Anderswo sind sie immer raffgieriger. Während man selbst nur das Edle und Schöne im Geist hat, wird andernorts der gar nicht mal so schnöde Mammon verehrt. Karl-Heinz Rummenigge sei als Beispiel angeführt. Der hat als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern jahrelang einen beinahe sozialistischen Ansatz verfolgt. Oder wie nennt man das, wenn das eigene Wohl an erster Stelle steht? Jedenfalls fand er aus verständlichen Gründen kritische Worte, als der europäische Fußballverband Uefa einen neuen Wettbewerb ersann. Statt unsinniger Freundschaftsspiele, in denen Nationaltrainern ihren möglicherweise überbeanspruchten Akteuren eine Pause hätten gönnen können, zementierte der Verband die Nations League in den sowieso schon prall gefüllten Rahmenterminkalender.
Seit 2018 wird im Zweijahres-Rhythmus der Sieger der Nations League ausgespielt. Der Gewinner darf als Symbol seines siegreichen Auftretens eine goldene Ananas auf dem Ärmel tragen. Darf er natürlich nicht. Werbung und Witz auf Nationaltrikots sind selbstverständlich streng untersagt. Ansonsten ließe sich der schöne und reine Fußball nur allzu leicht korrumpieren. Klar, dass die Uefa keinen anderen Player duldet. Karl-Heinz Rummenigge jedenfalls war aus verständlichen Gründen die Nations League ein wertloser Dorn im Auge. „Ich sehe die inflationäre Entwicklung von Wettbewerben der Nationalmannschaften grundsätzlich kritisch“, sagte er 2018. Man bräuchte „nicht mehr Länderspiele, sondern weniger Länderspiele, denn die Spieler sind körperlich absolut am Limit. Wenn es keine Nations League geben würde, dann würde sie wohl auch niemand vermissen.“ Aber es gehe nun mal - „wie so oft“ - ausschließlich um die Finanzen.
Ja ja, wenn dieses garstige Geld nur nicht wäre, der Fußball wäre so viel reiner. Im kommenden Sommer nimmt der FC Bayern übrigens an der von der Fifa (das ist der Weltfußballverband, der sich mit der Uefa und dem führenden IOC einen Wettkampf um den sinistersten Verband liefert) organisierten Klub-WM teil. Die Teilnahmegebühr soll dem Vernehmen nach bei etwa 50 Millionen Euro liegen. Ja mei, wenn man so mit Geld beworfen wird, also ausweichen muss man halt dann auch nicht.
Joachim Löw konnte der Nations League nichts abgewinnen
Rummenigge war aber freilich nicht der einzige deutsche Fußballfunktionär, der dem neuen Wettbewerb kritisch begegnete. Viel mehr lehnte beinahe jeder diese komische Nations League ab. Den ersten Auftritten der deutschen Mannschaft folgend, konnten selbst der damalige Bundestrainer Joachim Löw und die von ihm nominierten Spieler damit reichlich wenig anfangen. Sie interpretierten die Gruppenspiele als Versuchsfeld, blöderweise wollte nur kein einziger der Versuche gelingen. Am eindrücklichsten in Erinnerung ist eine 0:6-Niederlage in Spanien. Löws Nachfolger Hansi Flick erging es nicht gar so schlimm, doch auch seine Amtszeit endete, ohne dass er in die K.o.-Runde der Nations League eingezogen wäre.
Das immerhin hat Julian Nagelsmann schon vor den beiden abschließenden Spielen am Samstag gegen Bosnien (20.45 Uhr, RTL) und kommenden Dienstag in Ungarn sicher. Von den ersten beiden Plätzen ist die deutsche Mannschaft nicht mehr zu verdrängen und bei einem Sieg in Freiburg wäre sogar der Gruppensieg geschafft. Damit will es die Mannschaft aber nicht bewenden lassen. Es soll nach einem siegreich absolvierten Viertelfinale auch die „Final Four“ getaufte Endrunde erreicht werden. Der Bundestrainer bestätigte, dass der DFB diese Art Mini-EM im Juni 2025 gerne ausrichten würde: „Wir bemühen uns drum und würden uns freuen.“ Die Chancen im Vergleich zu den vorherigen Austragungen stehen vor allem deshalb recht gut, weil die Spieler glaubhaft vermitteln, gerne zu den Terminen mit der Nationalmannschaft anzureisen.
Lediglich die Vereinstrainer sehen das mit gemischten Gefühlen. Schließlich ballen sich im Herbst des Jahres die Partien und von München über Leverkusen bis nach London wünschen sich die Übungsleiter nichts sehnlicher als gesunde und halbwegs ausgeruhte Spieler. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte Nagelsmann ganz ähnliche Wünsche, weshalb er sich „der Gratwanderung zwischen unseren Ambitionen und den berechtigten Ansprüchen der Klubs“ bewusst ist und bereit ist, „Kompromisse einzugehen“. Die Vielspieler in der Nationalmannschaft werden also wohl nicht beide Partien von Anfang bis Ende bestreiten. Der beim FC Arsenal hoch belastete Kai Havertz wird wahrscheinlich ebenso wenig zweimal über 90 Minuten auflaufen wie Jamal Musiala oder Florian Wirtz. Dass sie das aber am liebsten machen würden, das hatte Karl-Heinz Rummenigge 2018 nicht geahnt.
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