Die Skandal-Rufe waren laut und empört, sie tönten von verschiedenen Seiten aus der ganzen Welt und klangen unerbittlich. Wie konnten die Verantwortlichen der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele am Freitag in Paris, allen voran der Haupt-Regisseur Thomas Jolly, es wagen, die Christen zu verhöhnen? In einer kurzen Szene mit dem unbekleideten, blau bemalten Liedermacher Philippe Katerine mit gelb-orangenem Bart und vor einem Früchtekorb, umgeben von Models und Drag-Queens, sahen sie eine obszöne Parodie des letzten Abendmahls. Besonders fühlten sie sich an die gleichnamige Freske erinnert, mit der Leonardo da Vinci Ende des 15. Jahrhunderts Jesus inmitten der Apostel dargestellt hat.
Unter anderem die französische Bischofskonferenz, der Passauer Bischof Stefan Oster sowie ein Vertreter des Vatikans reagierten auf die für sie erschütternde „Verspottung des Christentums“. Konservative und Rechtsextreme in Frankreich äußerten ihre Wut auf diese „Woke-Propaganda“, auch der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon kritisierte die unnötige „Verletzung der Gläubigen“. Der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, Donald Trump, nannte sich selbst „sehr weltoffen“ – „aber was sie da gemacht haben, war eine Schande“. Italiens stellvertretender Ministerpräsident, Lega-Chef Matteo Salvini, beklagte die „Beleidigung von Millionen Christen“. Auch die Reaktionen in den sozialen Medien waren gewaltig und sie sind es immer noch.
Allein, es handelte sich um ein Missverständnis, wie Jolly in einem Interview mit ruhigem Lächeln erklärte. Seine Inspiration war demnach gar nicht die christliche Szene des letzten Abendmahls, sondern die Darstellung von Dionysos, auch bekannt als Bacchus, „dem Gott des Feierns in der griechischen Mythologie, dem Gott des Weins, eines Aushängeschildes Frankreichs“. Das erklärt die Krone des Hauptdarstellers aus Weinreben und Blumen, die Fruchtplatte vor ihm, seine Nacktheit. „Keine Reichen, keine Armen mehr, wenn man ganz nackt ist“, sang Katerine. „Leben wir, wie wir geboren wurden – nackt!“ Eine der Hauptakteurinnen hinter ihm war eine füllige Frau in blauem Abendkleid mit einer goldenen Krone – DJ Barbara Butch, die inzwischen Klage wegen Cyber-Mobbing mit Todes-, Folter- und Vergewaltigungsdrohungen eingereicht hat.
Die Idee dahinter, so Jolly, war die Abbildung eines heidnisches Fest rund um die Götter des Olymp. Die Vorwürfe der Blasphemie wehrte er ab. „Sie werden bei mir niemals den Willen zum Hohn finden. Ich wollte eine Zeremonie, die versöhnt“, sagte der 42-jährige Theatermacher.
Eröffnungsfeier der olympischen Spiele: Die Kritik an dem Motiv verstummt nicht
Tatsächlich befanden sich in der von ihm erdachten Szene deutlich mehr Personen als Jesus und die zwölf Jünger. Der niederländische Kunsthistoriker Walther Schoonenberg wies auf der Plattform X darauf hin, dass die Darstellung an das Gemälde „Festmahl der Götter“ des niederländischen Malers Jan van Bijlert erinnere, das um 1640 entstand und in einem Museum in Dijon hängt. Es zeigt ein Gelage auf dem Olymp anlässlich der Hochzeit von Peleus, dem König von Phthia, und Thetis. Etliche Götter der griechisch-römischen Mythologie, darunter Apollo, Diana und Venus, nehmen teil. Trotz dieser Erklärungsversuche ist die Kritik nicht verstummt.
Der Schauspieler Katerine selbst versicherte nun, während der Vorbereitung mit Jolly sei nie das Gespräch auf das letzte Abendmahl gefallen. Umso mehr hätten ihn die erzürnten Reaktionen erstaunt. „Ich bin in der christlichen Religion groß geworden und das Schönste an diesem Glauben ist die Idee vom Verzeihen“, sagte der 55-Jährige in einem Interview. Er entschuldige sich dafür, falls er Menschen geschockt habe. „Es tut mir leid. Ich glaube, dass die Bitte um ein Pardon gegenseitig sein kann.“
Folgereaktionen oder gar eine Entschuldigung all jener, die sich lautstark beschwert haben, gab es aber noch nicht zu hören. In der insgesamt rund vierstündigen Schau brachte Jolly zahlreiche kulturhistorische Referenzen ein, teils auf sehr klassische, in manchen Fällen auf provokante Art und Weise. Auch die Abbildung der geköpften Königin Marie-Antoinette schockierte manche. Die Szene sei bewusst theatralisch gewesen, aber eine für ihn notwendige Behandlung der Französischen Revolution, erklärte der Regisseur. „Das war wirklich eine künstlerische Darstellung und sicherlich keine Glorifizierung der Guillotine als Mordinstrument.“ Er fände es bedauerlich, wenn seine Arbeit dazu benutzt würde, um hinter der Zeremonie als einem „Moment der Einheit“ der Menschen wiederum Spaltung und Hass zu säen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden