Frank Schmidt, Trainer des 1. FC Heidenheim, gilt grundsätzlich als Freund der offenen und unverklausulierten Kommunikation. Das, was Schmidt nach dem 1:3 seines Teams in der Conference League bei Basaksehir Istanbul zu sagen hatte, war aber selbst für seine Verhältnisse überdeutlich. „Wir sind von der ersten bis zur letzten Sekunde hier vorgeführt worden von einem Gegner, der von Anfang an unsere Fehler bestraft hat“, so der Coach bei RTL. Seine Mannschaft habe an diesem Donnerstagabend nahezu alles vermissen lassen, sagte der 50-Jährige und zählte auf: „Wir haben keine Zweikämpfe gewonnen. Wir haben einfach nicht das Herz gehabt, um – nicht mal international, sondern überhaupt – ein Spiel gewinnen zu können.“ Schmidts Heidenheim, das so furios in die Saison gestartet war, steuert auf einen bitteren Jahresabschluss hin: Die Pleite in Istanbul war die sechste in Folge und die achte aus den letzten neun Partien. Einer, der zu Saisonbeginn besonders geglänzt hatte, wird dabei zum Sinnbild der Heidenheimer Krise: Paul Wanner, das vom FC Bayern ausgeliehene Supertalent.
Für den 18-Jährigen war in der Türkei schon nach 31 Minuten Schluss, Trainer Schmidt wechselte den Juniorennationalspieler, der auch schon von Bundestrainer Julian Nagelsmann eine Einladung erhalten hatte, aus. Verletzt war Wanner nicht. Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 0:2 aus Sicht des FCH - und Wanner hatte seinen Anteil daran. Vor dem 0:1 verlor der Teenager den Ball im Mittelfeld. Istanbul machte das Spiel schnell, der Ex-Herthaner Krzysztof Piatek bediente Deniz Türüc - Tor. Wenig später fiel nach einer Ecke der zweite Gegentreffer. Schmidt erwähnte Wanner nicht namentlich, bei der Fehleranalyse dürfte er aber die Szene vor dem ersten Gegentor vor Augen gehabt haben, als er sagte: „Es gibt einen einfachen Ballverlust im Zentrum, und es ist kein Umschaltverhalten da.“
Seit dem 1. September gelangen Paul Wanner kein Tor und keine Vorlage mehr
Nach der Auswechslung des kriselnden Supertalents wird aber nichts besser, im Gegenteil. Selbst nach dem überraschenden Anschlusstreffer ging kein Ruck durch den FCH. „Diese Leidenschaft und die Emotionen - ich bin sehr enttäuscht, warum wir das heute nicht auf dem Platz gebracht haben“, so Schmidt. Auf Nachfrage, warum das nicht trotz der zuvor erfolgten Mahnung geklappt hat, sagte Schmidt resigniert: „Keine Ahnung.“
Die Krise des FCH ist aber unbestritten auch die Krise von Paul Wanner. Der 18-Jährige startete wie ein Komet in die Saison, traf zu Beginn in jedem Spiel, egal ob Liga, Pokal oder Europacup. Mittlerweile scheint Wanner, der beim FC Bayern noch einen Vertrag bis 2027 hat, aber auch sonst den Weg eines Kometen zu verfolgen, der bekanntlich schnell aufsteigt, aber ebenso schnell wieder verglüht. Seit dem 1. September, als er beim 4:0 gegen den FC Augsburg ein Tor erzielte und eine Vorlage gab, wartet er auf einen Scorerpunkt. Was bleibt, sind die andauernden Nachfragen in Pressekonferenzen zum 18-Jährigen - und die fast mantraartige Antwort seines Trainers darauf. „Es ist mir alles zu viel Paul Wanner hier“, sagt Frank Schmidt immer wieder.
Die Spekulationen um seine Zukunft scheinen Wanner zu hemmen
Zugleich ging es bei Wanner von Beginn an nicht nur um sportliche Themen, sondern auch um Spekulationen bezüglich seiner Zukunft. Wohin geht es nach dem Leihjahr in Heidenheim? Zurück zu den Bayern, noch ein Lehrjahr in Heidenheim oder ab nach Frankfurt, das auch Interesse signalisierte? Und bei der Nationalmannschaft werben weiterhin Österreich und Deutschland um das Talent, das wegen seiner Eltern beide Staatsbürgerschaften hat, sich aber noch nicht entschieden hat? Wanner ist im österreichischen Dornbirn geboren, wuchs dann im Allgäu auf, in Amtzell bei Wangen. Spätestens seit diesem Donnerstagabend in Istanbul scheint es für Wanner aber wichtiger zu sein, in Heidenheim wieder auf die Beine zu kommen. Bei seinem Verein, der mittlerweile auf den Relegationsplatz abgerutscht ist, ist die Krise schon längst angekommen.
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