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Interview: DOSB-Chef zu Olympia: "Wir werden uns vor die Athleten stellen"

Interview

DOSB-Chef zu Olympia: "Wir werden uns vor die Athleten stellen"

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    Ist Nachfolger von Alfons Hörmann als DOSB-Präsident: Thomas Weikert.
    Ist Nachfolger von Alfons Hörmann als DOSB-Präsident: Thomas Weikert. Foto: dpa

    Herr Weikert, Sie brechen am Montag nach Peking zu den Olympischen Spielen auf. Erstmals werden Sie dort als DOSB-Präsident vor Ort sein. Mit welchen Gefühlen werden Sie in das Flugzeug steigen?

    Weikert: Die Gefühle sind natürlich durchaus gemischt. Erst einmal ist es sehr wahrscheinlich schwieriger, gesund in die Blase hinein zu kommen als dort dann gesund zu bleiben. Ich werde wie alle im Team kurz vorher zwei PCR-Tests machen, dann am Pekinger Flughafen einen, dann abends im Hotel wieder einen. In China wird die Blase sehr dicht sein, die Untersuchungen sehr genau. Vor Ort wird es vermutlich nicht viele Ansteckungen geben, das wird sehr gut organisiert sein.

    Vorfreude klingt anders...

    Weikert: Ich war schon bei mehreren Olympischen Spielen. Da hat man sich auf die Zuschauer gefreut, auf die Leistungen der Athleten. Das ist hier natürlich ein wenig anders und war auch in Tokio schon so. Trotzdem gab es dort dankbare Stimmen der Athletinnen und Athleten. Es wäre ein großer Erfolg, wenn sich das wiederholt.

    Sie kennen China und die chinesische Seele sehr gut. Wie gehen die Gastgeber mit dieser Situation um?

    Weikert: Zum einen sind die Tests und das ganze Drumherum sehr streng und sehr genau. Wir hatten in China zwei Tischtennis-Events während der Pandemie und da war die Organisation unheimlich sorgfältig und akribisch. Auf der anderen Seite weiß ich, dass die Chinesen gerne jubeln wollen. Für ihre Landsleute, auch wenn die chinesischen Wintersportler nicht unter den ersten Fünf im Medaillenspiegel dabei sein werden. Aber es gibt auch Goldfavoriten. Dass sie die nicht feiern können, bedauern die Chinesen sehr.

    "Wir wissen auch, dass das Quarantäne-Hotel nun gut ist"

    Vergangenen Sommer hat sich die Situation vor Ort in Tokio letztlich deutlich entspannter dargestellt als im Vorfeld befürchtet. Könnte das in Peking auch der Fall sein?

    Weikert: Diese strengen Maßnahmen sind ja gut, damit jeder gesund bleibt. Das halte ich für absolut notwendig. Wir wissen jetzt, weil es bei der Anreise einen positiven Fall im Betreuerstab gab, dass die Tests vernünftig ablaufen. Wir wissen auch, dass das Quarantäne-Hotel nun gut ist. Wir hatten die Zustände bei den Testwettkämpfen angesprochen und hatten dann eine Videokonferenz mit dem chinesischen Sportminister, in der er sinngemäß und erstaunlicherweise gesagt hat, dass das nicht gut gewesen sei und nicht mehr vorkommen werde. Von daher glaube ich auch, dass es sich ein bisschen entspannen wird.

    Es dürfte ja auch nicht im Interesse des Veranstalters sein, dass diese Spiele als Omikron-Skandalspiele in die Geschichte eingehen. Besteht da nicht vielleicht sogar die Gefahr, dass gar nicht alle positiven Tests die Öffentlichkeit erreichen werden?

    Weikert: Gute Frage. Es ist so, dass es einige Stunden nach einem positiven Test einen zweiten Test gibt. Wenn der dann auch positiv ist, kann man ein internationales Gremium anrufen. Es ist reine Spekulation, aber ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die Tests wie schon in Tokio vernünftig ablaufen und Transparenz hergestellt wird.

