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Nationalmannschaft: Erst Spitzenmann, dann Buhmann: Rettet Nagelsmann nun den DFB?

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Erst Spitzenmann, dann Buhmann: Rettet Nagelsmann nun den DFB?

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    Julian Nagelsmann soll die deutsche Nationalmannschaft aus dem Tal der Tränen führen.
    Julian Nagelsmann soll die deutsche Nationalmannschaft aus dem Tal der Tränen führen. Foto: Bernd Thissen, dpa

    Es sind ja dann doch wieder die Kleinigkeiten, die den großen Weltenlauf bestimmen. Nichts anderes als eine Großartigkeit stellt der Deutsche Fußball-Bund dar. Zumindest aus Sicht des Deutschen Fußball-Bundes. Weil er immer noch und immer wieder der größte Sportfachverband weltweit ist. Rund sieben Millionen Mitglieder. Also in etwa doppelt so viele wie die Einwohnerzahl Kroatiens. Während die Kicker vom Balkan aber nach der vergangenen Weltmeisterschaft nach einem dritten Platz euphorisch empfangen wurden, schlug den Deutschen nach ihrer allzu frühen Abreise in der Heimat nur die kalte Winterluft entgegen.

    Wenn, ja wenn dieser vermaledeite Kaoru Mitoma den Ball nicht noch gerade so von der Linie gekratzt hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen. Hansi Flick wäre möglicherweise noch Bundestrainer, Julian Nagelsmann Bayern-Coach und die Ampel würde einfach durchregieren. Irgendwie hängt doch immer alles mit allem zusammen.

    Hansi Flick ist nicht mehr, Julian Nagelsmann übernimmt

    Als der Japaner Mitoma den Ball also spielte, hatte dieser die Linie um die Winzigkeit eines Grashalms noch nicht überschritten. Momente später stand es 2:1 für Japan gegen Spanien und wiederum ein paar Minuten später waren die Deutschen zum zweiten Mal in Folge bei einer WM in der Vorrunde ausgeschieden. K. o. statt K.-o.-Runde. Nagelsmann brachte seine enttäuschten Bayern-Spieler nicht mehr in Form und Flick suchte weiterhin vergeblich nach jenem Draht, den er einstmals zur Münchner Mannschaft hatte, die unter ihm jeden erdenklichen Titel gewann.

    Er fand ihn nicht – und wer zuletzt die während der WM gedrehte Doku sah, konnte einen nicht nur rhetorisch angeschlagenen Flick beobachten. Flick ist nicht mehr. Wie überhaupt der deutsche Fußball nicht mehr ist. Also nicht mehr so wie früher. Weder aufopferungsvoll wie in jener Zeit, als aus dem Hintergrund Rahn hätte schießen müssen – und das auch tat. Noch mit teutonischer Direktheit, als bessere Mannschaften humorlos weggeköpfelt wurden. Natürlich auch nicht jene energische Eleganz der Generation Lahm. Der deutsche Fußball verlor sich auf dem Weg der Guardiolaisierung.

    Für Hansi Flick ist die Zeit als Bundestrainer längst abgelaufen.
    Für Hansi Flick ist die Zeit als Bundestrainer längst abgelaufen. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Nach dem Selbstzerstörungsprozess befindet man sich nun in der Phase der Selbstfindung. Der DFB wird neuerdings angeführt von Geschäftsführer Andreas Rettig, der sich einst vom jetzigen Sportdirektor Rudi Völler als "Schweinchen Schlau" titulieren lassen musste. Bundestrainer wird nun Nagelsmann, meldet der Boulevard. Dessen einstigem Klub RB Leipzig wollte Rettig vor ein paar Jahren als damaliger Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gar nicht die Lizenz erteilen. Weil: er Bewahrer alter Werte und RB ja ein reines Marketingprodukt. Das klingt nach gelebtem Pluralismus, aber nicht immer führt der zu produktiven Ergebnissen. Was für die Gesellschaft gilt, weiß der von jeher hierarchisch gestaltete Sport seit dem Rollen des ersten Balles.

