Es hat sich lange angekündigt, jetzt sind die Bullen endgültig im Radsport angekommen. Der deutsche Profi-Rennstall Bora hansgrohe meldet die Übernahme durch Red Bull. Der Teamchef Ralph Denk unterschrieb einen mehrjährigen Vertrag als CEO und bleibt in seiner Rolle an Bord. Der Radsport-Weltverband UCI wird den Rennstall in Zukunft unter dem Namen Red Bull-Bora-hansgrohe führen.
Die Brausehersteller mit dem Firmensitz in Fuschl am See sind in zahlreichen Sportarten aktiv. Vom Fußball über den Motorsport mit dem Aushängeschild Formel 1, Ski alpin und Eishockey, bis hin zu Extremsportarten, unterstützen die Österreicher die Teams und Sportler. Der Einstieg in den Radsport scheint nur konsequent. Längst drehen nicht nur angehende und tatsächliche Rentner auf Karbonrennern ihre Schleifen auf den Landstraßen in ganz Europa. Verstärkt durch Corona, hat die junge Generation das Rennradfahren als Freizeitsport entdeckt. Ähnlich wie in der Formel 1, hat zudem eine Doku-Serie auf Netflix über die Tour de France das jüngere Publikum angezogen.
Die Österreicher sind im Fußball und der Formel 1 sehr aktiv
Der finanzielle Einsatz ist im Vergleich zur sündhaft teuren Formel 1 oder dem Fußball überschaubar. Der Etat von bisher 25 Millionen Euro steigt auf geschätzte 45 Millionen Euro pro Jahr. "Ziel ist es, sportlich und wirtschaftlich die Benchmark zu werden", sagte Denk, der den Deal von langer Hand einfädelte. Denk war es, der den Österreichern den Einstieg schmackhaft machte. So besuchte Oliver Mintzlaff, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig und inzwischen für die Sportprojekte zuständige Geschäftsführer der Red Bull GmbH, das Bora-hansgrohe-Team vor einem Jahr in Frankreich und machte sich ein Bild von dem Spektakel und der Außenwirkung des wichtigsten Radrennens der Welt.
Der neue Teamname ist ein Wortungetüm. Damit hat man die Regularien des Weltverbandes ausgereizt. Bis zu drei Namen sind erlaubt. Mit dem fast verdoppelten Etat schließt Red Bull-Bora-hansgrohe zu den Platzhirschen der Branche auf. Teams wie UAE mit dem Radstar Tadej Pogacar oder Bahrain Victorious geben auch Dank des Einsatzes von finanzkräftigen Geldgebern aus Arabien mit einem Saisonetat von rund 50 Millionen Euro den Ton im Spitzenradsport an.
Teamchef Denk will zu den Spitzenteams aufschließen
Dort will auch Denk künftig mitmischen. Der CEO konnte seine bisherigen Sponsoren behalten und gleichzeitig Red Bull vom Einstieg überzeugen. Denk verkaufte laut Sportschau.de 51 Prozent seiner Anteile an der Betreiberfirma seines Teams, der RD Pro Cycling GmbH & Co KG, an Red Bull. Der Preis ist nicht bekannt. Außerdem handelte Denk mit dem Brausehersteller einen Sponsorenvertrag aus, der etwa 25 Millionen Euro pro Saison einbringen dürfte. Die Österreicher hätten damit das Sagen, was für ihn "okay" sei, wie Denk im ARD-Radsport-Podcast "Tourfunk" erzählte.
Das Konstrukt erinnert an die Formel 1 oder die von Red Bull betriebenen Fußball- oder Eishockey-Klubs wie den EHC Red Bull München. Mit dem Verkauf der Anteile wird Denks Radteam ein sogenanntes "Corporate Project" des Getränkeherstellers. Sein Ziel sei nicht gewesen, das eigene Bankkonto zu füllen. "Siege und große Erfolge treiben mich an. Durch die Ankunft von Red Bull haben wir große Ziele", sagte Denk. Die zusätzlichen Millionen ziehen die Stars an und befeuern die Gerüchteküche. Angesprochen auf Spekulationen, dass bald Topstars wie Remco Evenepoel und Wout van Aert zum Team wechseln sollen, sagte Denk scherzhaft: "Jeder wurde mit uns in Verbindung gebracht, der in der Vergangenheit eine Dose Red Bull getrunken hat." Er äußerte sich nicht weiter zu den einzelnen Namen. "Unser Ziel ist es nicht, von Team zu Team zu gehen und nach Ausstiegsklauseln zu fragen."
Sichtbar wird der neue Eigner allerdings erst zum Start der Tour de France. Die Räder und Trikots werden dann im Bullen-Design erscheinen. Beim am Samstag beginnenden Giro d'Italia muss Denk erst noch die Wogen glätten, die die Nicht-Berücksichtigung von Emanuel Buchmann noch immer schlägt. Nach einem Trainingsunfall von Lennard Kämna hatte Bora-hansgrohe einen neuen Plan mit dem Kolumbianer Daniel Felipe Martinez als neuen Kapitän für die dreiwöchige Rundfahrt aufgestellt.
Buchmann verärgert über seinen Ausschluss
Buchmann war davon ausgegangen, als Co-Leader zu starten. Auf der Plattform Instagram reagierte der 31-Jährige verschnupft: "Ich kann meine Enttäuschung und Frustration nicht beschreiben, dieses Jahr nicht für den Giro d'Italia nominiert zu sein." All seine Planungen seien auf den Saison-Höhepunkt ausgerichtet gewesen.
Als haushoher Favorit geht Tadej Pogacar (Team UAE) am Samstag in Turin auf die 3400-Kilometer lange Italien-Schleife. Bora-hansgrohe peilt Etappensiege an. Noch. Ab der Tour de France – Start ist am 29. Juni in Florenz – soll mit Red Bull ein neues Radsport-Kapitel beginnen.