Vinzenz Geiger hat turbulente Tage hinter sich – mit dem Höhepunkt am Mittwoch. Weil er ein enger Kontakt zu Eric Frenzel war, der positiv auf Corona getestet wurde, musste der Allgäuer zuletzt häufig alleine sein. Im Zimmer, auf dem Weg zum Training, beim Essen. Nicht alles hat reibungslos funktioniert. Ganz im Gegensatz zu seinem Wettkampf am Mittwoch von der Normalschanze in der Nordischen Kombination. Weil er eine überragende Leistung in der Loipe zeigte, ist er nun Olympiasieger im Einzel. Mit der Mannschaft hatte der 24-Jährige schon vor vier Jahren in Südkorea Gold gewonnen.
Wer Olympiasieger wird, muss viele Termine erledigen. Geiger tat das gelassen. Er stand nach der offiziellen Pressekonferenz neben der Loipe. Um ihn herum ein Kreis deutscher Journalisten – mit Abstand und Maske. Geiger blickte noch einmal in die Loipe. Dorthin, wo ihm wenige Momente zuvor eine starke Leistung gelungen war. Wo er einen Rückstand von 1:26 Minuten nach dem Skispringen auf die Spitze aufgeholt hat. Wo er in einer fulminanten Schlussrunde noch seinem Teamkollegen Johannes Rydzek die Goldmedaille entrissen hatte. Rydzek hatte lange Zeit geführt. Er war nach dem Springen als Vierter ins Rennen gegangen. Er schien der Stärkste der Spitzengruppe. Schneller als Ryota Yamamoto sowieso, aber auch besser als der Österreicher Lukas Greiderer oder Julian Schmid (SC Oberstdorf). Bis Geiger kam.
Mit Geiger war nicht unbedingt zu rechnen
Im Ziel lag Rydzek erschöpft am Boden. Er war Fünfter geworden. In der Schlussrunde hatte er seine Führung und letztlich auch eine Medaille verloren. Geiger zog vorbei, auch der Silbermedaillengewinner Jörgen Graabak und Lukas Greiderer, der Bronze gewann. „Ich kann mir nichts vorwerfen, ich habe mein ganzes Herz reingelegt“, sagte Rydzek,´der sofort zu Geiger lief und ihm gratulierte. „Ich freue mich wahnsinnig für ihn. Das war ein Befreiungsschlag für die Mannschaft.“ Noch lieber hätte er selbst natürlich diesen gelandet. Es sollte aber nicht sein an diesem bitterkalten Abend.
Mit Geiger war nicht unbedingt zu rechnen. Nicht nach dieser Vorgeschichte. Nicht nach all den Pannen, die mit seiner Isolation zusammenhing. Im Flieger nach Peking war er neben Frenzel gesessen. Das machte ihn zu einem engen Kontakt und brachte ihn in Isolation. Immerhin aber wurde er nicht positiv getestet und musste wie Frenzel sowie Terence Weber in ein Quarantänehotel. Geiger durfte weiter trainieren, musste sich aber von seinen Kollegen fernhalten. Er bekam sogar eine eigene Umkleidekabine. Eine Isolation, die auch Probleme brachte. Er sollte alleine zur Schanze gebracht werden, landete aber beim Snowboarden. „Das war eine schlechte Organisation“, sagte er, „das hat mich auf die Palme gebracht.“ Dafür brauche es schon viel, „normalerweise bin ich immer entspannt“. Irgendwann aber verlor auch der 24-Jährige seine Geduld. „Es war echt hart. Ich hatte harte Tage. Ich habe meine Freundin ziemlich oft angerufen“, erzählte er.
Toll war es auch für den SC Oberstdorf
Von Beginn an lief er ein beherztes Rennen. Ende der dritten Runde merkte er, dass er noch nach vorne kommen könne. In der vierten Runde dachte er an Bronze – und im Ziel war es Gold. „Das war unglaublich, so ein Rennen habe ich in meiner langen Karriere noch nicht erlebt“, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch. Ihm tat es leid für Rydzek. „Er hat die letzten zwei Jahre so hart gekämpft, das ist jetzt sehr hart für ihn“, so Weinbuch. Für Geiger fand er nur lobende Worte: „Das war ein grandioser Lauf.“ Auf der Tribüne hatte IOC-Präsident Thomas Bach mitgefiebert. Er meinte: „Das war ein richtig spannendes olympisches Rennen und toll für die Nordische Kombination, sich so zu präsentieren.“
Toll war es auch für den SC Oberstdorf, für den Schmid, Rydzek und Geiger antreten. „Drei Starter, dreimal SC Oberstdorf. Darauf können wir stolz sein. Es ist halt der weltbeste Skiclub“, meinte der Olympiasieger. Mit Jarl-Magnus Riiber hat allerdings der Dominator dieses Winters wegen eines positiven Corona-Tests gefehlt. Dazu weitere drei Top-Athleten. „Das macht den Sieg nicht weniger wertvoll“, meinte Johannes Rydzek. So sah es auch Hermann Weinbuch. „Nach so einem Rennen interessiert das keinen mehr“, sagte der Bundestrainer. Vinzenz Geier ist Olympiasieger. Aus der Isolation ganz oben aufs Treppchen.