Entkräftet und enttäuscht starrten die deutschen Handballer ins Leere. Während die Schweden euphorisch feierten, endete das Heim-Turnier für die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason mit dem undankbaren vierten Platz.
Durch das 31:34 (12:18) vor 19.750 Zuschauern in Köln, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, verpasste die Nationalmannschaft zudem das direkte Ticket für die Olympischen Spiele im Sommer in Frankreich. Wie zuletzt bei der Heim-WM 2019 reichte es knapp nicht zu Bronze.
"Wir sind stolz, dass wir das Halbfinale erreicht haben. Aber heute überwiegt die Enttäuschung", sagte Kapitän Johannes Golla. Gislason verteilte in der ARD ein "Riesenkompliment" an seine Spieler für die Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit. "Wir waren dran, mehrere Male", sagte der Isländer. In der ersten Hälfte war die DHB-Auswahl mehrfach am schwedischen Torwart Andreas Palicka gescheitert.
Acht Jahre nach dem EM-Triumph in Polen klopfte die DHB-Auswahl, für die U21-Weltmeister Renars Uscins gegen Schweden mit acht Toren bester Werfer war, mit dem Einzug ins Halbfinale zwar leise in der Weltspitze an. Doch im Vergleich mit Weltmeister Dänemark und Olympiasieger Frankreich, die im Anschluss um EM-Gold spielten, sowie den Schweden fehlt dem jungen Team noch ein Stück. Auch die aufmunternden Worte von Steinmeier und der tosende Applaus der Fans bei einer abschließenden Ehrenrunde konnten die deutschen Spieler nicht trösten.
Olympia-Qualifikation für Handballer im März
Durch die Niederlage wartet auch Bundestrainer Gislason, der das Amt im Februar 2020 von Christian Prokop übernommen hatte und dessen Vertrag im Sommer ausläuft, weiter auf seinen ersten großen Erfolg. In der jetzt nötigen Olympia-Qualifikation im März trifft Deutschland in einer Vierer-Gruppe auf Kroatien, Algerien und Österreich und muss mindestens Zweiter werden.
Vor dem Anpfiff hatte noch die Jubel-Stimmung auf den Rängen überwogen, als Torwart Andreas Wolff und Spielmacher Juri Knorr für ihre Wahl ins All-Star-Team des Turniers geehrt wurden. Gislason war da schon längst im Tunnel. "Wir müssen die Lehren aus dem Dänemark-Spiel ziehen und zwei solide Halbzeiten bieten", forderte der 64 Jahre alte Isländer.
Doch das gelang der deutschen Mannschaft nicht. Vor allem bei Knorr schien das 26:29 im Halbfinale gegen Dänemark immer noch im Kopf herumzuspuken. Der 23-Jährige vom Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen konnte dem Angriffsspiel keine Impulse geben und leistete sich in den ersten 15 Minuten vier Fehlwürfe.
Mitte der ersten Halbzeit holte Gislason den Spielmacher beim Stand von 4:8 vom Parkett. Für Knorr kam Philipp Weber vom Champions-League-Sieger SC Magdeburg, der sich mit einem Tor gleich gut einführte.
Kurz darauf verstummten die Fans, als es auf den Zuschauerrängen zu einem medizinischen Notfall kam. Die Partie wurde für mehrere Minuten unterbrochen, während die Ärzte beider Teams die betroffene Person versorgten.
Überragender Schweden-Keeper
Als es weiterging, stellte Gislason im Rückraum weiter um. Sebastian Heymann und Kai Häfner, der gegen Dänemark aus privaten Gründen gefehlt hatte, kamen nun ebenfalls zum Zug. Doch im Angriff lief weiter wenig zusammen. Zudem scheiterten die deutschen Spieler immer wieder an Palicka, der einst beim THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen viele Jahre in der Bundesliga spielte.
Der 37-Jährige parierte in der ersten Halbzeit 14 Würfe und hatte entscheidenden Anteil daran, dass die DHB-Auswahl das Spiel beim 7:14 nach 22 Minuten schon frühzeitig aus der Hand gegeben hatte. Edelfan Steinmeier gab sich zur Halbzeit dennoch optimistisch. "Ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft das Spiel noch dreht", sagte er in der ARD.
Doch sein Wunsch erfüllte sich nicht. Das DHB-Team kam zwar mit Schwung aus der Kabine, konnte den Rückstand zunächst aber nicht verkürzen. Immer wieder bremste sich die deutsche Mannschaft durch eigene Fehler selbst aus, was Gislason an der Seitenlinie zur Verzweiflung trieb.
Doch dann rafften sich seine Schützlinge noch einmal auf. Beim 21:24 (43.) schien die Wende möglich. Wolff wurde im Tor immer stärker und vorn zündete endlich auch Knorr. Das Publikum pushte die Mannschaft zusätzlich. Gut sechs Minuten vor Schluss war Deutschland beim 29:30 dran. Trotz großen Kampfes reichte es aber nicht mehr zum Sieg. (Von Eric Dobias und Jordan Raza, dpa)