Der Schlosspark von Versailles war ihre große Bühne. Vor der monumentalen Kulisse des berühmten Chateaus von Ludwig XIV. ritten die deutschen Dressur-Königinnen Jessica von Bredow-Werndl und Isabell Werth nach Teamgold auch zu Einzel-Gold und Einzel-Silber in der Grand Prix Kür. Bronze gewann Charlotte Fry aus Großbritannien. Die von ihrem Erfolg zu Tränen gerührte von Bredow-Werndl wiederholte damit auf der 17-jährigen Trakehnerstute Dalera ihren zweifachen Olympiasieg von Tokio 2021. Und doch kommt sie damit nicht annähernd an die olympische Medaillenausbeute ihrer Teamkollegin Isabell Werth heran. Die hat mit nun 14olympischen Medaillen – achtmal Gold und sechsmal Silber – die bis dahin führende Kanutin Birgit Fischer (achtmal Gold, viermal Silber) überholt.
Die 55-jährige Werth sprühte in Paris nur so vor Tatkraft und Motivation, hatte dabei immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und zeigte eindrucksvoll, dass es ihr immer noch gelingt, an der durchwegs jüngeren Konkurrenz vorbeizureiten. Zumal sie mit der erst zehnjährigen Stute Wendy de Fontaine einen Jungspund unter dem Sattel hat, der Werth sportlich einen zweiten Frühling zu bescheren scheint. Sie, die eigentlich schon in Erwägung gezogen hatte, ihre Karriere nach den Spielen von Paris zu beenden. In Versailles wurde sie nach ihren zwei Medaillen gefragt, ob sie an diesen Plänen festhalten wolle, da antwortete Werth trocken: „Ich habe meine Meinung geändert.“
Während also ihr ein Jahr älterer Kollege und Konkurrent Carl Hester aus Großbritannien musikalisch zu Kür-Klängen von „These were the days my friends“ vom Publikum gefeiert in den reiterlichen Ruhestand verabschiedet wurde, will Werth weitermachen – vielleicht sogar bis zu den Spielen in Los Angeles 2028. Wendy wäre dann im besten Alter. Und Werth könnte mit dann 59 Jahren weiter Geschichte schreiben.
Dabei ist die gelernte Rechtsanwältin ohnehin schon gut beschäftigt. Sie bildet Reiter und Pferde aus, schreibt Bücher und hat eine eigene Modekollektion. Doch seit Wendy in ihr Leben getreten ist, hat sich alles gerändert. Ein ums andere Mal werde sie überrascht vom Leistungsvermögen dieses Pferdes, das sie erst im Januar diesen Jahres aus dem Stall des gesperrten dänischen Turnierreiters Andreas Helgstrand übernommen hat.
Isabell Werth genießt den Ritt zu Gold
Dazu habe sie die einzigartige Stimmung im Versailler Schlosspark bei ihren neunten Spielen geradezu beflügelt, sodass dem Paar in der Kür mit 89,614 Prozentpunkten ein neuer persönlicher Bestwert gelang. „Es war einfach toll. Ich habe mich gefreut. Es hat so wahnsinnig viel Spaß gemacht und war nur zu genießen. Das Pferd ist in einer unglaublichen Entwicklung. Das war heute wirklich schon nahezu perfekt.“
Aber schon mit der Teammedaille am Tag zuvor hatte Werth den historischen Rekord geknackt. „Das ist schon sehr besonders. Das macht natürlich schon sehr stolz“, sagte sie. Und kündigte mit verschmitztem Lächeln an, dass sie sich mit der nun geschlagenen Birgit Fischer gern auf ein Glas Wein treffen wolle. „Wir hatten uns vor Tokio mal getroffen und da ging es auch darum, was wäre wenn. Das war sehr angenehm und lustig. Großer Respekt auch vor ihr, sie ist ein toller Mensch.“
Werths ursprüngliches Pferd überzeugte nicht
Dabei sah es noch vor ein paar Monaten noch so aus, als hätte Isabell Werth keine Chance mehr, diese Rekordmarke ernsthaft zu erreichen. Ihr eigentliches Pferd Quantaz überzeugte auf internationalem Niveau nicht so, wie erhofft. Deshalb kam nach gelungener Qualifikation die junge, unerfahrene Rappstute mit nach Frankreich. Entsprechend viel bedeuten Werth trotz ihrer über 30-jährigen Reitkarriere die beiden Medaillen von Paris. „Das war nicht zu erwarten. Natürlich hatte ich große Hoffnungen in die Stute gesetzt, weil ich um ihre Qualitäten weiß und wusste. Aber es war heute erst unser viertes oder fünftes Turnier. Unsere dritte Kür. Das ist alles unglaublich.“
Während für Werth und von Bredow-Werndl nach dem Medaillengewinn in Paris der Feier-Marathon begann, wurden die Pferde noch am Abend nach Hause gebracht. „Wendy kriegt erst einmal Pause und freut sich auf ihre Wiese“, sagte Werth. Und für Dalera von Jessica von Bredow-Werndl soll die Zeit der großen Championate nun vorbei sein. „Wir sind neun Jahre ein Paar. Dalera war nie verletzt, sie hat bewiesen, dass sie ein gesunder, glücklicher Athlet ist“, sagte die emotional aufgewühlte Jessica von Bredow-Werndl, angesichts ihres Entschlusses. Denn die Stute soll nun Mutterfreuden entgegensehen, erzählte die Aubenhauserin nach ihrem goldenen Kür-Ritt zu Chansons von Edith Piaff und ergänzte mit Tränen in den Augen. „Meine Musik ist eine Hommage: an Paris, an die Liebe und an Dalera.“
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