In den Pariser Olympia-Sportstätten gibt es immer und überall lange Schlangen. Vor den Einlasskontrollen, den Sicherheitsschleusen, in denen jedes Handgepäck penibelst durchleuchtet wird, und natürlich an den immer zu wenigen Essens- und Getränkeständen. Die längsten aber gibt es zweifellos vor den stillen Örtchen. Man kennt das Problem, entweder sind sie zu weit weg, belegt oder defekt. In Paris trifft meist alles zu. Da braucht es viel Geduld in Momenten, in denen eigentlich gar keine mehr vorhanden ist.
Deshalb sollte bei den Olympischen Spielen schon genau abgewogen werden, wie viel Morgenkaffee der Körper bis zur nächsten Pause verkraftet. Den Zuschauerinnen und Zuschauern ist das genauso anzuraten wie den Sportlerinnen und Sportlern. Kommen dann noch gesundheitliche Probleme etwa mit dem Magen-Darm-Trakt dazu, sind die Wege in der französischen Hauptstadt mitunter zum Verzweifeln lang. Das musste auch der deutsche Radprofi Nils Politt vom UAE Team Emirates feststellen, der während seines olympischen Straßenradrennens ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen, wie er später bekannt gab, gehörig unter Druck geriet.
Und was tun, wenn die nächste Toilette erst im Ziel wartet und bis dahin noch deutlich zu viele Kilometer zu absolvieren sind? Politt fackelte nicht lange. Als er unterwegs das „Café des Deux Moulins“ an der Straßenecke erspähte, sprang er aus dem Sattel, obwohl er sportlich noch auf recht aussichtsreicher Position lag und verschwand im Café. Es ist nicht geklärt, ob ihm bewusst war, dass er sich einen ganz besonderen Ort für seine Notdurft ausgesucht hatte. Denn dort wurden Szenen aus dem Film „Die wunderbare Welt der Amélie“ gedreht.
Die überraschten Kaffeehaus-Gäste zückten ebenso wie die Fans am Straßenrand die Handys, um den Radprofi bei seinem Toilettengang abzulichten. Es gibt wahrlich schönere Momente, ins Rampenlicht zu rücken. Doch Politt wurde dadurch zum Superstar der vielen Radsportfans. Laut johlend und jubelnd gaben sie ihm Geleitschutz zurück zur Strecke und zu seinem Rad. Ins Ziel kam Nils Politt, durch diesen Vorfall völlig aus dem Konzept gebracht, schließlich als recht unbedeutender 70. Unvergessen hingegen bleibt das Video von seinem unkonventionellen Zwischenstopp, den die Franzosen in den Sozialen Medien als aufsehenerregendste „Pause Pipi“ der Spiele feiern.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden