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Schwimm-Wettkampf in Paris: Dopingvorwürfe überschatten Olympische Spiele

Olympia 2024

Saubere Spiele? Das Misstrauen schwimmt mit

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    Bitter enttäuscht: Angelina Köhler (links) verpasste Bronze. Sie war einen Wimpernschlag langsamer als die Chinesin Zhang Yufei.
    Bitter enttäuscht: Angelina Köhler (links) verpasste Bronze. Sie war einen Wimpernschlag langsamer als die Chinesin Zhang Yufei. Foto: Jan Woitas/dpa

    Als ersten erwischte es den irakischen Judoka Sajjad Sehen. Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris wurde er positiv auf die Steroide Metandienon und Boldenon getestet. Ihm folgten die dominikanische Volleyballerin Lisvel Eve Mejia und die nigerianische Boxerin Cynthia Temitayo Ogunsemilore, in deren Körper Furosemid nachgewiesen wurde. Ein Mittel, das dabei hilft, Dopingmittel schneller aus dem Körper zu schwemmen. Drei geradezu klassische Fälle von Sportlern, die während Olympischer Sommerspiele erwischt werden. Der Doping-Experte Fritz Sörgel hatte sie gegenüber unserer Redaktion als „Doping-Amateure“ bezeichnet. „Also eher Sportler aus kleinen Ländern, wo das Know-how des perfekten Dopings mit relativ einfachen Substanzen nicht vorhanden ist.“

    Die Wada glaubte der Argumentation Chinas

    Die Profis hingegen arbeiten vor allem während harter Trainingsphasen mit verbotenen Mitteln, wenn nicht allzu häufig (oder gar nicht) kontrolliert wird und stoppen die Einnahme rechtzeitig. Irgendwas muss also in der Planung gründlich schiefgelaufen sein, als im Vorfeld der Olympische Spiele von Tokio 2021 gleich 23 chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer positiv auf ein verbotenes Herzmittel getestet wurden. Der Fall und vor allem, wie die Welt-Antidopingagentur (Wada) damit umging, schlägt in Paris hohe Wellen, denn die Wada hatte ihn erst einmal geheim gehalten. Sie folgte der Argumentation Chinas, die Sportler seien während eines Trainingslagers beim gemeinsamen Essen im Hotel kontaminiert worden. Erst die Recherchen der New York Times und ARD-Dopingredaktion machten den ganzen Vorgang in diesem Jahr öffentlich.

    In Paris beharrte der Generaldirektor der Wada, Olivier Niggli, darauf, dass es genügend Elemente gegeben habe, „die auf eine Kontamination als wahrscheinlichstes Szenario hindeuten“. Ein Szenario, das die meisten Experten anzweifeln. Laut Sörgel sei die ganze Geschichte „allem Anschein nach einfach erfunden worden, nachdem man damit konfrontiert war, dass 23 Sportler positiv auf Trimetazidin getestet worden waren. Wohl gemerkt in sehr geringen Konzentrationen. Aber das Mittel bleibt sehr lange im Körper.“ Offensichtlich hatten sich die chinesischen Betreuer diesbezüglich verschätzt.

    Angelina Köhler spricht von einem „bitteren Beigeschmack“

    Das Misstrauen ist dementsprechend groß, wenn chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer in Paris an den Start gehen. Vor allem, wenn diese dann auch noch Medaillen gewinnen. Elf der damals erwischten 23 sind in Frankreich gemeldet. Eine von ihnen ist Zhang Yufei. Sie gewann am Sonntagabend Bronze über 100 Meter Schmetterling - mit 21 Hundertstelsekunden Vorsprung auf die viertplatzierte Deutsche Angelina Köhler. Die vergoss im Ziel bittere Tränen und sagte später: „Es hat natürlich immer einen miesen Beigeschmack, solche Geschichten. Ich hoffe, dass da noch Aufklärung kommt. Aber erst einmal gehört die Medaille ihr und da gibt es nichts auszusetzen.“

    Schon zuvor hatte DSV-Leistungssportdirektor Christian Hansmann gefordert, dass man sich darauf verlassen können müsse, „dass der Doping-Kampf weltweit mit den gleichen Maßstäben geführt wird. Und da darf es eben keine Lex China geben oder dass man da nicht genauer unabhängig nachfragt. Das muss unbedingt aufgearbeitet werden.“ Und der amerikanische Schwimmstar Caeleb Dressel beantwortete die Frage, ob er Vertrauen in faire und saubere Olympische Spiele habe, mit einem schlichten. „Nein.“ Und fügte an. „Ich denke nicht, dass sie uns unterstützen, wie sie hier den Fall handhaben.“

    ARD-Experte spricht von hanebüchenen Erklärungen

    Derweil präsentierte Hajo Seppelt, einer der renommiertesten Doping-Journalisten weltweit, Chat-Protokolle aus China, die Zweifel daran wecken, ob die 23 chinesischen Schwimmerinnen und Schwimmer überhaupt alle in dem Hotel wohnten, in dem sie angeblich das kontaminierte Essen vorgesetzt bekamen. Einiges deutet darauf hin, dass das nur Teil einer Erzählung ist, die immer löchriger wird. Seppelt fragte in der ARD: „Wie kann es sein, dass Journalisten aus Deutschland und anderen Ländern solche Dinge recherchieren. Und die Welt-Antidopingagentur als oberste Aufsichtsbehörde des weltweiten Antidopingkampfs sagt, sie geben sich mit Erklärungen zufrieden.“ Erklärungen, die „absolut hanebüchen“ seien. Er bezeichnete es als absurde Situation, dass jetzt Athletinnen und Athleten am Start seien, die ungestraft einen positiven Dopingtest abgegeben hatten. „Für alle Athleten auf der Welt, die sauberen Sport wollen, ist das eine schallende Ohrfeige.“

    Seppelt hatte schon rund um die Winterspiele 2014 das staatlich orchestrierte Doping im russischen Wintersport aufgedeckt und sagte nun: „Es gibt so viele Fälle in China, man muss von Staatsdoping sprechen.“ Und: „Ich bin gar nicht so sicher, ob die alle absichtlich gedopt haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die möglicherweise gedopt wurden.“

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