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Regenbogen-Stadion: So blicken andere Länder auf die Regenbogen-Debatte in München

Regenbogen-Stadion

So blicken andere Länder auf die Regenbogen-Debatte in München

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    So darf die Münchner Allianz Arena zum Spiel Deutschland gegen Ungarn nicht erstrahlen. Das wurde auch im Ausland wahrgenommen.
    So darf die Münchner Allianz Arena zum Spiel Deutschland gegen Ungarn nicht erstrahlen. Das wurde auch im Ausland wahrgenommen. Foto: Tobias Hase, dpa

    Europaweit hat das Verbot der Uefa, das Münchner Stadion als Zeichen der Toleranz in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, Reaktionen hervorgerufen. Diese sprechen auch für die jeweilige Verfasstheit der Länder. Ein Überblick:

    England: Debatte um Rassismus

    Im Königreich wird die Diskussion um die Regenbogenbeleuchtung der Allianz-Arena zwar wahrgenommen, doch die Briten sind mit ihrer eigenen, mitunter bitter geführten Debatte beschäftigt. Sie dreht sich um Rassismus. Als Englands Nationalspieler vor dem Anpfiff ihrer Testspiele auf die Knie gingen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen, wurden sie von einem Teil der eigenen Anhänger ausgebuht und ausgepfiffen. In den Medien stritten daraufhin Politiker und Beobachter, Fans und Aktivisten, ob es sich um eine "Gesten-Politik" handelt, wie die Innenministerin Priti Patel kritisierte, oder vielmehr ein wichtiges Zeichen der jungen, selbstbewussten und vielfältigen Mannschaft darstellt. "Wir haben unsere eigenen Sichtweisen, was wir tun können, um zu helfen – und was Einfluss haben kann", sagte Abwehrspieler Tyrone Mings. Vergangene Woche beim Spiel im Wembley-Stadion schlossen sich die Schotten aus Solidarität zu England der symbolischen Geste an. Ermutigt werden Kicker wie Raheem Sterling auch von Trainer Gareth Southgate, der sich beinahe zu so etwas wie einem moralischen Anführer entwickelt hat.

    Englands Trainer Gareth Southgate.
    Englands Trainer Gareth Southgate. Foto: Laurence Griffiths, Pool Getty, AP, dpa

    So verteidigt er nicht nur unentwegt seine Spieler gegen die ständigen rassistischen Beleidigungen im Netz wie auf dem Platz, sondern würdigte auch den Kniefall und den politischen Mut, den seine Schützlinge damit zeigen. "Ich habe nie geglaubt, dass es für uns nur um den Fußball gehen sollte", schrieb Southgate kürzlich in einem emotionalen offenen Brief, der mit "Dear England" überschrieben war. "Ich verstehe, dass wir auf dieser Insel den Wunsch haben, unsere Werte und Traditionen zu schützen – was wir auch tun sollten. Aber das sollte nicht auf Kosten von Selbstreflexion und Fortschritt passieren." (kpry)

    Italien: Das Wichtigste bleibt die Squadra

    Das Verbot der Uefa, die Münchner Arena in Regenbogenfarben zu beleuchten, beschäftigt Italien am Rande. DieGazzetta dello Sport widmete ihren Titel am Mittwoch zwar einem Naturphänomen, aber nicht dem Münchner Regenbogenverbot. "Azzurri alle stelle", die Blauen in den Sternen, lautete der Titel und spielte auf die Wettbüros an, die Italien hinter Frankreich nun als größten Favoriten auf den EM-Titel einstuften.

    Wichtiger als die Regenbogen-Aktion ist in Italien der Auftritt der eigenen Mannschaft - im Bild Matteo Pessina nach seinem Freistoßtor gegen Wales.
    Wichtiger als die Regenbogen-Aktion ist in Italien der Auftritt der eigenen Mannschaft - im Bild Matteo Pessina nach seinem Freistoßtor gegen Wales. Foto: Alberto Lingria, dpa

    Das Wichtigste bleibt in Italien die Mannschaft, auch weil sie so erfolgreich spielt. Die Zeitung Repubblica hingegen brachte ein Bild der Arena in München auf Seite eins. "Der Fußball knipst den Regenbogen aus", lautete die Bildunterschrift. "Wer hat Angst vor dem Regenbogen?", hieß es im entsprechenden Artikel. Die Kritik an der Uefa-Entscheidung klang in den Tageszeitungen durch. Der Corriere della Sera etwa spekulierte, ob sich am Mittwochabend vielleicht zahlreiche Zuschauer im Stadion mit Regenbogenfahne präsentieren würden. Die politischen Klänge der EM werden wahrgenommen. Die Begeisterung für ein spektakulär auftretendes italienisches Team aber überwiegen bei Weitem. (jmm-)

    Russland: Protest ist nur einige Zeilen wert

    Manche konservative Russen werden schon blass, wenn in der Werbung für ein Eis die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett auftauchen. Regenbogen! Ein Ding, das verboten gehört. Vor allem deshalb, weil das Kinder schützen soll und den moralischen Verfall der Gesellschaft aufhalten. "Nicht traditionelle Orientierung", wie Russen Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität oft nennen, ist verpönt im Land, das sogenannte Homosexuellen-Propaganda-Gesetz aus dem Jahr 2013 – daran orientiert sich die Orbán-Regierung – verstärkt die bestehende Feindseligkeit gegenüber LGBTQI.

    Was in anderen Ländern passiert, mit Regenbogen auf Eispackungen oder an Fußballstadien, das lässt die Russen allerdings kalt. Der verhinderte Regenbogenprotest in München ist in Russland nur einige nachrichtliche Zeilen wert. So manche Boulevard-Zeitung höhnt da lediglich, die Deutschen wollten den Ungarn Toleranz beibringen. Aber so seien eben die Deutschen. Unnötig verärgert. (inna)

    Türkei: Werte über Bord

    Bis vor wenigen Jahren gab es in Istanbul eine lebhafte und bunte LGBT-Szene. An der alljährlichen "Pride Parade" von

    Beim Schwenk von einem Kurs auf die Europäische Union und eine liberale Demokratie nach europäischem Vorbild hin zu einem autoritären Staat gingen Werte wie Gleichheit und Toleranz über Bord. Die islamisch-konservative Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und seinem nationalistischen Bündnispartner Devlet Bahceli haben sich inzwischen auf Schwule und Lesben eingeschossen, greifen sie öffentlich als "unmoralisch" an und erklären Homosexualität zu einem Angriff auf die Werte der türkischen Gesellschaft und gar zum "Terrorismus".

    Sogar den Ausstieg aus dem Istanbul-Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt begründete Ankara intern damit, dass sie Diskriminierung gegen Schwule und Lesben verbiete – und damit die türkische Gesellschaft untergrabe. (g+s)

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