Es sei etwas ins Rutschen geraten, ist dieser Tage überall zu lesen. Gemeint ist eine Verschiebung der politischen Parteienlandschaft. Damit aber, liebe Leser, wollen wir Sie an dieser Stelle nicht beschallen. Wie Sie den großen Lettern am Kopf dieser Seite entnehmen können, geht es hier um Leibesertüchtigung. Diesmal um eine der natürlichsten, die unser Körper zulässt: das Laufen. Auch dort ist etwas ins Rutschen geraten, wobei es diese Begrifflichkeit nicht ganz trifft, denn Rutschen klingt viel zu gemächlich, als dass damit die aktuelle Entwicklung im Marathon angemessen umschrieben wäre. Es ist schon eher ein Erdrutsch, der da durch den Langstreckenbereich der Leichtathletik walzt. Ein Weltrekord jagt den nächsten über die legendäre 42,195-Kilometer-Distanz.
34 Sekunden unter der alten Marathon-Bestmarke
Am Wochenende hat der Kenianer Kelvin Kiptum in Chicago die alte Bestmarke seines Landsmanns Eliud Kipchoge um 34 Sekunden unterboten. Der 23-Jährige lief nach 2:00,35 Stunden durchs Ziel. Die magische Zwei-Stunden-Grenze scheint nur noch einen Wimpernschlag entfernt. Eben jener Kipchoge hat die zwar schon geknackt, allerdings unter nahezu klinischen Idealbedingungen und nicht in einem regulären Straßenrennen. Ende September hatte zudem die Äthiopierin Tigist Assefa den Frauen-Rekord gleich um mehr als zwei Minuten auf 2:11,53 Stunden gedrückt.
Nicht wenige folgern nun, diese Fabelzeiten seien das Resultat der neuartigen Laufschuhe, mit denen inzwischen auch jeder ambitionierte Hobbyläufer unterwegs ist. Karbon statt Kondition, könnte man sagen, denn in dem neuen Schuhwerk sind auch kleine Karbonplatten verbaut. All das erinnert an die Phase der Plastikanzüge im Schwimmen. Diese bescherten den Wassersportlern ebenfalls eine Flut an Weltrekorden – und wurden im Jahr 2010 prompt wieder verboten.
Ähnliches ist in der Leichtathletik nicht zu erwarten. Dafür ist die Laufschuhindustrie zu milliardenschwer. Zumal das Geschäftsmodell mindestens eines namhaften Herstellers unschlagbar ist: Dessen Schuhe (die noch nicht im Handel sind) halten genau einen Marathon lang. 138 Gramm sind sie schwer und kosten 500 Euro. Das macht pro Kilometer knapp zwölf Euro. Ein teurer Hauch von Nichts.