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Olympia 2024: Nach Gold für Ogunleye: „Engel, die diese Kugel getragen haben“

Olympia 2024

Nach Gold für Ogunleye: „Engel, die diese Kugel getragen haben“

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    Freude pur: Yemisi Ogunleye gewinnt überraschend Gold im Kugelstoßen
    Freude pur: Yemisi Ogunleye gewinnt überraschend Gold im Kugelstoßen Foto: Michael Kappeler, dpa

    Das Video rührt Yemisi Ogunleye zu Tränen. Eine Bekannte, die wie eine große Schwester ist, schickt es ihr. Es zeigt, wie ihre drei Kinder vor dem Fernseher sitzen und sie anfeuern. Erinnerungen kommen auf, wie sie einst selbst zugeschaut hat, „wie die großen Sportler ihre Leistungen bringen“. Seit Freitagabend ist Yemisi Ogunleye Olympiasiegerin im Kugelstoßen. Die erste Deutsche nach 28 Jahren und Astrid Kumbernuss. Mit exakt zwanzig Metern siegt sie vor Maddison-Lee Wesche aus Neuseeland (19,86 Meter) und der Chinesin Song Jiayuan (19,32).

    Sie feiert mit ihren Eltern, die in der ersten Reihe im Stade de France sitzen und wandelt nach einer Nacht mit Feier und viel Musik die Botschaft aus dem Handy zu ihrer: „Als ich gesehen habe, dass die Kleinen so begeistert sind, wusste ich, dass diese Medaille auch für die kommende Generation ist und sie ermutigen soll, an ihren Träumen festzuhalten – egal, was auf dem Weg kommt.“ Ihr persönlicher Weg ist ein sehr schwieriger gewesen. Dornenreich. Geprägt von Verletzungen. Körperlichen, mit zwei Kreuzbandrissen. Und seelischen durch Rassismus und Mobbing.

    Yemisi Ogunleye ist als Jugendliche Mobbing-Opfer

    Yemisi Ogunleye turnt, ehe sie zum Mehrkampf wechselt, weil sie zu groß gewachsen ist. Eine Knieverletzung bringt sie zum Kugelstoßen, wo ihr Talent bereits aufgeblitzt ist. Und zu Iris Manke-Reimers, ihrer Trainerin. Mit 14. Eine Zeit, in der das Mädchen nach dem Sinn seines Lebens sucht. Geplagt von dunklen Gedanken, ihr Dasein sei wert- und sinnlos. „Weil Menschen mir immer wieder gesagt haben, du bist nicht in der Lage irgendetwas Großes zu tun, sei es in Schule, oder schon im Kindergarten“, erzählt die Pfälzerin. Mobbing – welch enorme Herausforderung für eine Heranwachsende.

    Die 25-Jährige wird in einem christlichen Elternhaus groß, der Vater Nigerianer, die Mutter Deutsche. Sie „schleppt“ Yemisi und ihren Bruder immer in die Kirche mit. Gegen deren Willen. „Kirche war zu dem Zeitpunkt für mich ganz weit weg“, erzählt Yemisi Ogunleye, „einen Gott, dachte ich, gibt es nicht, das ist Quatsch.“ Doch jetzt, wo ihr Leben mehr Fragezeichen als Antworten beinhaltet, ist sie bereit ihm eine Chance zu geben. „Es war wie eine stille Stimme“, beschreibt sie den Beginn ihrer „Glaubensreise“. Yemisi Ogunleye hat nicht die Absicht „den Menschen das irgendwie aufzudrücken“ oder andere gar anzugreifen. Ihr Ziel ist einzig, manchen da draußen Hoffnung zu geben. Sie weiß, sie ist nicht die Einzige, die durch solche Phasen geht.

    Diese Frau berichtet gerne, woher sie kommt und welche Widerstände des Lebens sie überwunden hat. Um andere zu ermutigen, nicht aufzugeben. Dafür – und die Momente wie auf dem Video – arbeitet sie viel mit Iris Manke-Reimers. Die Trainerin sagt nach der Überraschung von Paris: „Weltmeisterschaften gehen irgendwann aus dem Kopf, aber ein Olympiasieg bleibt für immer. Wir haben einen harten Weg zurückgelegt, aber es hat sich richtig gelohnt.“

    Das Energiebündel Yemisi Ogunleye erleben am Freitagabend 70 000, die vor ihrem Gold-Stoß alle Gedanken ausschaltet, loslässt und einfach macht, weil sie vertraut – um danach befreit aufzuschreien. „Ich glaube, da waren Engel, die diese Kugel getragen haben“, sagt sie. So weit fühlt sich der Stoß zunächst nämlich gar nicht an.

    Weit weniger bekommen das musikalische Talent der Sportsoldatin zu hören. Auf der Pressekonferenz verzückt sie mit einem Gospelsong. Jenes Lied, das sie während ihres Wettkampfes für sich gesungen hat.

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