragen. Ich stelle mich vor meine Sportler.

    Wie ist denn das Verhältnis zu ehemaligen Schwimmerinnen und Schwimmern?
    WARNATZSCH: Die Erste, die angerufen hat, als Lukas Märtens Olympiasieger wurde, war Franzi. Ich bin noch auf der Trainertribüne gewesen, so kurz nach dem Rennen war das. Zu ihr habe ich ein gutes Verhältnis, zu Britta auch. Zu vielen anderen auch. Das sind alles gute kameradschaftliche Verhältnisse. Da gibt es keinen Abbruch im Sinne, dass man sich verliert. Es ist nicht so, dass man ständig telefoniert oder sich sieht, aber die Verbindungen bestehen.

    Auf was haben Sie als Trainer am meisten Wert gelegt?
    WARNATZSCH: Mir ging es immer darum, dass das Training in Richtung Anpassung ausgelegt ist. Dass sich die Sportler weiterentwickeln. Die entscheidende Größe ist, wie man genau den Bereich trifft, den man will. Ich will, dass sie effektiv trainieren und dass es eine Anpassung gibt in dem Bereich, den ich als Trainer will. Die Sportler erhalten zum Beispiel die Aufgabe, fünfmal 800 Meter mit Laktat zwei im aeroben Bereich zu schwimmen. Wenn sie das schaffen, ist das für mich als Trainer eine optimale Belastung. Das kann hart sein für den einen, dem anderen fällt es dafür vielleicht leichter.

    Dafür braucht man als Trainer aber natürlich auch Sportlerinnen oder Sportler, die bereit sind, sich zu quälen und das gemeinsame Ziel erreichen wollen.
    WARNATZSCH: Ja, natürlich. Die Leistung muss auch aufgebaut werden. Du kannst dich nicht an den Beckenrand stellen und sagen, jetzt machen wir fünfmal 800. Der Schwimmer muss in der Lage sein, in diesem Bereich sehr lange zu bleiben. Ich habe diese Anpassung immer akribisch dokumentiert: Zeit, Puls, Laktat und daraus Ableitungen gezogen, welches Niveau der Sportler im Moment hat. Wenn die Serie am Montag war, hat er am Dienstag die Ergebnisse bekommen.

    Und das alles ordentlich laminiert, wie Britta Steffen erzählt hat.
    WARNATZSCH: (lacht) Das waren meine Trainingspläne. Die habe ich wöchentlich gemacht und immer laminiert. Die Schwimmer konnten das dann an den Beckenrand knallen und ablesen, was geplant war.

    Was unterscheidet den jungen Norbert Warnatzsch von dem nun schon etwas älteren Norbert Warnatzsch?
    WARNATZSCH: Ich glaube schon, dass ich zu Anfang sehr streng war. Ich habe am Anfang meiner Karriere mit Mädchen und Jungen zusammen in der fünften Klasse der Sportschule begonnen und denen musste ich erst mal den Weg beibringen – da war ich ziemlich strikt. Aber nicht mit Rumschreien, sondern mit Konsequenz. Mit zunehmendem Alter hat sich das so gewandelt, dass man diese Strenge nicht mehr brauchte, weil es nicht nötig war. Weil alle mitziehen wollten. Das war ja Leistungssport. Natürlich immer in der Führung des Trainers, unter meiner Führung. Aber es war zunehmend ein Miteinander auf Augenhöhe. Gemeinsam. Und letztendlich auch geprägt von großem Vertrauen. Wenn Britta beispielsweise zu mir gesagt hat, dass sie platt ist und nicht mehr kann, habe ich gesagt: Geh raus, du hörst auf. Das war ein Vertrauensverhältnis. Am nächsten Tag ging es wieder. Wir haben vermieden, unwirksame Einheiten zu machen. Es wäre sinnlos gewesen, wenn sie sich weiter gequält hätte, ohne irgendwelche Bereiche zu treffen, die geplant waren.

    Muss man mit der jungen Generation heute anders umgehen, als vor 20 oder 30 Jahren?
    WARNATZSCH: Eigentlich nicht. Ich war auch zu Anfang meiner Karriere fair und fordernd, aber nicht bösartig und nicht beleidigend. Was heute anders ist, dass du als Trainer von Anfang an geduzt wirst. Aber diese Entwicklung vom Kinder- und Jugendalter zum Erwachsenen, von dem Sportler, der was will, zu dem Sportler, der etwas erreicht hat, ist nicht anders.

    Und wie hat sich der Schwimmsport verändert?
    WARNATZSCH: Die Entwicklung geht ganz offensichtlich weiter, wie man ja an den ganzen Weltrekorden auf der Kurzbahn gesehen hat. Das ist ein Beleg dafür, dass man offensichtlich Mittel und Wege gefunden hat, um noch schneller zu werden. Ich glaube, dass sich die grundsätzliche Lehrmeinung über das Schwimmen, was die Methodik betrifft, nicht geändert hat. Dass man aber vielleicht mehr speziell ausgerichtete Trainingsinhalte hat, die noch mehr in Richtung der verschiedenen Strecken gehen. Da geht es um die Trainingsgestaltung, um Belastung und Erholung, den Einsatz von Trainingsmitteln und auch eine langfristige Konzeption vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter.

    Das würde die Rolle des Trainers noch weiter aufwerten. Haben Sie das Gefühl, dass Trainer in Deutschland ausreichend wertgeschätzt werden?
    WARNATZSCH: Ja, im Fußball. Ansonsten nicht. In vielen Ländern ist das anders, auch in Europa.

    Warum ist das so?
    WARNATZSCH: Wenn ich das wüsste, würde ich einen Vorschlag machen. Fairerweise muss ich sagen, dass es in Sachsen-Anhalt inzwischen so ist, dass die Trainer im Leistungssport finanziell an den Lehrerberuf angepasst werden. Das finde ich vollkommen richtig.

    Wie geht es für Sie weiter?
    WARNATZSCH: Bei meiner Verabschiedung beim SC Magdeburg habe ich gesagt, dass ich es so halte wie Konrad Adenauer und Rosen züchten werde. Aber in meinem speziellen Fall eben Seerosen. Das ist natürlich Spaß, aber irgendwas musste ich eben sagen. Ich muss mich jetzt erst einmal orientieren. Ich werde viel für meine Fitness machen. Ich werde ins Gym gehen und Radfahren. Ich werde viel lesen. Ich werde mich um künstliche Intelligenz kümmern. Ich will dabei sein und wissen, wo das langgeht. Das hältst du ja nicht auf und das ist auch kreuzgefährlich. Deswegen will ich mich informieren – ohne es zu übertreiben oder mir einzubilden, einen Beitrag zum Thema Künstliche Intelligenz zu bringen. Ich will es einfach wissen. Ansonsten ein paar Reisen machen mit meiner Frau, Radtouren, mit Kumpels treffen, mich um meine Familie kümmern. Das sind alles Dinge, die auf der Strecke geblieben sind.

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