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Novak Djokovic gewinnt - zumindest auf den ersten Blick

Australian Open

Djokovic gewinnt – zumindest auf den ersten Blick

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    Einer von vielen Rekorden: Insgesamt neun Mal gewann Novak Djokovic die Australian Open. Ob ein zehnter Titel dazukommt, hängt nicht allein an seinem spielerischen Können.
    Einer von vielen Rekorden: Insgesamt neun Mal gewann Novak Djokovic die Australian Open. Ob ein zehnter Titel dazukommt, hängt nicht allein an seinem spielerischen Können. Foto: James Ross, dpa

    Seit vielen Jahren werden die Bosse der Australian Open nicht müde, ihr Turnierspektakel als „Happy Slam“ zu vermarkten. Als Gute-Laune-Veranstaltung mit sommerlich-entspanntem Flair, mit erwartungsfrohen Fans aus aller Welt und sportlich elektrisierender Hochspannung. Was dem ersten Major-Turnier der Saison nun aber ab dem kommenden Montag blühen könnte, darauf bekam nicht nur die Tenniswelt am Montagabend in Melbourne einen unwillkommenen Vorgeschmack: Kaum hatte sich die Nachricht von Novak Djokovics juristischem Sieg gegen das australische Innenministerium um die verweigerte Einreise verbreitet, rückten ganze Heerscharen von Djokovic-Fans in Richtung der Anwaltskanzlei vor, in der sich der neunmalige

    Die Stimmung war aufgeheizt, Gerüchte über eine neuerliche Arrestierung Djokovics wurden lanciert. Und als dann eine Limousine die Tiefgarage des Gebäudes in der Collins Street verließ, vermeintlich mit dem wieder festgesetzten Champion, kam es zu wilden Scharmützeln und Tumulten der meist serbischen Protestierenden mit der Polizei. Auch Pfefferspray wurde gegen die aggressiven Demonstranten eingesetzt, einer der Randalierer trampelte sogar auf dem Dach der Luxuslimousine herum. Was, so fragten sich Beobachter, würde erst bei den Auftritten Djokovics im National Tennis Center am Yarra River passieren?

    Chaotische Szenen spielten sich vor dem Bürogebäude der Anwälte von Novak Djokovic in Melbourne ab.
    Chaotische Szenen spielten sich vor dem Bürogebäude der Anwälte von Novak Djokovic in Melbourne ab. Foto: Mark Baker, dpa

    Am Ende des fünften chaotischen Tages in der Einreise-Affäre gab es jedenfalls nur auf den ersten Blick einen Gewinner, Djokovic nämlich, der zunächst ein freier Mann war, dessen Widerspruch gegen das Einreiseverbot schließlich von Richter Anthony Kelly stattgegeben wurde. Der "noch alles hätte tun sollen" um ins Land zu kommen, aber diese Anmerkung war tatsächlich ohne Relevanz. Denn es ging vorderhand nicht um die Legitimation des Visums, um Djokovics Impfstatus oder sein Verhalten nach seiner nunmehr zweiten überstandenen Virusinfektion, sondern um einen Verfahrensfehler der "Australian Border Force" – die Grenzschützer hatten dem 34-jährigen Superstar in jener denkwürdigen Nacht am Tullamarina Airport nämlich nicht genügend Zeit gegeben, sich mit Anwälten zu beraten und schon da Einsprüche vorzubereiten.

    In den Gerichtsunterlagen war fein säuberlich dokumentiert, dass Djokovic zunächst am Einreiseschalter protestierte, dass ihm um 4 Uhr morgens nur eine 20-minütige Frist zugestanden wurde, seinen Einreisewunsch mit den nötigen Dokumenten zu belegen. Später wurde ihm dann zugesagt, er habe bis um 8.30 Uhr Zeit. Doch um genau 6.14 Uhr wurde er dann jäh ein weiteres Mal befragt, mit dem Effekt, dass ihm am Donnerstagmorgen um genau 7.42 Uhr eröffnet wurde, es werde kein Visa zugeteilt. Er habe sich stattdessen in ein Abschiebehotel zu begeben.

