Bei den Löwen war neulich mal wieder Krise angesagt: Ende Oktober hatte sich ein millionenschweres Finanzloch aufgetan. Es drohte die Insolvenz, mal wieder. Der jordanische Investor Hasan Ismaik glich das Minus zwar aus und willigte dem Zuschuss ein. Zugleich forderte er mehr Mitsprache bei der Besetzung von Personalien. Es folgte ein öffentlich ausgetragener Streit. Mal wieder. Es sind Nachrichten, von denen Jürgen Pusch die Nase gestrichen voll hat. Der 58-Jährige Löwen-Fan hat dazu zusammen mit einigen Gleichgesinnten eine Initiative namens „Weiß & Blau für den TSV“ gegründet. Bei einer Auftaktveranstaltung in einer Gaststätte in Olching, rund 30 Fahrminuten vom Grünwalder Stadion entfernt, präsentierten die Sechzig-Fans ihr Konzept für den Neuaufbruch.
Der Verein soll geeint werden. Hassbotschaften wie die Fahne mit dem durchgestrichenen Kopf des Investors sollen aus dem Stadion verbannt werden. Überhaupt, Stadion. Auch da muss ein neues her. In einer neuen Spielstätte sollen die Löwen wieder attraktiven Fußball spielen und in einer Liga gegen den großen Rivalen FC Bayern München antreten. Hehre Ziele sind das. Der erste formale Schritt soll ein Posten im Verwaltungsrat des Vereins sein, die nächste Wahl steht in drei Jahren an.
Sechzig – das ist doch unser liebstes Kind!
Jürgen Pusch, 1. Vorstand des Weiß & Blau für den TSV e. V.
Pusch, seines Zeichens „Löwe der vierten Generation“, ist der erste Vorsitzende des Vereins. Mit klaren Worten wandte er sich an die rund 150 anwesenden Gäste: „Haben wir Löwen-Fans noch ein Zuhause? Ich bin der Meinung: Nein! Dabei sind wir eine der ältesten und bekanntesten Marken Deutschlands. Sechzig – das ist doch unser liebstes Kind!“
Pusch sehnt sich nach einem besseren Umgang innerhalb des Vereins. „Stellt euch vor, ihr könnt mit euren Kindern ins Stadion gehen und einfach nur Sechzig genießen – ohne Hass-Botschaften.“ Außerdem müssten die Löwen ihr geliebtes Grünwalder Stadion verlassen, vorübergehend in das Olympiastadion ziehen und dann ein eigenes Stadion bauen. „Überall in Deutschland sprießen Stadien wie Pilze aus dem Boden.“ Welche Wirkung ein neues Stadion hätte, habe man beim FC Augsburg gesehen.
Der große Grabenkampf beim TSV 1860 München
Doch innerhalb des Vereins stehen sich seit Jahren zwei Lager unversöhnlich gegenüber: auf der einen Seite die Kritiker des jordanischen Investors, zu denen der Verwaltungsrat und die Ultras zählen. Und dann gibt es die Ismaik-Befürworter, die in der Zusammenarbeit mit ihm die einzige Chance auf eine erfolgreiche Zukunft sehen.
Das zentrale Machtorgan des Vereins ist der Verwaltungsrat – ein neunköpfiges Gremium, das von den rund 16.000 Mitgliedern alle drei Jahre gewählt wird, den Präsidenten vorschlägt und entscheidende Mitsprache bei Personal- und Geldfragen hat. Aus Sicht von „Weiß & Blau“ führt der bestehende Rat unter Präsident Robert Reisinger den Klub immer weiter in die Misere. Statt sich um Sachfragen zu kümmern, beteilige sich Reisinger an den öffentlichen Streitigkeiten und schrecke dadurch neue Geldgeber ab.
Neue Fanbewegung will mit Investor Ismaik zusammenarbeiten
Pusch und seine Mitstreiter wollen diesen Trend umkehren. Peter Helfer ist Ex-Vizepräsident des TSV 1860 und ebenfalls Teil der Bewegung. Er ist überzeugt: „Die heimliche Macht im Verein liegt ausschließlich beim Verwaltungsrat.“ Nach den nächsten Wahlen soll die Mehrheit im Verwaltungsrat zu „Weiß & Blau“ gehören.
Ist das Ziel erreicht, wollen Helfer, Pusch und Co. konstruktiv mit dem jordanischen Investor zusammenarbeiten und dann ihren langjährigen Traum von Bundesligafußball im eigenen Stadion umsetzen. Weiß und Blau sei „absolut unabhängig“ und werde von niemandem bezahlt, betont Pusch. Namen für mögliche Ratsmitglieder wolle man aber noch keine nennen. „Wir geben die jetzt nicht zum Abschuss frei.“ Mitglied der Faninitiative kann nur werden, wer auch beim TSV 1860 eingetragenes Mitglied ist.
Ziel Mitgliederversammlung und Wahl des Verwaltungsrats 2027
Ein ähnliches Vorhaben ist erst bei den vergangenen Wahlen im Sommer gescheitert. Das Ismaik-Nahe „Bündnis 1860 Zukunft“ trat gegen die im heutigen Rat etablierte Gruppe „Pro1860“ an und bekam keinen einzigen Posten. Bei den weiß-blauen Unterstützern soll das besser werden. „Jetzt ist Schluss!“, kündigt Peter Helfer unter Beifall an. „Mir san‘ doch Löwen!“ Währenddessen steht vor dem Eingang des Wirtshauses ein Sicherheitsdienst. Der scheint in Zeiten der Dauerkrise auch für ein Fantreffen nötig geworden zu sein.
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