    Zeigte sich vor den Olympischen Spielen besorgt: Der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier.
    Zeigte sich vor den Olympischen Spielen besorgt: Der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier. Foto: Maximilian Haupt, dpa (Archivbild)

    Der deutsche Alpin-Chef Wolfgang Maier hat Befürchtungen geäußert, mithilfe manipulierter PCR-Tests könnten unliebsame Athleten leicht aus dem Verkehr gezogen werden. Können Sie das nachvollziehen?

    Weikert: Das hat ja der Skiverband selbst richtiggestellt. Natürlich haben Athletinnen und Athleten Sorge, dass in China alles gut wird. Dass sie gut behandelt werden und dass sie gesund bleiben. Aber ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben, kann man das sicher nicht sagen.

    Wie fanden Sie dann die Aussage von Maier, der ja vielen Athleten aus der Seele gesprochen hat?

    Weikert: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, dass die Anspannung verständlicherweise auch bei Wolfgang Maier der Grund dafür gewesen sein muss, dass er das so artikuliert hat. So sehr ich dafür Verständnis habe, so sehr rate ich aber dazu, auf Spekulationen zu verzichten. Was wir wissen ist, dass es dort zwei Tests und dann die unabhängige Nachkontrolle gibt. Ich halte es für realistisch, dass das dort alles in richtiger Weise abläuft.

    Nehmen Sie am Montag eigentlich Ihr privates Handy mit nach China?

    Weikert: Ja, das nehmen ich mit. Wir haben uns vom Bundesamt für Sicherheitstechnik beraten lassen. Es rät zur Vorsicht. Bei mir ist das Kind quasi schon in den Brunnen gefallen, ich weiß von meinen Reisen, dass Kontrollen in China durchaus möglich sind, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. Ich habe flapsig gesagt, dass die über mich eh schon alles wissen ...

    Viele Athletinnen und Athleten lassen ihre Handys zuhause und haben Angst davor, sich in China zu äußern. Sie fürchten Repressalien. Was raten Sie Ihren Sportlern?

    Weikert: Wir haben die Athleten vorbereitet mit Experten vom Auswärtigen Amt und Human Rights Watch, die sich in China auskennen. Bei Olympischen Spielen gilt Meinungsfreiheit beispielsweise in Interviews oder Pressekonferenzen. Unsere Sportlerinnen und Sportler können sich auch politisch äußern. Sie können es aber auch lassen und sich auf den Sport konzentrieren. Beides werden wir respektieren. So oder so – wir werden uns vor die Athleten stellen und sie schützen.

    Drohen denn Sanktionen, wenn Athleten aus Sicht der Veranstalter das Falsche sagen?

    Weikert: Ich kann mir das nicht vorstellen. Es gab ja eine Äußerung von einem Offiziellen, der zum Organisationskomitee gehört. Das IOC hat das zurückgewiesen. Ich verlasse mich darauf, dass die Verträge, die das IOC mit den Organisatoren geschlossen hat, eingehalten werden.

    Werden Sie sich zur Menschenrechtslage in China klar positionieren?

    Weikert: Wir haben eine Stellungnahme veröffentlicht, in der unter anderem steht, dass die Einhaltung der Menschenrechte unverzichtbar ist. Ansonsten werden wir uns vor Ort punktuell und von der Situation abhängend äußern oder nicht.

    Xi Jinping, Präsidenten von China, trifft Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
    Xi Jinping, Präsidenten von China, trifft Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Foto: Zhang Ling, XinHua, dpa

    Wie ist denn da Ihre Beziehung zu Thomas Bach? Sie verlassen sich ja auf die Verträge, die er für das IOC geschlossen hat.

    Weikert: Ich habe mit Thomas Bach in den letzten Wochen mehrfach telefoniert und auch die Sorgen der deutschen Athleten zum Ausdruck gebracht.

