Bei minus zehn Grad wirkt die Kleidung reichlich dünn. Eine Uniformjacke, darunter ein Hemd und eine Krawatte. Auf dem Kopf eine Mütze, die auch nicht die Ohren bedeckt, sondern eher schmückenden Charakter hat. Sechs Soldaten stehen in ihrer Ausgehuniform in der chinesischen Nacht und warten darauf, etwa alle 15 Minuten drei Fahnen in die Höhe zu ziehen. Sobald die Hymne des Olympiasiegers erklingt, sind die Herren gefragt. Sie stehen stramm, bringen die Fahnen in Bewegung und salutieren. Ist alles vorbei, packen sie die Fahnen wieder weg und marschieren im Gleichschritt davon. Alles geübt, alles fehlerfrei. Alles andere würde sicherlich auch Ärger mit dem Herrn daneben einbringen, der die Zeremonie überwacht.
An jedem Abend der Olympischen Spiele findet auf der Medals Plaza in den Bergen von Zhangjiakou die Übergabe der Medaillen statt. Eine exakte Kopie steigt zeitgleich in Peking im Olympiapark. Auf großen Leinwänden wird das Geschehen an beiden Standorten übertragen. Glückliche Sportlerinnen und Sportler stehen auf einer riesigen Bühne, davor warten handverlesene Gäste. Jeder Athlet darf zehn Begleiter bestimmen, hinzu kommen ein paar Einheimische sowie Volunteers, ohne die Olympische Spiele gar nicht mehr denkbar wären. Prächtig ist die Stimmung nicht. Die paar wenigen Zuschauerinnen und Zuschauer tun aber ihr Möglichstes. Fahnen haben sie mitgebracht, zudem Klatschhände aus Plastik, die ordentlich Lärm machen. Besser als nichts.
Vinzenz Geiger mit Gänsehaut auf der Bühne
Am Donnerstagabend war Vinzenz Geiger einer der Ehrengäste. Er eröffnete den feierlichen Abend mit seiner Medaillenübergabe. Der Oberstdorfer hatte sich den Olympiasieg in der Nordischen Kombination geholt. Um kurz nach halb acht marschierte Geiger auf die Bühne. Ein besonderer Moment. "Es ist unbeschreiblich. Es ist ganz besonders. Man bekommt Gänsehaut, wenn man nach vorne läuft und die Musik beginnt", erzählte Geiger.
Es hat sicherlich schon Olympische Spiele mit stimmungsvolleren Medaillenübergaben gegeben. Aber auch hier sind die Regeln wegen Corona streng. Das beginnt bereits beim Einlass, bei dem die chinesischen Sicherheitskräfte ganz genau kontrollieren. Ähnlich wie vor einem Flug wird jeder Gast durchgecheckt, das Gepäck genau kontrolliert. Sonst sind die Sicherheitskontrollen eher zurückhaltend. Sind ja eh alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einer Blase, wer soll da schon gefährliche Gegenstände plötzlich einschleusen können?
Zwei Mannschaftskollegen fehlen bei der Siegerehrung
Die Goldmedaille musste sich Geiger selbst von einem Tablett nehmen, das ihm das finnische IOC-Mitglied Sari Essayah entgegenhielt. Mit auf der Bühne war als Gratulant DSV-Präsident Franz Steinle. Aber auch er durfte wegen der Pandemie die Blumen nicht überreichen, Geiger musste sie sich selbst nehmen. Es sind besondere Zeiten. Den Abend hat Geiger trotzdem genossen. Auch wenn nur wenige Leute dabei waren. "Die richtigen waren da", sagte er. Sein enges Umfeld war dabei, natürlich alle Teamkollegen. Nur Terence Weber und Eric Frenzel fehlten, sie sind weiterhin in Quarantäne.
Der Moment, als Geiger auf der Bühne stand, brachte ihm weitere Gewissheit. Ja, er hat tatsächlich Gold gewonnen. Zumindest baumelte die Medaille um seinen Hals. "So langsam realisiere ich es", sagte der 24-Jährige vom SC Oberstdorf. Nur einen Platz für seine Medaille muss er noch finden. "Wahrscheinlich kommt sie in den Schrank", sagte er und lachte.
Zwei Wettkämpfe stehen in der Kombination an. Kann gut sein, dass Geiger noch einmal auf die Medals Plaza zurückkehrt. Als Ehrengast. Und mit freiem Blick auf die Soldaten, die im Idealfall die deutsche Fahne in der Mitte nach oben ziehen.