Folgender Satz kann auf zwei Arten enden: Je höher einer steigt, desto weiter sieht er. Oder aber: Je höher einer steigt, desto tiefer fällt er. Auf den britischen Schwimmer Adam Peaty trifft beides zu. Erst stieg er in ungeahnte Höhen, brach Weltrekorde, wurde mehrfacher Olympiasieger und zum Superstar in seiner Heimat. Dann fiel er. Nein, er stürzte ab. Verletzung, Leistungsknick, Depression, Alkohol, Trennung von seiner Frau, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat. Peaty, der tätowierte Muskelberg mit dem Schwiegersohnlächeln, das in so hartem Kontrast zum meist kahl rasierten Schädel steht, taumelte in eine "selbstzerstörerische Spirale", wie er es später selbst formulierte.
Schwimmer Adam Peaty sammelte acht WM- und 15 EM-Titel
Zuvor war es jahrelang nur nach oben gegangen. 2016 gewann er in Rio über 100 Meter Brust seine erste olympische Goldmedaille. 2021 folgte in Tokio die zweite, dazu kamen jeweils einmal Silber und ein weiteres Gold in der britischen Lagen-Staffel. Die Weltrekorde über die (nicht olympischen) 50 und 100 Meter Brust drückte er in kaum für möglich gehaltene Bereiche. Er sammelte acht WM- und 15 EM-Titel. Kaum ein Schwimmer hatte je zuvor seine Disziplinen derart beherrscht.
Doch dann verpasste er 2022 die WM in Budapest. Grund war ein Ermüdungsbruch im Fuß, den er sich während des Krafttrainings zuzog. Und auf einmal war alles anders. Der Erfolgreiche musste auf einmal lernen, wie es ist, nicht mehr erfolgreich zu sein. Das einst Selbstverständliche wurde zum Unerreichbaren. Als die Verletzung geheilt war, war die Leichtigkeit weg. In die Zeit fiel auch die Trennung von seiner Frau. Ein Schatten legte sich über Peatys Seele. "Es ist ein brutaler, unnachgiebiger Sport. 12.000 Meter Training am Tag, wenn nicht mehr, und das alleine. Das ist hart", sagte er der SZ, als er im vergangenen Jahr beim Weltcup in Berlin sein Comeback startete.
Adam Peaty ist zurück auf der großen Bühne
Ein halbes Jahr zog er sich komplett aus dem Sport zurück und suchte Hilfe. Er redet ganz offen darüber und ist damit eines von immer mehr Vorbildern im Profisport. Er hat gelernt, dem Druck standzuhalten. Bei den Sommerspielen in Paris will es sich der mittlerweile 29-Jährige noch einmal selbst beweisen. Die Zeichen stehen gut. Bei der Schwimm-WM, die gerade in Doha stattfindet, zog er als Schnellster ins Finale über 100 Meter Brust ein (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet). Peaty ist zurück. Weil er erkannt hat, dass auch der Stärkste irgendwann einmal Hilfe braucht.