    Es ist schon auffällig, dass sich das IOC in letzter Zeit mit politischen Äußerungen zurückhält. Vermissen Sie da klare Worte?

    Weikert: Es gibt ja mehrere Möglichkeiten zu handeln. Mehr im öffentlichen Bereich. Und eben die stille Diplomatie, von der ich weiß, dass sie Thomas Bach bevorzugt. Wenn man im Stillen Veränderungen erreicht, ist das auch eine gute Sache.

    Aber 2008, bei den Sommerspielen in Peking, brachte diese stille Diplomatie doch auch nicht den erhofften Erfolg. Warum schlägt man denn diesmal keinen anderen Ton an.

    Weikert: Schwierig. Ich glaube, dass im Hintergrund doch viel gearbeitet wird. Ich weiß gar nicht, ob Thomas Bach 2008 schon Präsident war...

    Vize-Präsident ...

    Weikert: Okay. Er hat sicher seinen eigenen Stil gefunden. In Deutschland steht das IOC wegen Peking sehr in der Kritik, aber wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass es für diese Spiele 2022 nur noch zwei Kandidaten gab: Kasachstan mit Almaty und China mit Peking. Auch Kasachstan wäre kein demokratischer Staat.

    Es geht ja darum, Veränderungen zu erwirken.

    Weikert: Aber das IOC hat doch seine Meinung schon geändert. Das wird aus der Agenda 2020 und 2025 ersichtlich. Und daraus, wohin die Spiele seit Peking gehen. Mit Mailand und Cortina sowie den Sommerspielen in Paris, Los Angeles und Brisbane sind die ersten Erfolge ja zu sehen.

    Jetzt geben Sie aber den Top-Diplomaten... Zugespitzt gefragt: Sehen Sie Thomas Bach denn eher auf Ihrer Seite oder auf der Seite des Veranstalters?

    Weikert: Zugespitzt geantwortet: Es geht doch hierbei nicht um für mich oder gegen mich, sondern um die Sache - Olympia. Dafür hat Thomas Bach ein Mandat. In den Gesprächen mit Herrn Bach kommt durchaus zum Ausdruck, dass er die Probleme kennt und dass das IOC kein Interesse an schlechten Spielen hat.

    Hat sich für eine Teilnahme an den Spielen in Peking entschieden: Natalie Geisenberger im Eiskanal.
    Hat sich für eine Teilnahme an den Spielen in Peking entschieden: Natalie Geisenberger im Eiskanal. Foto: Friso Gentsch/dpa

    Auch Rennrodlerin Natalie Geisenberger hat wohl mit Thomas Bach gesprochen, weil sie arge Zweifel hatte, ob sie überhaupt nach China möchte. Bräuchte es mehr von diesen mündigen, vielleicht auch leicht aufmüpfigen Sportlern?

    Weikert: Ob sich ein Athlet oder eine Athletin einbringt, ist erst einmal eine persönliche Sache. Immerhin sind im Gespräch zwischen den beiden anscheinend Probleme ausgeräumt worden.

    Zum Sport: Was erwarten Sie denn von den deutschen Athleten?

    Weikert: Dirk Schimmelpfennig, unser Chef de Mission, der den Sport besser einschätzen kann, sagt, wir sollten uns irgendwo zwischen Sotschi und Pyeongchang bewegen, was die Medaillenausbeute angeht. Zwischen den Plätzen zwei und sechs im Medaillenspiegel zu landen, wäre gut. Aber von Medaillenzählerei halte ich nicht sonderlich viel. Ein mindestens genauso wichtiges Ziel ist in meinen Augen, die Athleten alle gesund dorthin und wieder zurück zu bringen.

    Auf was freuen Sie sich am meisten bei diesen Spielen?

    Weikert: Kann ich schwer sagen. Ich bin ja neu im Wintersport. Die Geschwindigkeit bei Ski alpin finde ich beeindruckend, auch Bob und Rodeln habe ich noch nie live gesehen. Vielleicht mal ein Eishockey-Spiel...

