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Nationalmannschaft: Wie Deutschland und die Türkei um Fußball-Talente kämpfen

Nationalmannschaft

Wie Deutschland und die Türkei um Fußball-Talente kämpfen

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    Ilkay Gündogan führt die deutsche Nationalmannschaft als Kapitän an – auch im Länderspiel gegen die Türkei.
    Ilkay Gündogan führt die deutsche Nationalmannschaft als Kapitän an – auch im Länderspiel gegen die Türkei. Foto: Christian Charisius, dpa

    Cem Özdemir war außer sich, als er dem Spiegel das Interview gab. Es war der Oktober 2005, der heutige Landwirtschaftsminister saß damals für die Grünen im Europaparlament. Der Grund für die miese Laune des Politikers war aber ein Fußballspiel: Kurz zuvor hatte die Türkei mit 2:1 gegen Deutschland gewonnen. Bezeichnend dabei: Beide Tore für die Türken hatten Spieler erzielt, die in Deutschland geboren wurden: Halil Altintop und Nuri Sahin. Für Özdemir, der als Sohn einer Einwandererfamilie auf der Schwäbischen Alb geboren wurde und sich hörbar mit seinem Geburtsland identifiziert, ein Unding: "Wenn der DFB bei der Auswahl von Spielern schläft, ist er selbst schuld." Wenn beide Teams am Samstagabend (20.45 Uhr/RTL) in Berlin aufeinandertreffen, dürfte Özdemir etwas zufriedener auf die Aufstellung blicken als vor 18 Jahren: Mit Ilkay Gündogan wird ein türkischstämmiger Nationalspieler die DFB-Elf als Kapitän auf den Platz führen.

    Und tatsächlich dürfte es niemanden mehr beim DFB geben, der das Potenzial von Spielern mit türkischem Migrationshintergrund unterschätzt. Spätestens, seit Deutschland mit Mesut Özil Weltmeister wurde. Derzeit ist der Einfluss von Deutsch-Türken in der Nationalelf aber überschaubar: Neben Gündogan gibt es mit Emre Can nur noch einen Spieler mit türkischen Wurzeln, der zum erweiterten Kreis der deutschen Nationalmannschaft gehört. Der BVB-Kapitän ist aktuell aber nicht von Julian Nagelsmann nominiert worden. Kerem Demirbay oder Suat Serdar, die in den vergangenen Jahren zu Einsätzen für Deutschland kamen, spielen aktuell keine Rolle mehr. 

    Bei der Türkei stehen vier Kicker im Kader, die in Deutschland geboren wurden

    Aufseiten der Türkei sieht das etwas anders aus: Mit dem gebürtigen Regensburger Kenan Yildiz von Juventus Turin, dem Mannheimer Hakan Calhanoglu, dem Gelsenkirchener Kaan Ayhan und dem Kölner Salih Özcan stehen vier Spieler im Kader, die in Deutschland das Kicken lernten. Ayhan und Özcan absolvierten sogar Jugendländerspiele für den DFB, bevor sie den Verband wechselten. Seitdem der Deutsche Fußball-Bund dieses Potenzial nicht mehr unterschätzt, ist der Kampf um die besten Talente härter geworden. Längst wird schon im Juniorenbereich um die Gunst von Jugendspielern gefeilscht, die für beide Länder spielen könnten. 

    Der türkische Verband beschäftigt in Köln seit Jahren ein Büro, von dem aus 25 Scouts koordiniert werden, die auf dem gesamten Kontinent nach Spielern fahnden, die für die Türkei spielen könnten. "Dass die Türken sehr aktiv sind, spürt man ja", sagte der damalige Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff vor einigen Jahren und spielte auf die Anstrengungen des Verbands an. Mit Ferdi Kadioglu etwa spielt noch ein Profi mit niederländischen Wurzeln für die Türken, Berkan Kutlu ist im schweizerischen Monthey geboren, Yusuf Sari im französischen Martigues. Vor einigen Tagen vermeldete etwa der türkische Verband, dass der Stürmer Emrehan Gedikli künftig nicht mehr für die DFB-Mannschaften, sondern für die türkische U21-Nationalmannschaft auflaufen wird. Erst im Februar war der 20-Jährige von seinem Ausbildungsverein Bayer Leverkusen zum türkischen Topklub Trabzonspor gewechselt.

    Die Türkei und Deutschland feilschen um Fußball-Talente

    Allgemein wirkt es, als ob der DFB im Kampf um die Talente etwas ins Hintertreffen geraten ist: Im aktuellen Kader der U21 für die EM-Qualifikationsspiele gegen Estland und Polen steht kein einziger Kicker mit türkischen Wurzeln, bei der U19 sind mit dem Augsburger Mert Kömür und dem Bochumer Mohammad Mahmpoud nur zwei Kicker im Kader. Woran das liegt? Vielleicht an Identifikation, vielleicht lockt manchen das türkische Team, weil es im DFB-Kader einen höheren Konkurrenzdruck gibt. Befragt man Personen, die in die Entscheidung eingebunden sind, ist zu hören: Druck soll nicht gemacht werden. Der Ex-Bundesligaprofi Erdal Keser, der als Kind mit seiner Familie ins Ruhrgebiet kam und für den BVB und Galatasaray spielte, leitete lange Jahre das Büro des türkischen Verbands. Er bezeichnet die Entscheidung als "Herzensangelegenheit" und fügte hinzu: "Die Nationalmannschaft hat mit nationaler Identität zu tun, mit Herzblut. Nicht mit Heuchelei." Dass Kinder von türkischen Eltern generell lieber für die Türkei spielen, sei hingegen "völliger Quatsch", sagte der eingangs erwähnte Cem Özdemir. Der Grund für eine Entscheidung habe dann wieder sehr wohl etwas mit Politik zu tun: "Wer den Nuris, Hamits und Halils erklärt, dass sie in Deutschland Ausländer sind, braucht sich doch nicht zu wundern, wenn sie sich auch so verhalten."

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