Die erste große Chance auf eine olympische Medaille hat das deutsche Kanuslalom-Team verpasst. Die Wahl-Augsburgerin Ricarda Funk hatte im Halbfinale noch die Konkurrenz in Grund und Boden gefahren und den schnellsten Lauf hingelegt, im Finale aber kam sie an diese Leistung nicht mehr heran und wurde enttäuschte Elfte. Nach einer deutlichen Führung im ersten Abschnitt verlor die gebürtige Rheinländerin auf der Strecke zunehmend Zeit und paddelte nicht mehr mit der gewohnten Ruhe. Das wurde bitter bestraft. Im Schlussabschnitt kassierte sie an der 20 eine 50-Sekundenstrafe, weil sie das Tor nicht korrekt durchfahren hatte. Die Medaille war dahin. Stattdessen wurde die Australierin Jessica Fox Olympiasiegerin, vor der Polin Klaudia Zwolinska auf dem Silber- und der Britin Jessica Fox auf dem Bronzeplatz.
Mit tränenerstickter Stimme kommentierte Funk anschließend ihr derart missglücktes Olympia-Finale: „Ich bin sehr gut in meinen Lauf gekommen, bin eine sehr gute Linie gefahren. Leider habe ich im letzten Streckenabschnitt dann doch das Risiko gesucht und das hat sich leider nicht ausgezahlt. Es war leider ein bisschen zu viel. Ich muss sagen, ich hab leider nicht einmal gemerkt, dass mir der Stab noch über den Helm gerutscht ist. Mir war im ersten Moment nicht bewusst, dass das gleich 50 Strafsekunden waren.“ Sie hatte unterwegs nur mit zwei Strafsekunden wegen einer Berührung gerechnet. Erst als sie im Ziel das Video gezeigt bekam, musste sie erkennen, dass das Missgeschick deutlich kostspieliger war. „Das tut weh. Mich ärgert der Fahrfehler, die Linie war nicht gut. Der elfte Platz, ich hab’ mehr drauf“, haderte Funk mit sich selbst.
Mit einem überragenden Lauf in der schnellsten Zeit ohne Fehler hatte Ricarda Funk (KSV Bad Kreuznach) noch den Halbfinallauf im Wassersportstadion von Vaires-sur-Marne gewonnen. In 99,31 Sekunden war die amtierende Olympiasiegerin von Tokio schneller als die gesamte Konkurrenz gewesen. So ging Funk im Finale als Letzte an den Start. Da aber hatte die Australierin Jessica Fox mit der Wut im Bauch über ihren achten Platz im Halbfinale schon eine Fabelzeit von 96,08 Sekunden in den Kanal gezaubert. Diese konnte am Ende keine Kanutin mehr unterbieten. Alle nachfolgenden Paddlerinnen bissen sich daran die Zähne aus, auch die tief enttäusche Titelverteidigerin Ricarda Funk.
Die Medailenhoffnungen des Kanuslalom-Teams ruhen nun auf dem Augsburger Sideris Tasiadis
Nun liegen die nächsten Edelmetall-Hoffnungen auf dem zweifachen olympischen Medaillengewinner Sideris Tasiadis von Kanu Schwaben Augsburg. Der überzeugte bereits in seinen ersten Qualifikationsrennen im Canadier Einer. Diese Aufgabe für den Weltmeister von 2022 war angesichts des Wettkampfmodus aber auch nicht allzu schwer. Bei den C1-Männern qualifizierten sich die besten 16 von 20 für das Halbfinale und Finale am Montag. Mit zwei sicheren Läufen auf der künstlichen Olympiastrecke im Wassersportstadion von Vaires-sur-Marne rund 30 Kilometer entfernt von Paris sicherte sich der 34-jährige Routinier den siebten Rang im Gesamtklassement und damit die Startberechtigung fürs Halbfinale.
Olympiahoffnungen in Paris: Funk und Tasiadis glänzen
Wichtig war Tasiadis, dass er in beiden Läufen fehlerfrei geblieben war. So kann er nun am Montag (ab 15.30 Uhr) mit voller Motivation um die Medaillen kämpfen. „Ich habe konstant die gleiche Leistung gebracht, das ist erst einmal wichtig, um in die Wettkämpfe reinzukommen. Es ist erst einmal egal, ob man die Quali gewinnt oder verliert.“ Konzentriert und mit Bedacht wolle er sich bis ins Finale vorarbeiten, nicht gleich von Anfang an gleich volles Risiko zu gehen wie manchmal in anderen Wettkämpfen. „Ich habe in der Vergangenheit schon mal den Fehler gemacht, in der Quali zu fahren, was geht. Jetzt will ich Schritt für Schritt eine Runde weiterkommen“, so Tasiadis. Denn sollte man auf dem Olympiaparcours unvorsichtigerweise auch nur kurz in einer Walze hängen bleiben, seien schnell sechs Sekunden verloren. „Die holst du nicht mehr auf“, sagt Tasiaids.
Der Augsburger Sideris Tasiadis bedauert den Regen im Canadier-Halbfinale
Die Rolle des Qualifikationssiegers übernahm im Canadier Einer der Männer der Franzose Nicolas Gestin. Unter dem ohrenbetäubenden Lärm der 14.000 Menschen, die bereits zu den Vorläufen ins Stadion fanden, jagte er zweimal fehlerlos und in der schnellsten Zeit seine Heimstrecke nach unten. Das Publikum bedachte allerdings auch die Paddler und Paddlerinnen der anderen Nationen mit lautstarken Anfeuerungsrufen. „Das Gefühl, mal wieder vor so vielen Zuschauern an den Start zu gehen, war einfach geil. Man muss das aufsaugen und mitnehmen. Für mich ist das keine Hemmung, sondern Motivation“, sagte Tasiadis.
Lediglich das Wetter ließ ihn den Kopf schütteln. „Leider hat es wieder mal geregnet. Der Regen bleibt uns dieses Jahr irgendwie erhalten“, sagte er mit Blick auf die deutsche Qualifikation und den Kanu-Weltcup in seiner Heimatstadt Augsburg, als es tagelang wie aus Kübeln geschüttet hatte. Dafür könnten die Wetteraussichten für seinen olympischen Wettkampf am Montag besser nicht sein, in Paris werden Temperaturen um die 30 Grad erwartet.
Die Halbfinal- und Finalstrecke im olympischen Kanuslalom ist deutlich schwerer geworden
Einen Blick auf die Wettkampfstrecke konnte Tasiadis schon werfen, denn die Canadier-Männer fahren am Montag denselben Kurs wie die Kajak-Frauen am Sonntag. Der ist deutlich schwerer geworden im Vergleich zur Qualifikation. „Die Tore wurden leicht versetzt, mehr abwärts und auch enger gehängt“, erklärt Bundestrainer Klaus Pohlen. „Es geht an zwei Stellen darum, eine Rückwärtsdrehung zu erzwingen. Und auch im Schlussbereich, wenn man schon müde wird, sind die Tore so gesetzt, dass man noch einmal alle Sinne beisammen haben muss.“
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