    Welchen Wintersport üben Sie selbst gelegentlich aus?

    Weikert: Ich war schon mehrere Jahre nicht mehr Skifahren. Leider. Und Joggen, Radfahren und Tischtennis gehören glaub auch nicht zum Wintersport (lacht).

    Kündigte seinen Abschied als DOSB-Präsident an: Alfons Hörmann.
    Kündigte seinen Abschied als DOSB-Präsident an: Alfons Hörmann. Foto: Fabian Strauch, dpa

    Zu Alfons Hörmanns Vorwürfen: "Es werden keine Belege dafür da sein"

    Tja, aller Anfang ist schwer. Haben Sie sich von Ihrem Vorgänger Alfons Hörmann denn noch ein paar Tipps vor Ihren ersten Spielen geholt?

    Weikert: Ich habe mit Alfons Hörmann nach der Wahl gesprochen, aber nicht über dieses Thema.

    Sondern?

    Weikert: Es war ja eine ordnungsgemäße Übergabe zu machen. Das waren sehr ordentliche Gespräche im Hinblick auf die Problemlagen, die es im DOSB aufzuarbeiten gilt. Aber aus solchen Vier-Augen-Gesprächen muss ja nicht zwingend was an die Öffentlichkeit.

    Dann verraten Sie uns doch bitte, wie weit der Prozess hausintern fortgeschritten ist. Ist das Klima der Angst weg?

    Weikert: Das eine war die Führungskrise, das andere sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Letztere arbeiten sehr gut und wickeln die Projekte ab. Es war schon eine gewisse Verunsicherung da. Ich habe viele Gespräche geführt und glaube, dass alles auf einem guten Weg ist.

    Herr Hörmann spricht ja immer noch von einer Kampagne gegen ihn. Befürchten Sie, dass da noch was kommt?

    Weikert: Ich konnte das seinerzeit nicht nachvollziehen und kann es auch heute nicht. Ich befürchte für Herrn Hörmann: Es werden keine Belege dafür da sein, weil es nichts zu belegen gibt.

    Noch zu Ihrer Hauptaufgabe. Sie müssen den deutschen Sport retten, weil Corona riesige Lücken hinterlassen hat. Wie dramatisch ist die Lage?

    Weikert: Nicht mehr ganz so schlimm. Es gibt auch für 2021 einen leicht negativen Trend bei den Mitgliederzahlen, aber schwächer als 2020. In einigen Bundesländern wie Hessen gibt es sogar leichte Zuwächse. Aber die Folgen sind beträchtlich: Wir müssen vor Ort die Leute zurückholen in die Vereine. Die Mitglieder genauso wie die Übungsleiter oder Platzwarte, die hingeworfen haben. Eine Hauptaufgabe wird es sein, das Ehrenamt vielfältig zu stärken - mit Steuerfreibeträgen, Rentenpunkten, aber auch ideeller Anerkennung.

    Und der Nachwuchs?

    Weikert: Ja, wir haben genug Kinder, die ab 14 Uhr trainieren wollen, aber wir haben niemanden, der sich um diese Zeit um sie kümmert. Da müssen wir neue Kooperationen mit den Schulen hinbekommen. Für Kinder, Jugendliche, Vereine, Sportstätten, Schwimmbäder und vieles mehr muss dringend etwas geschehen, das ist eine unserer ganz großen Herausforderungen. Das ist das Fundament, ohne das werden wir sonst in absehbarer Zeit auch keine interessanten Interviews über Olympia mehr führen.

    Zur Person: Thomas Weikert ist als Nachfolger des zuletzt umstrittenen Alfons Hörmann aus Sulzberg (Oberallgäu) seit Dezember 2021 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Der 60-Jährige aus Limburg (Hessen) arbeitet als Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Familien- und Sportrecht. Weikert war sechs Jahre lang Präsident des Welt-Tischtennisverbandes und hält den Kontakt zur Basis als Spieler für den Verbandsligisten TTC Elz.

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