Als Marco Brenner Ende 2020 seinen ersten Vertrag als Radprofi unterschrieb, und das gleich bei einem Rennstall aus der höchsten Liga, der WorldTour, da hieß sein neuer Arbeitgeber noch Team Sunweb. Wenige Wochen später stieg der niederländische Chemiekonzern DSM als neuer Hauptsponsor ein, übernahm das WorldTour-Team. Damit taten sich ganz andere finanzielle Möglichkeiten auf. Für den talentierten Augsburger schien es die perfekte Kombination zu sein. Der 17-Jährige, der damals als eines der größten Talente im Rennzirkus galt, und ein Team, das einen guten Ruf als strenge, aber erfolgreiche Kaderschmiede hatte. Vier Jahre, so war zu lesen, sollte der Vertrag laufen. Brenner schien auf der Erfolgsspur.
Das Projekt Team dsm-firmenich und Marco Brenner ist gescheitert
Drei Jahre später herrscht auf beiden Seiten Ernüchterung. Das Projekt ist gescheitert. Wie mehrere Fachmedien, darunter das niederländische Internetportal Wielerflits, berichten, wird der inzwischen 21-jährige Brenner am Jahresende das niederländische Rennteam, das inzwischen als Team dsm-firmenich firmiert, verlassen. DSM-Sprecher Lukas Kruse bestätigte gegenüber unserer Redaktion den Sachverhalt: "Wir hatten mit Marco einen Dreijahresvertrag mit der Option auf eine Verlängerung um ein viertes Jahr, diese Option wurde nicht gezogen. Wir hatten ein paar tolle Jahre mit Marco und wünschen ihm das Beste für seine Zukunft."
Die scheint für Brenner in der Schweiz zu liegen. Dem Vernehmen nach soll sich Brenner dem Zweitdivisionär Tudor Pro Cycling Team anschließen. Brenners Management wollte sich dazu nicht äußern. Der Augsburger selbst macht noch Urlaub in den USA. Teamwechsel werden im Profi-Radsport normalerweise zum Jahreswechsel vollzogen. Also haben die Beteiligten keinen Zeitdruck, in die Öffentlichkeit zu gehen. Für Brenner wäre der Wechsel finanziell wohl ein Rückschritt, sportlich aber könnte er einen interessanten Neuanfang darstellen.
Ex-Olympiasieger Fabian Cancellara gehört der Rennstall
Denn Eigner von Tudor ist der Doppel-Olympiasieger und vierfache Weltmeister Fabian Cancellara. Der 42-jährige Schweizer gilt als ehrgeizig und als Talenteentwickler. Er hat die Firma Tudor, Hersteller von hochpreisigen Präzisionsuhren, im Mai 2022 als Namensgeber und Hauptsponsor des Rennteams gewinnen können.
In drei Jahren will der Ex-Profi mit seinem Team fester Bestandteil der WorldTour werden, dabei aber einen etwas anderen Weg gehen. Er setzt auf junge Fahrer, aber auch auf ein junges Team im Umfeld. Der Schnitt dort beträgt 37 Jahre.
Marco Brenner wird 2022 Fünfter bei einer Vuelta-Etappe
Vielleicht ist genau das das Umfeld, das Marco Brenner jetzt braucht. Denn mit ihm und dem Team dsm-firmenich lief es am Ende nicht mehr. Das Team gilt als Unternehmen, das die Zügel in Sachen Athleten-Führung streng in der Hand hält. Bei Brenner stellten sich durchaus Achtungserfolge ein, darunter ein fünfter Etappenplatz bei seiner ersten Teilnahme an der Vuelta im Jahr 2022. Doch in dieser Saison wurden die Meinungsverschiedenheiten über den gemeinsamen Weg immer größer. Auslöser, so hört man, sollen die unterschiedlichen Vorstellungen der Behandlung einer Fehlstellung im Bewegungsapparat von Brenner gewesen sein, die den Athleten immer wieder zurückgeworfen hat. Nach außen drang nichts, Fakt ist aber, dass Marco Brenner kurzfristig aus dem Aufgebot für die Vuelta gestrichen wurde.
Jetzt wohl der Neuanfang bei Tudor. Die Schweizer haben als UCI ProTeam zwar kein Recht auf einen Start bei den Rennen der UCI WorldTour, wie die Tour de France, dem Giro oder der Vuelta, doch werden die guten Teams aus der zweiten Reihe fast immer dazu eingeladen. Auf der anderen Seite haben sie aber auch nicht die Pflicht, an jedem WorldTour-Rennen teilzunehmen, und können so ihre finanziellen Ressourcen gezielter einsetzen. "Ein guter Zweitligist ist manchmal besser als ein schlechter WorldTour-Rennstall", sagt ein Branchenkenner. Brenner würde beim Team Tudor auf alte Bekannte vom diesjährigen Team treffen. Alberto Dainese, Marius Mayrhofer und Florian Stork verließen dsm-firmenich und starten nun für die Schweizer. Diese Transfers wurden schon im August bekannt gegeben.