    Die große Frage, ob die Entscheidung des "Federal Circuit and Family Court of Australia" nun wirklich ein nachhaltiger Triumph des Belgrader Ausnahmespielers war oder bloß ein trügerischer Etappensieg, blieb freilich offen . Denn schon während der Verhandlung hatte die australische Regierung erklärt, sie behalte sich das Recht vor, mit Exekutivgewalt Djokovic doch das Visum aufs Neue zu entziehen. Spekulationen, ein solcher Entzug könne sich sofort ereignen, direkt nach der Gerichtsverhandlung vor dem Ehrenwerten Anthony Kelly, bewahrheiteten sich indes nicht – der zuständige Minister Alex Hawke ließ einen Sprecher erklären, die Angelegenheit werde auf Basis der richterlichen Anordnung geprüft.

    Dabei könnten nun auch falsche Angaben auf Djokovics Einreiseformular wichtig werden. Das berichtet die Deutsche Presseagenturam Dienstag unter Berufung auf australische Medien. So habe Djokovic angegeben, 14 Tage vor dem Abflug nach Australien nicht mehr gereist zu sein. Dabei war Djokovic, der in Monaco lebt, in diesem Zeitraum offenbar in Serbien und Spanien gewesen.

    Öffentliches Auftreten statt Isolation nach positivem Corona-Befund im Dezember

    Für Djokovic legte die Verhandlung auch verräterische und gefährliche Wahrheiten offen. Denn obwohl sich der Weltranglistenerste am 16. Dezember in Belgrad um 13.05 Uhr einem PCR-Test unterzog und schon um 20.19 Uhr einen positiven Bescheid erhielt, nahm er am 17. Dezember an mehreren öffentlichen Terminen teil – anstatt sich in die notwendige Isolation zu begeben. Besonders fatal und verantwortungslos muteten die Bilder Djokovics mit erfolgreichen Tenniskids an, die in seinem eigenen Trainingscenter an diesem 17. Dezember aufgenommen wurden. Dass er akut infiziert war, darüber ließ Djokovic auch eine Delegation des französischen Fachblattes L' Équipe im unklaren, die für eine Preisverleihung und ein Fotoshooting am 18. Dezember in die serbische Hauptstadt gekommen war. Zunächst blieb offen, ob sich Djokovic wegen dieser Fehltritte womöglich noch bei den internationalen Tennis-Autoritäten rechtfertigen musste.

    Während sich in Djokovic’ Heimat die Boulevardblätter in Jubelgesängen überschlugen - der Blic etwa notierte: "Novak gewinnt, der Staat kniete nieder" -, wirkten die Perspektiven für die anstehenden Australian Open eher düster. Schon in der Vergangenheit hatte es immer mal wieder Ärger mit den erhitzten Fanbataillonen Djokovic’ gegeben, nun drohten in aufgeladener Atmosphäre Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und einheimischen Fans, die Auftritten des Impfverweigerers eher ablehnend gegenüberstanden. Aus Kreisen von Tennis Australia war zu hören, dass die Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt werden müssten, um auch eventuellen Störaktionen rasch begegnen zu können. Zahlreiche Australier hatten bereits in sozialen Medien avisiert, sie würden im Falle eines Mitwirkens von Djokovic ihre bereits gekauften Tickets zurückgeben.

    Isner über Djokovic: Gewinnen und nie wieder kommen

    Einige der üblichen Unterstützer des Serben in Profikreisen, darunter der rechtslastige Amerikaner John Isner, meldeten sich öffentlich zu Wort und erklärten, der Seriensieger solle es seinen Kritikern und dem australischen Staat jetzt "mal so richtig zu zeigen:" "Einfach gewinnen und dann nie wieder kommen", gab Isner zu Protokoll.

    Die große Mehrheit der Tenniskarawane blickte allerdings ärgerlich den Wettkämpfen entgegen, die massiv vom Fall Djokovic zu überschattet werden drohten. Schon in der vergangenen Woche war vom laufenden Tennisgeschehen auf dem Fünften Kontinent kaum Notiz genommen worden, nicht einmal vom Comebacksieg des in den Tenniszirkus zurückgekehrten Rafael Nadal bei einem Vorbereitungsturnier. Der spanische Grande hatte in der Öffentlichkeit nur Gehör gefunden, als er zur Causa Djokovic mitteilte, alles für den Konkurrenten aus Belgrad wäre sehr einfach gewesen, "wenn er geimpft gewesen wäre."

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