Als Boris Becker am Londoner „Southwark Crown Court“ ankommt, steht er mit seiner Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro zunächst gemeinsam mit der Presse in einer langen Schlange vor dem Gebäude unweit der Themse. Von dieser Zeitung auf die Tatsache, dass er sich wie die anderen einreihen muss, angesprochen, nickt er freundlich lächelnd, sagt aber nichts weiter.
In den kommenden Wochen jedoch will sich der 54-Jährige zu den Dingen äußern, die man ihm vorwirft, wie er im Vorfeld des Prozesses ankündigte. Der Tennis-Star soll während seines Insolvenzverfahrens Vermögenswerte nicht ordnungsgemäß angegeben haben. Becker weist die Vorwürfe zurück. Bei einer Verurteilung drohen Becker bis zu sieben Jahre Haft.
Boris Becker erscheint im dunkelblauen Anzug und schwarzen Turnschuhen vor Gericht
Pünktlich um 10.30 Uhr begannen am Montag die Vorbereitungen zum Verfahren gegen Becker in „Gerichtssaal Drei” des Backstein-Gebäudes, in dem ausschließlich Betrugsfälle verhandelt werden. Becker erscheint in einem dunkelblauen Anzug und schwarzen Turnschuhen und nimmt in einem verglasten Teil des schlicht gehaltenen Saales Platz, mit dabei seine Übersetzerin.
Ein zuvor an die Anwesenden ausgehändigtes Papier mit dem Titel „The Queen vs. Boris Franz Becker”, („Die Queen gegen Boris Franz Becker”) fasst die Anklagepunkte gegen den früheren Tennis-Profi auf sieben Seiten zusammen. Die Liste der Dinge, die er im Rahmen seines Insolvenzverfahrens, das 2017 begann, unterschlagen haben soll, ist lang.
Insolvenzverwalter Mark Ford stieß auf Ungereimtheiten
Darunter befinden sich Anwesen in seiner Heimatstadt Leimen, von dem Gericht in den Unterlagen versehentlich „Leiman” genannt, diverse Vermögenswerte sowie insgesamt neun Pokale, darunter unter anderem seine Daviscup-Medaillen aus den Jahren 1988 und 1989 und seine olympische Goldmedaille aus dem Jahr 1992.
Auf die Ungereimtheiten im Insolvenzverfahren aufmerksam gemacht hatte unter anderem der damals zuständige Insolvenzverwalter Mark Ford. Er gilt als einer der wichtigsten Zeugen in dem Fall und sollte im Verlauf der Woche aussagen, wie Anklägerin Rebecca Chalkley gestern erklärte. Das Problem: Er war an Covid erkrankt. Die Verteidigung plädierte jedoch dafür, den Zeitplan beizubehalten, da nicht klar sei, wie lange es dauern werde, bis Ford vor Gericht auftreten könne. Tatsächlich erschienen gestern auch viele britische Journalisten zu dem Verfahren, für das insgesamt drei Wochen angesetzt sind.
Interesse an Boris Becker ist auch in England groß
In Großbritannien ist der Deutsche insbesondere durch seine Tennis-Karriere sowie seine Tätigkeit als Kommentator beim Fernsehsender BBC bekannt. Das Interesse an seiner Person ist deshalb auch im Vereinigten Königreich groß und so musste gestern sichergestellt werden, dass die Mitglieder der Jury unbefangen an den Fall herangehen.
Um 12.30 Uhr schließlich wurde die Jury eingeschworen. Darin betonte die Richterin Deborah Taylor, gekleidet in einer rot-schwarzen Robe, in eindringlichen Worten, dass sie ihr Urteil ausschließlich auf der Basis dessen fällen sollten, was im Gericht gesagt wird, trotz der Tatsache, dass es sich bei Boris Becker um eine „Berühmtheit” handle. Deborah Taylor gilt als knallhart.
Knalllharte Richterin Deborah Taylor hat in der Becker-Verhandlung das Sagen
Sie war diejenige, die dafür gesorgt hat, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange wegen Verstoß gegen Kautionsauflagen zu 50 Wochen Haft verurteilt wurde. Vor fünf Jahren erwirkte sie außerdem, dass das zeremonielle Zimmer im „Southwark Crown Court“, in dem die Richter mit ihren Roben ausgestattet werden, auch für Frauen zugänglich gemacht wurde. Sie sagte damals, dass die Regelung schlicht unfair gewesen sei. Schließlich gebe es in dem Saal für Männer mehr Tische und Sitzgelegenheiten.
Wie sich die Tatsache, dass Richterin Taylor in der Verhandlung Boris Beckers das Sagen hat, auswirken wird, wenn sie am Ende auf der Grundlage der Entscheidung der Jury das Strafmaß definiert, muss sich noch zeigen. Eine Frau, die Becker gestern die ganze Zeit zur Seite stand, war seine Partnerin Lilian de Carvalo Monteiro. Die 33-Jährige begleitete ihn auf dem Weg zum „Southwark Crown Court“, saß während der Verhandlung von Anfang an mit im Gerichtssaal.