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Von der Guillotine zum Groove: Olympias neue Ära mit 3x3 Basketball

Olympia 2024

Trendsportarten bei Olympia: Einst floss hier Blut, heute wummert der Bass

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    Korbleger von Elisa Mevius für das deutsche 3x3-Basketball-Team in Paris. Am Ende stand ein Sieg gegen Kanada.
    Korbleger von Elisa Mevius für das deutsche 3x3-Basketball-Team in Paris. Am Ende stand ein Sieg gegen Kanada. Foto: Leonie Horky, Witters

    Hier ist also der Ort, an dem Olympia cool sein will. Dafür haben sie den kompletten Place de la Concorde abgesperrt. Dort, wo während der Französischen Revolution eine Guillotine über tausendmal ihr blutiges Werk verrichtete und unter anderem Frankreichs König Ludwig XVI. und seine Gattin Marie-Antoinette ins Jenseits beförderte. Heute fließt hier nur noch Schweiß.

    Schon am Vormittag überspringt das Thermometer die 30-Grad-Marke. Die knapp 5000 Zuschauer auf den bereits am Morgen gefüllten Rängen sitzen in der prallen Sonne. Es wird gefächert und geschwitzt, gelacht und gelitten. Nachts hat es geregnet, doch die Pfützen sind längst verdampft. Vor den Eingängen sprüht feiner Wassernebel aus metallenen Halbbögen und sorgt für ein bisschen Abkühlung. Lauter Bass dröhnt über den größten Platz von Paris. Heute steht die Arena im Mittelpunkt, auf der 3x3 Basketball gespielt wird. In einem Halbkreis sind die Tribünen um das Spielfeld angeordnet, was an ein Amphitheater erinnert. Nur einen Steinwurf entfernt stehen die Anlagen, auf denen Skateboarder, Breakdancer und BMX-Fahrer um olympisches Edelmetall kämpfen.

    3x3 ist keine Rechenaufgabe. Das x wird auch als x gesprochen. Im Kern geht es um Basketball. Die wichtigsten Regeln: Drei Spielerinnen sind pro Mannschaft auf dem Feld, eine sitzt auf der Bank und kann sich bei Spielunterbrechungen einwechseln. Innerhalb von zwölf Sekunden muss auf den Korb geworfen werden, sonst ist der Ball weg. Nach einem Korb, für den es einen Punkt gibt (aus der Distanz sind es zwei), geht es sofort weiter. Die Netto-Spielzeit beträgt zehn Minuten. Wer zuerst 21 Punkte hat, gewinnt – auch vor Ablauf der Zeit.

    Vor drei Jahren war 3x3 erstmals olympisch, in diesem Jahr treten auch Deutsche an

    Vor drei Jahren in Tokio war 3x3 Basketball, eine abgewandelte Variante des Streetballs, erstmals olympisch. Damals noch ohne deutsche Beteiligung. Das ist in Paris anders. Mit Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher, Elisa Mevius und Marie Reichert ist diesmal auch eine deutsche Frauen-Mannschaft am Start. An diesem Vormittag trifft das Quartett auf Kanada. Im ersten Spiel des Tages haben die Australierinnen zuvor die Chinesinnen besiegt. Die Musik läuft durch. Auf einem Podest am Rand des Spielfelds hat ein DJ – Sonnenbrille, Goldkettchen, Oberarme – seine Ausrüstung aufgebaut. Zwei Kollegen vom gleichen Format füllen die wenigen Minuten zwischen den Spielen. Es geht Schlag auf Schlag. Keine Zeit zum Luftholen. Der eine brüllt auf Französisch ins größtenteils französische Publikum, der andere auf Englisch. Hoch die verschwitzten Arme. „Wo sind die Franzosen?“ Jubelsturm. „Wo sind die Deutschen?“ Vereinzelter Jubel. Zwei Deutschlandfahnen oben links. „Wo sind die Kanadier?“ Aufmunternder Beifall der Franzosen.

    Los geht’s. Die deutsche Mannschaft zieht schnell auf 5:0 davon. Dadurch, dass nach jedem Punkt sofort weiter gespielt wird, entsteht eine Dynamik, der man sich kaum entziehen kann. Keine Zeit zu Jubeln. Kurz die Faust geballt, dann wieder Konzentration. In einer der ersten Reihen der Tribüne sitzt der deutsche Trainer Samir Suliman. Anders als bei den meisten Mannschaftssportarten darf der Trainer hier nicht direkt coachen. Die Spielerinnen sind sich selbst überlassen. Suliman sitzt anfangs noch ruhig, doch irgendwann hält es ihn kaum mehr auf dem Sitz. Er brüllt Kommandos, kommt aber kaum gegen die Beats aus den Boxen an. Ob seine Mannschaft denn überhaupt mitbekomme, was er rufe, wird er nach dem Spiel gefragt. Suliman grinst. „Mal mehr, mal weniger.“

    Olympia 2024: So viel gute Laune überall auf dem Place de la Concorde

    Auf dem Platz wird es plötzlich noch einmal eng. Ausgleich zum 11:11. Auch die Kommentatoren vor Ort geben alles. Als Elisa Mevius einen Pass der Kanadierinnen abfängt, habe die 20-Jährige das gegnerische Spiel gelesen, „wie ein Werk von Moliere“. Und als ein Wurf aus der Distanz trifft: „Das ploppt wie eine Flasche Champagner.“ So viel gute Laune. Fehlt nur noch ein dreifaches „Kölle alaaf“. Der DJ läuft jetzt auch zur Hochform auf. Es wummert und scheppert. Fast verliert man den Überblick. Doch die deutsche Mannschaft bleibt cool, geht wieder in Führung und gewinnt 19:15. Jubel. Abgang. Nächstes Spiel.

    „Das ist 3x3“, sagt Suliman ein paar Minuten später. „Das Momentum kippt von links nach rechts, von rechts nach links. Du musst immer dafür sorgen, dass es bei dir bleibt – und es dir zurückholen, wenn es weg ist. Und das haben sie mega gemacht.“ Es ist der zweite Sieg im dritten Spiel für seine Mannschaft. Am Abend folgte das Duell gegen Aserbaidschan, das bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet war. Die Marschroute ist dennoch klar. „Wir gehen Schritt für Schritt“, sagt Suliman. „Wir haben gegen Kanada den zweiten Keks vom Tisch geklaut, aber wir sind noch nicht satt.“

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