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Olympia 2022: Wie das deutsche Langlauf-Team sich zur Goldmedaille tanzte

Olympia 2022

Wie das deutsche Langlauf-Team sich zur Goldmedaille tanzte

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    So freut sich das Gold-Duo im Skilanglauf, Katharina Hennig (links) und Victoria Carl, über den Sprint-Sieg.
    So freut sich das Gold-Duo im Skilanglauf, Katharina Hennig (links) und Victoria Carl, über den Sprint-Sieg. Foto: D. Karmann, dpa

    Katharina Hennig hatte sich eine graue Decke umgeworfen. Sie war gerade in den Zielbereich gekommen, fertig mit ihrem Teil der Sprintstaffel. Kurz die Decke über die Schultern, es war wieder bitterkalt an diesem Nachmittag, und dann mitfiebern. Mit Victoria Carl, die gerade auf der Schlussrunde war. Carl kämpfte gegen die Schwedin Jonna Sundling und die Russin Natalia Nepryaeva. Hennig sprintete kurz vor die Ziellinie.

    Sie feuerte ihre Teamkollegin an. Und Carl wuchs über sich hinaus. Sie gewann den Zielsprint, sie führte die deutschen Frauen zur Goldmedaille im klassischen Teamsprint vor Schweden und Russland. Eine Sensation. Die nächste nach der Silbermedaille vor wenigen Tagen mit dem Team.

    Hennig und Carl fielen sich um den Hals. Beide lagen im Schnee. Beide konnten es nicht fassen, was sie da geschafft hatten. Immer wieder griff sich Hennig ungläubig an den Kopf. Gold? Bei Olympia? Ein Wahnsinn. Beide schrien, Teammitglieder der deutschen Mannschaft standen auf der kleinen Tribüne und jubelten ihnen zu. Mit einem solchen Erfolg hatte kaum einer gerechnet. Bundestrainer Peter Schlickenrieder hatte am Mittwoch Geburtstag. Ein besseres Geschenk konnte er sich nicht vorstellen.

    Die Enttäuschung bei der Heim-WM ist noch nicht lange her

    Zwei Medaillen für das Langlauf-Team, damit hatte keiner gerechnet. "Wir sind deutlich vor dem Zeitplan", sagte Schlickenrieder. Vor einem Jahr war die Heim-Weltmeisterschaft in Oberstdorf enttäuschend verlaufen. Die Lockerheit fehlte, der Spaß am Langlaufen. Das hat sich geändert und damit dafür gesorgt, dass das deutsche Langlaufteam wieder zur Weltspitze gehört. Zumindest bei den Frauen. "Wir haben den Spaß und die Lockerheit wiedergefunden", sagte Schlickenrieder. Auch wegen besonderer Maßnahmen. Jeden Tag um zehn vor zehn trafen sich die Langläuferinnen im Teamquartier zum Tanzen.

    Zehn Minuten Gaudi haben, wie Schlickenrieder erklärte. Die Playlist hatte Frauentrainer Erik Schneider zusammengestellt. Mal Salsa, mal Techno, mal Hardrock – das Programm war breit gefächert. Einmal übernahm die Oberstdorferin Coletta Rydzek die Rolle als DJ. Das gemeinsame Tanzen erfüllte seinen Zweck.

    "Die Lockerheit war da, das hat viel gebracht. Wir waren nicht nervös, sondern hatten klare Pläne und Aufgaben. Dafür wurden wir belohnt", sagte Hennig. Eigentlich hätte sie zusammen mit Katherine Sauerbrey laufen sollen. Der Olympia-Neuling fühlte sich aber nicht fit genug, die Trainer änderten die Aufstellung. Am Morgen erfuhr Victoria Carl, dass sie dabei sein würde. Ein Wechsel, der sich auszahlte. "Victoria macht hier bei Olympia etwas, was sie noch nie gemacht hat. Sie hält sich an die Taktik, die wir gemeinsam erarbeitet haben" sagte Schlickenrieder. Früher war Carl stürmisch losgelaufen, "bis der Mann mit dem Hammer kam", so der Bundestrainer. Bis ihr also die Kräfte ausgingen. Diesmal aber ging sie die Rennen ruhig an. Ganz so, wie es in der Höhe und auf der anspruchsvollen Strecke nötig war.

    So hatte sie die Kraft, am Ende den Sprint gegen die eigentlich stärkere Schwedin Sundling zu gewinnen. Wichtig war auch, dass Carl den Zehn-Kilometer-Lauf ausgelassen hatte. Es sei ein harter Kampf gewesen, sie davon zu überzeugen, sagte Schlickenrieder. Am Mittwoch aber hatte es sich ausgezahlt. Die Einsatzzeiten dosieren, auch das ist ein Teil des Erfolgspuzzles. Gerade in der Höhe von 1700 Metern, was die Aufgaben noch anstrengender macht. Ebenso wichtig ist die enge Betreuung, stets ein offenes Ohr zu haben. Wenn es sein muss, auch nachts um drei. Wenn eine enttäuschte Athletin Gesprächsbedarf hat, weil sie mit der eigenen Situation unzufrieden ist.

    Das Langlauf-Team hatte sich akribisch auf Olympia vorbereitet. Die letzten Tage vor der Abreise nach China verbrachten die Läuferinnen und Läufer in Davos. Sie waren lange getrennt von Familie und Freunden. Das Risiko einer Ansteckung mit Covid sollte so gering wie möglich gehalten werden. Auch das zahlte sich aus.

    Olympia 2022: Jeder muss einen Teil beitragen

    Der Teamgedanke ist entscheidend. Das betonte Schlickenrieder, das betonten auch Carl und Hennig. "Jeder muss mitziehen, jeder muss seinen Teil beitragen", sagte der Bundestrainer. Nur so sei es möglich, die eigentlich übermächtige Konkurrenz aus Russland oder Norwegen zu besiegen. "Die haben mehr Geld und mehr Manpower", sagte Schlickenrieder. Nur gemeinsam lässt sich dagegen angehen. Gerade den deutschen Frauen ist das gelungen. Während sie Gold gewannen, schieden die beiden Männer Janosch Brugger und Albert Kuchler frühzeitig aus. Im Halbfinale hatte Brugger einen Ski verloren, was ihm schon vor einem Jahr bei der WM in Oberstdorf passiert war.

    Während die beiden Männer frustriert verschwanden, war der Jubel bei den Frauen riesig. "Unser Team war so kompakt wie lange nicht mehr aufgestellt", sagte Katharina Hennig. Das war die Grundlage des großen Erfolgs. Und das ausgerechnet an Schlickenrieders Geburtstag. 52 Jahre wurde er alt. Und er gab gleich noch das Motto für den Abend aus: "Heute wird Geburtstag gefeiert und getanzt." Geübt hatten sie ja schon jeden Tag dafür. Immer zehn Minuten lang.

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