Das macht endlich Lust auf die EM: Nach dem Rekordtor von Florian Wirtz hat die Fußball-Nationalmannschaft mit der besten Leistung seit Jahren nicht nur den großen Titelfavoriten Frankreich verblüfft.
Das 2:0 (1:0) in Lyon war der erste deutsche Sieg in Frankreich seit mehr als elf Jahren und ein mächtiger Mutmacher für das Heimturnier in knapp drei Monaten. Die radikalen Änderungen von Julian Nagelsmann haben sofort funktioniert. Der Bundestrainer geht als großer Gewinner des Abends in den heißen EM-Countdown.
DFB-Sieg: Wirtz erzielt Rekordtor nach nur sieben Sekunden
Nach sieben Sekunden erzielte Wirtz bedient von dem überragenden DFB-Rückkehrer Toni Kroos das schnellste Tor der deutschen Länderspielgeschichte. Kai Havertz (49.) traf früh in der zweiten Halbzeit nach einer wundervollen Kombination der Jungstars Wirtz und Jamal Musiala. Mit hoher Konzentration und großem Teamgeist wurde die Fußball-Maschine der Équipe Tricolore um Superstar Kylian Mbappé gestoppt.
Der nächste Härtetest steht schon am Dienstag an. Dann kommt Erzrivale Niederlande nach Frankfurt, der den deutschen EM-Auftaktgegner Schottland gerade mit 4:0 bezwungen hat. Nagelsmann wird seine neue Linie dann konsequent fortsetzen.
Der Bundestrainer machte sich in einem kleinen Block am Spielfeldrand immer wieder Notizen zu seiner stark veränderten Auswahl. Wirtz' Geniestreich bejubelte der Bundestrainer mit energischem Blick - besser hätte seine "Wir kicken"-Vorgabe zu Beginn kaum umgesetzt werden können. Vom Anstoß kam der Ball zum Leverkusener, der aus 20 Metern ein traumhaftes erstes Tor im EM-Jahr erzielte - und das einen Wimpernschlag schneller als der bisherige Rekordhalter Lukas Podolski vor elf Jahren gegen Ecuador.
Rückkehrer Toni Kroos war gegen Frankreich Taktgeber im Mittelfeld
Vor 1000 mitgereisten deutschen Fans verhalf das frühe Tor der DFB-Auswahl zu zuletzt kaum noch für möglich gehaltener Stabilität und Sicherheit. Mit Rückkehrer Kroos als Taktgeber im Mittelfeld stimmten in der ersten Halbzeit Einsatz und insbesondere die Konzentration. Debütant Maximilian Mittelstädt begann als linker Verteidiger so, als hätte er schon etliche Länderspiele hinter sich.
EM-Favorit Frankreich musste erst einmal ins Spiel zurückfinden - allein das dürfte Nagelsmann gefallen haben. "Nicht wie das Kaninchen vor der Schlange" und mit "Risikobereitschaft" solle sein Team auftreten, hatte der 36-Jährige kurz vor dem Anpfiff im ZDF gesagt. Bei den schwer enttäuschenden November-Pleiten in Berlin gegen die Türkei (2:3) und in Wien gegen Österreich (0:2) war das Selbstverständnis des Bundestrainers längst noch nicht im Team angekommen.
Die erste gute Chance des Vize-Weltmeisters durch Starspieler Kylian Mbappé entschärfte Marc-André ter Stegen, der den wieder verletzten EM-Torwart Manuel Neuer vertrat, mit einer starken Handparade (25.). Die folgenden Annäherungsversuche blockte die DFB-Auswahl mit vereinten Kräften. Auch die von Nagelsmann zu "drei Zauberern" erhobene Offensivreihe mit Kapitän Ilkay Gündogan, Wirtz und Musiala arbeitete im wahrsten Wortsinn defensiv mit. Musialas erste auffällige Szene war eine Rettungstat in der eigenen Hälfte.
Havertz trifft zum 2:0 gegen Frankreich
Aber der Münchner kann bekanntlich auch anders. Das zweite deutsche Tor durch Havertz bereitete der 21-Jährige perfekt vor, indem er Frankreichs Torwart Brice Samba austanzte. Den starken langen Pass zuvor auf Musiala hatte Wirtz gespielt. Wieder war Frankreich überrascht, und Nagelsmann, über dessen nach der EM auslaufenden Vertrag nach dem Länderspiel gegen die Niederlande gesprochen werden soll, klatschte Beifall.
Nach knapp einer Stunde waren laute Pfiffe im Stadion zu hören, bei den Franzosen blieb es bis hierhin bei Einzelaktionen wie beim Schlenzer des früheren Dortmunders Ousmane Dembélé (54.). Die erste Gelbe Karte des Spiels sah in dieser Phase Nagelsmann, der sich zu lautstark über eine Schiedsrichter-Entscheidung beschwerte (60.). Sein Trainerkollege Didier Deschamps schien grundsätzlich nicht zufrieden und wechselte nach einer Stunde vier Profis aus.
Bundestrainer Nagelsmann gab seiner Elf Zeit, sich einzuspielen
Nagelsmann gab seiner Elf dagegen weitere Minuten zum Einspielen. Immer wieder versuchten es Musiala, Wirtz, Gündogan und Havertz mit Kombinationen. Dahinter sicherten Kroos und vor allem auch der kampfstarke Leverkusener Robert Andrich ab. In der 72. Minute kamen Chris Führung zu dessen zweitem Länderspiel und Routinier Thomas Müller in die Partie. Mittelstädt verpasste knapp sein Debüt-Tor mit einem Flachschuss (79.), ehe wenig später Deniz Undav als zweiter Debütant des Abends eingewechselt wurde (80.).
Der Stuttgarter, Müller und der ebenfalls eingewechselte Niclas Füllkrug hatten in der Schlussphase weitere Chancen zum dritten Tor. Hinten rettete Antonio Rüdiger kurz vor Schluss auf der Linie (88.), und auch Waldemar Anton feierte auch noch sein DFB-Debüt (90.).
(Arne Richter, Klaus Bergmann und Jan Mies, dpa)