Leo Quakgebauer ist kein Tippfehler, sondern der Fitnesstrainer von Tick, Trick und Track in der Juli-Ausgabe des Mickey-Mouse-Magazins. Das ist natürlich kein Zufall. Deutschlands bester Zehnkämpfer als duckifizierte Comicfigur in Entenhausen belegt, wie fortgeschritten die Popularitätswerte des Leo Neugebauer bereits sind. Passenderweise halten sie Schritt mit dem sportlichen Hoch, das den 24-Jährigen in dieser Saison bei den US-Collegemeisterschaften in Eugene im Bundesstaat Oregon auf die Weltjahresbestleistung von 8961 Punkten gebeamt hat. Die Konkurrenten haben den gebürtigen Görlitzer im Blick, wenn von Freitag (10.13 Uhr/ARD) an die Königsdisziplin der Leichtathletik startet. Die Hymnen, die Leo Neugebauer umschwirren, sind mit Superlativen bestückt. Zehnkampf-Hoffnung, Goldfavorit. Rohdiamant sind nur ein paar davon.
Wohl dem, der dieser Last standhält. „Ich habe mir dieses Jahr selber gezeigt, was ich so draufhabe“, sagt Leo Neugebauer und dreht die Sichtweise: „Ich bringe eher den Druck auf andere Leute, weil die sehen: ‚Oh, der Leo kann das machen, jetzt muss ich zeigen, was ich drauf hab.’“ Dieser coole Typ weiß, was er kann – und „dass da auch noch ein bisschen mehr drin ist“. Ausgeruht wird er den olympischen Zehnkampf in Paris angehen, er sieht ihn als Spaß in zehn (Kraft-)Akten. Vor vielen Freunden und der Familie.
Dazwischen funkt bestenfalls Edrick Floréal, Cheftrainer der Leichtathleten an der Universität Texas in Austin. Dorthin wechselte Neugebauer dank eines Stipendiums mit 19, studierte Wirtschaftswissenschaften und wird trotz seines Abschlusses und einer Weile in Deutschland wieder zumindest für ein Jahr dorthin zurückkehren. Wegen der perfekten Bedingungen und kurzen Wege. Alles bleibt unverändert, nur wird „Leo, the German“, wie er sich in seinem Youtube-Kanal nennt, eben Profi sein, nicht mehr der Studi.
Floréal also wird seinen Athleten diesmal „zwingen“, so verrät er in einem Interview im Deutschlandfunk, mit einer anderen Einstellung die zehrenden zwei Tage im Stade de France anzugehen. Nicht mehr so verspielt und extrovertiert mit Selfies und Autogrammen zwischen den Disziplinen wie noch bei den Weltmeisterschaften in Budapest im Sommer 2023, wo nach der Führung zur Halbzeit am nächsten Morgen das Kopfkino losgegangen und ein Fehlstart über die Hürden der erste Denkzettel war. Weitere Schludrigkeiten brachten in der Summe Platz fünf statt der Medaille. Klüger und weiser mag er nun sein. Und noch stärker. „Mein Ziel ist, immer so nah wie möglich an der Bestleistung zu sein oder sogar noch drüber. Das ist definitiv drin“, sagt Neugebauer. Und jeder weiß, was das bedeuten würde.
In der brandenburgischen Abgeschiedenheit von Kienbaum hat sich Leo Neugebauer mit dem deutschen Team zuletzt darauf konzentriert, fit zu bleiben. Die Gewichte reduzierte der 110-Kilo-Mann im Training, „dass ich schön schnellkräftig werde“. Seine Lockerheit behält er. Die entspringt aus den Trainingseinheiten. „Wenn dort alles gut läuft, bekommt man ein gutes Selbstbewusstsein – auch für die Wettkämpfe.“ Gut nur, dass Leo Neugebauer wie auch Niklas Kaul keinen Kontakt zu Disziplinkollege Manuel Eitel hatte. Der fällt wegen einer Corona-Infektion aus („einer der schlimmsten Tage meines Lebens“).
Vergangenes Jahr brach er den Rekord von Jürgen Hingsen
Olympia bedeutet Neugebauer – Sohn einer deutschen Mutter und eines Vaters aus Kamerun – alles. Darauf hat er seine Wettkampfplanung ausgerichtet. Darauf ist alles abgestimmt, seit er vor mehr als einem Jahr das erste Mal die Norm-Vorgabe übertroffen und nach 39 Jahren den Deutschen Rekord von Jürgen Hingsen auf 8836 Punkte verbessert hat. „Leo wer?“, fragte Hingsen damals. Mittlerweile kennen sie sich persönlich, und der 66-Jährige weiß um das enorme Potenzial des Mannes von den Fildern. Aus Erfahrung mahnt er jedoch auch ein wenig und sagt: „Olympische Spiele sind etwas anderes als Collegemeisterschaften.“
Leo Neugebauer und die Lehren aus Budapest: Nicht nur, dass er mit den Hürden-Assen trainiert hat, auch mit den besten Weitspringern und den schnellsten Sprintern. Sogar die gehassten 400 Meter rennt er mit der US-Elite. Das ist die Philosophie von Edrick Floréal. Weil keiner Fortschritte macht, wenn er nur unter seinesgleichen übt. Sein Techniktrainer Jim Garnham, zuständig für die Wurfdisziplinen, Hoch- und Stabhochsprung, sagt: „Leo ist auf bestimmte Weise einzigartig.“ Dazu gehört nicht nur, dass er selten Hochsprung trainiert, weil ihn danach immer wieder Knochenhautreizungen plagen.
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