Bislang war Costa Navarino in Griechenland allenfalls Luxusurlaubern ein Begriff. Mit der beschaulichen Ruhe im 2010 entstandenen Komplex ist es in dieser Woche vorbei. Drei Tage lang blickt die (Sport-)Welt auf das im Südwesten des Peloponnes gelegene Ressort. Von diesem Mittwoch bis Freitag tritt das Internationale Olympische Komitee (IOC) dort zu seiner 144. Sitzung zusammen – eröffnet wird das Treffen am Dienstag mit einer Zeremonie im antiken Olympia.
Der wichtigste Punkt steht am Donnerstag auf der Tagesordnung: die Wahl der Nachfolgerin oder des Nachfolgers von Thomas Bach. Eine Frau und sechs Männer wollen den 72-Jährigen beerben, der noch bis 23. Juni im Amt bleibt. Bach war 2013 in Buenos Aires zum neunten Präsidenten des IOC gewählt worden – als neunter Mann, als achter Europäer.
Bach wurde in Würzburg geboren, wuchs in Tauberbischofsheim auf und reifte in der Kleinstadt im baden-württembergischen Main-Tauber-Kreis zum Weltklasse-Fechter. Das Florett war sein Sportgerät. 1976 bei den Olympischen Spielen gewann er die Goldmedaille in der Mannschaftswertung. Mindestens genauso emotional war im folgenden Jahr der Gewinn des Weltmeisterschaftstitels, als es Bach war, der seine schier uneinholbar zurückliegende Equipe noch zum Titel führte – in Buenos Aires.
Thomas Bach gilt als gewiefter Taktiker
Bach, so charakterisierte ihn sein langjähriger Weggefährte Matthias Behr vor einigen Jahren, „konnte warten und warten und die Gegner studieren. Aber sobald er die Chance zum Angriff sah, hatte er den Drang zu diesem Angriff“. Ein gewiefter Taktiker, der das auf der Fechtbahn gelernte als Sportpolitiker umzusetzen wusste.
Noch etwas anderes nahm Bach aus seiner Zeit als Aktiver mit: Seine Überzeugung, dass sich der organisierte Sport politisch neutral verhalten müsse. Sie ist ein grundlegender Baustein in Bachs Gedankenwelt.
Verankert spätestens 1980, als ihm wegen des bundesdeutschen Boykotts der Olympischen Spiele in Moskau die Chance genommen wurde, seinen Titel zu verteidigen. „Boykotte widersprechen dem Sinn des Sports und sind politisch wirkungslos. Deshalb sind sie sinnlos“, bekräftigte Bach in einem Gespräch mit dieser Redaktion im Januar. Eine Position, die er häufig verteidigen musste. Eine, die ihm genauso häufig scharfe Kritik einbrachte.
Immer wieder die Russland-Frage
Der Dopingskandal von Sotschi – die Spiele am Schwarzen Meer waren 2014 die ersten in Bachs Amtszeit – und die Annexion der Krim durch Russland wenige Wochen nach dem Ende der Winterspiele: Die Frage, wie umgehen mit den Sportlerinnen und Sportlern aus dem Reich des russischen Diktators Wladimir Putin, der im Februar 2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Zaun brach, beschäftigten Bach und seine Kritiker durchgängig. Die Antworten, die der IOC-Präsident lieferte, trafen allzu oft auf wenig Gegenliebe.
Die Reaktionen des IOC auf das russische Staatsdoping und den völkerrechtswidrigen Überfall auf den Nachbarn sei zu spät erfolgt und obendrein zu lasch, so der Vorwurf. „Ich glaube, dass er der IOC-Präsident sein wird, der an den moralischen Herausforderungen des Sports gescheitert ist und den Sport hierdurch der Gefahr einer Spaltung aussetzt“, formulierte es 2023 Clemens Prokop, von 2001 bis 2017 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes im Gespräch mit dieser Redaktion.
Dass trotz des Ausschlusses des Olympiakomitees des Landes Russinnen und Russen als neutrale Athleten bei Olympischen Spielen an den Start gehen durften – zuletzt im vergangenen Jahr in Paris – verteidigt Bach stets. Es sei, sagte Bach im Januar, der größte Erfolg seiner Amtszeit gewesen, in Paris „Athletinnen und Athleten aus den Territorien aller 206 Nationalen Olympischen Komitees bei den Spielen dabei zu haben“. Er leitete daraus ab, „dass wir mit unseren Positionen, gerade den kontroversen und viel diskutierten, auf dem richtigen Pfad sind“.
Unter Thomas Bach reformiert sich das IOC
Auf ihm sieht sich Bach auch in Sachen Zukunftsfähigkeit des IOC und seines, der Organisation Milliardensummen bescherenden Produkts. Unter Bachs Führung wurde die Agenda 2020 ins Leben gerufen – eine Sammlung von 40 Reformvorschlägen, die das Ziel verfolgen, die Olympischen Spiele kostengünstiger, flexibler und nachhaltiger zu gestalten. Sie findet breite Unterstützung, da sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte adressiert werden.
Reformiert wurde unter Bach auch die Vergabe von Olympischen Spielen. Das vorherige, für Mauscheleien bis hin zu Korruption anfällige System wurde abgelöst von einem, das zwar als erheblich kostengünstiger und vereinfacht gilt, dessen Prozesse jedoch weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfinden. Wenige Funktionäre erhielten mehr Macht, war aus der Schweiz zu hören, die mit ihren Bewerbungen für die Winterspiele 2030 und 2034 gescheitert war.
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