    Bundestrainer: Das war mal ein einflussreicher Posten

    Nagelsmann war nach der notwendig gewordenen, möglicherweise sogar alternativlosen Entlassung Flicks die erste Wahl für den einstmals zweitwichtigsten Job der Republik. Merkel – Löw – Gauck. Das war mal eine famose Dreierkette. Dem Bundeskanzler sprechen auch heute noch nur wenige seine Bedeutung ab. Der Bundestrainer der Fußball-Nationalmannschaft der Männer aber hat ja gleich gar keinen gesellschaftlichen Einfluss mehr. Franz Beckenbauer einte einst unter Mithilfe von Helmut Kohl das Land, Jürgen Klinsmann förderte den Fortschritt und der mitunter badisch-sphärische Joachim Löw war zumindest adrett gekleidet und wurde nebenbei Weltmeister.

    Julian Nagelsmann, 1987 geboren in Landsberg am Lech und aufgewachsen im nahen Issing, wird ein Gestaltungswille nun immerhin nicht nur nachgesagt. Er scheiterte zumindest teilweise daran in München, als er die Spieler mit taktischen Ideen überforderte. Gleichwohl ist bisher nicht zu sehen, dass es dem in spielerischer Hinsicht zurückhaltender angehenden Thomas Tuchel viel besser ergeht.

    Nagelsmann wurde im März von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic mitgeteilt, dass er fortan nicht mehr an der Säbener Straße aufzukreuzen braucht. Zwar hatte er zuvor mit seinem Team souverän Paris St. Germain aus der Champions League geworfen, aber kurz danach auch ohne größere Gegenwehr 1:2 in Leverkusen verloren. Vor wenigen Tagen haben die Bayern immerhin ein 2:2 gegen Leverkusen geholt. Mit dabei waren unter anderem Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die Nagelsmann während seiner bajuwarischen Zeit sehr verbunden waren. Kahn und Salihamidzic spielen keine Rolle mehr bei den Bayern, weshalb etwaige Differenzen zwischen Nagelsmann und dem Klub keine Rolle spielen dürften.

    Mit dem Robin Hood des Fußballs fremdeln sie in München

    Als zuletzt Andreas Rettig zum Geschäftsführer des DFB ernannt wurde, hatte man sich in München noch brüskiert gegeben. Mit dem Robin Hood des Profifußballs (der während seiner Manager-Jahre auch einen guten Schnitt gemacht haben dürfte) fremdelte man seit jeher. Dass nun aber Nagelsmann Bundestrainer wird, dürfte die Münchner auch aus finanzieller Sicht zufriedenstellen. Immerhin stand der 36-Jährige noch bis 2026 unter Vertrag. Monat für Monat dürften rund 600.000 Euro die Bayern daran erinnert haben, einen Trainer zu viel angestellt zu haben. Beim DFB soll Nagelsmann vier Millionen Euro bis zur EM im kommenden Jahr verdienen, weshalb er schon gerühmt wurde, freiwillig auf viel Geld zu verzichten. Ist ja auch schön anzusehen, dass Verzicht nicht immer schmerzt.

    Nach der Europameisterschaft 2024 – im eigenen Land, daher natürlich noch mal wichtiger – wird man sehen, ob Nagelsmann weiter die Almosen des DFB in Empfang nimmt oder wohin ihn sein weiterer Karriereweg führt. Bei einem erfolgreichen Turnier dürfte er gewiss weiter die Mannschaft anleiten, er könnte aber auch zu einem der strahlenden und oftmals von arabischen Scheichs protegierten High-End-Klubs wechseln. Scheitert er mit der Elf, gehört er nicht mehr der ersten Garde der Top-Trainer an.

    Der Sehnsuchtstrainer des DFB ist ein anderer: Jürgen Klopp

    Hier sind zwei aufeinander angewiesen. Eine schlingernde Elf und ein Trainer, der seine Laufbahn wieder begradigen will. Dabei ist Nagelsmann bewusst, dass er nur die Nummer zwei der Thronfolge einnimmt, so etwas wie der Prinz Harry des DFB. Seine Meghan Markle ist eine ehemalige Reporterin der Bild. Lieber als den leicht flippigen Nagelsmann hätten sie natürlich Jürgen Klopp verpflichtet, den großen Sehnsuchtstrainer. Doch der hat bisher von sich aus Thronfolge Thronfolge sein lassen und misst sich beim FC Liverpool in der besten Liga der Welt. Wenn aber, nun da die Saison nicht ganz so läuft und die EM, nun ja ... Bislang haben die Königskinder nicht zueinander gefunden.

    Julian Nagelsmann (rechts) 2007 bei einem Spiel der zweiten Mannschaft des FC Augsburg in Sonthofen.
    Julian Nagelsmann (rechts) 2007 bei einem Spiel der zweiten Mannschaft des FC Augsburg in Sonthofen. Foto: Ralf Lienert (Archivbild)

    In wenigen Tagen wird Julian Nagelsmann vorgestellt werden. Wahrscheinlich in jenem Bau, den Oliver Bierhoff in Frankfurt errichten ließ. DFB-Campus. Kosten: 180 Millionen Euro. Hier sollen Nachwuchsmannschaften zusammenkommen, Trainer, Leistungsdiagnostiker – ein Thinktank des Fußballs. Leider gibt es nicht genug Zimmer für sämtliche Nationalspieler, weshalb die Mannschaft im Hotel schläft, wenn sie sich in Frankfurt versammelt. Die Kleinigkeiten eben. Im vergangenen Jahr hat der Verband ein Minus von mehr als 30 Millionen Euro eingefahren. Dieses Jahr werden wohl noch mal 20 Millionen Euro dazu kommen. Weil die Nationalmannschaft bei den vergangenen drei Turnieren früh ausgeschieden ist und Prämien der Verbände Uefa und Fifa nicht flossen. Weil Sponsoren gar nicht mal so freigiebig bei Misserfolg sind. Nun liegt es zu Teilen bei Nagelsmann, auch die Finanzen zu konsolidieren.

    Ein erster Anhaltspunkt für die Nationalmannschaft ist die USA-Reise

    Nagelsmann ist das zuzutrauen. Er kann mitreißend sein, ist ein herausragender Taktiker. Er versteht es, Geschichten zu erzählen und seine Spieler zu begeistern. Er ist beim FC Bayern gescheitert. Wie auch schon Louis van Gaal oder Carlo Ancelotti – zwei der weltweit besten Trainer. Möglicherweise wird man in der Retrospektive sagen, dass das Münchner Kapitel maßgeblich war für seinen weiteren Karriereweg. Dass es ihm vormals weder an Wissen noch an Empathie gemangelt habe, ihm ein Quäntchen Demut aber noch zur Spitzenklasse gefehlt habe. Eine Kleinigkeit eben.

    Vielleicht aber ist die große Zeit des größten Sportfachverbandes blablabla aber auch einfach vorbei. Einen ersten Anhaltspunkt werden die beiden Länderspiele im Oktober in den USA gegen den Gastgeber und Mexiko geben. Die Spieler von Nagelsmann stehen bei Bayern, Real, Barcelona oder Arsenal unter Vertrag. Wenn sie – wie unter Flick – nur vier der vergangenen 17 Spiele gewinnen, dürfte das nicht mit ihrer individuellen Qualität zu tun haben. Da hatte einer keinen Draht zu seinem Team. Obwohl er viele doch von seiner erfolgreichen Bayern-Zeit kannte. So wie Nagelsmann sie nun alle kennt. Kann klappen, muss aber nicht.

    Schlecht wäre es, wenn man am Ende von Kleinigkeiten abhängig wäre.

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