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Nationalmannschaft: Das unwahrscheinliche Comeback des Julian Weigl

Nationalmannschaft

Das unwahrscheinliche Comeback des Julian Weigl

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    Fußballer Julian Weigl kehrt nach fünf Jahren in den Kreis der Nationalmannschaft zurück.
    Fußballer Julian Weigl kehrt nach fünf Jahren in den Kreis der Nationalmannschaft zurück. Foto: Arne Dedert, dpa

    Die Taxi-Geschichte, natürlich. Julian Weigls bisherige Karriere lässt sich nicht erzählen, ohne den petzenden Taxler zu erwähnen. Der nämlich verpfiff Weigl und drei seiner Mannschaftskameraden bei Sportdirektor Gerhard Poschner. Das Quartett hatte sich offenbar ungebührlich über den TSV 1860 München geäußert – was insofern kritisch war, da es bei jenem Zweitligisten unter Vertrag stand und der Fahrer Anhänger des Klubs war. Weigl war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt, der mit dem Begriff "lebhaft" nur unzureichend beschriebene Trainer Ricardo Moniz nahm ihm die Kapitänsbinde wieder ab, die er ihm kurz zuvor überantwortet hatte und kurzzeitig war Weigl im Verein ebenso geächtet wie Gabor Kiraly, der suspendiert war, weil er Verteidiger Gary Kagelmacher am Zopf gezogen hatte. Im Endeffekt: Alles nichts Unübliches in der langen Geschichte des

    Weigl jedenfalls war gezwungen, sich schnell auf die Eigentümlichkeiten des Profifußballs einzustellen. Es gibt dafür eine bessere als die Löwen-Schule. Möglicherweise reagiert er auch deswegen gelassen auf die erste Nominierung für die Nationalmannschaft seit fünf Jahren. Letztmals spielte er für Deutschland im März 2017 beim Abschiedsspiel von Lukas Podolski. Podolski, Kiraly, die Löwen in der zweiten Liga: Weigl kennt noch den Fußball einer scheinbar anderen Epoche und ist doch erst 26 Jahre alt.

    Weigl könnte der gesuchte Kimmich-Ersatz sein

    "Vom Grundsatz her" sei er aber "noch derselbe Spieler" wie damals. Ein Spieler also, der im defensiven Mittelfeld immer den Ball fordert. Einer, der das Spiel ordnet ohne aufzufallen. Hansi Flick hat ihn als Schattenmann für Joshua Kimmich eingeladen. Noch hat der Bundestrainer keinen passgenauen Ersatz für den Fall gefunden, dass der Münchner einmal ausfällt.

    Weigl hat sich über die Leistungen bei Benfica Lissabon wieder ins Blickfeld Flicks gespielt. Mit den Portugiesen hat er zuletzt Ajax Amsterdam ausgeschaltet und ist ins Viertelfinale der Champions League eingezogen. Spieler von Borussia Dortmund sucht man da beispielsweise vergeblich.

    Dabei war die Skepsis der Öffentlichkeit groß, als er im Januar 2020 vom BVB nach Portugal wechselte. War da ein Hochveranlagter dabei, seine Karriere frühzeitig auslaufen zu lassen? Schließlich galten die Dortmunder mal wieder als Meisterschaftskandidat, während die portugiesische Liga eher ein Exoten-Dasein fristet.

    Weigls Spielart erinnert an die von Toni Kroos

    Doch Weigl hatte unter Lucien Favre den Stammplatz verloren, den er sich als 20-Jähriger unter Thomas Tuchel erarbeitet hatte und ging keinesfalls den leichten Weg. „Ich habe wahrgenommen, dass das viele als Rückschritt gesehen haben“, sagte er auf der Pressekonferenz am Donnerstag. Allerdings sei er "immer überzeugt von dem Projekt" gewesen. "Ich wollte auch den Druck, beim größten Verein des Landes zu spielen."

    Druck scheint Weigl auf dem Spielfeld auf ähnliche Weise zu empfinden wie Toni Kroos. Also: gar nicht. Auch Kroos fordert unaufhörlich den Ball und lässt es leicht ausschauen, ihn fehlerfrei weiterzuleiten. So hat auch Weigls Spiel eine derart selbstverständliche Art, dass es wegen seiner Fehlerlosigkeit kaum auffällt. Als er im Mai 2016 gegen den 1. FC Köln 218 Ballkontakte gesammelt hatte, war ihm die schiere Menge auch selbst nicht aufgefallen – dabei hatte er gerade einen Bundesliga-Rekord aufgestellt und dabei den großen Xabi Alonso übertroffen. "Darauf bin ich immer noch stolz", so Weigl.

    Julian Weigl hat nicht mit Rückkehr gerechnet

    Dass er nach fünf Jahren wieder im Kader der Nationalmannschaft steht, kam für ihn beinahe so überraschend wie für die Öffentlichkeit. "Ich habe damit nicht zwingend gerechnet", sagt Weigl, der aber auch betont, in den vergangenen Jahren durchaus interessiert verfolgt zu haben, wer so alles von Joachim Löw und Hansi Flick berufen wurde.

    Am Samstag könnte er gegen Israel (20.45 Uhr, ZDF) die Chance erhalten, sich zu zeigen. "Ich versuche, gelassen ranzugehen und hoffe auf Einsatzmöglichkeiten", sagt er gelassen. Im Vergleich zum Münchner oder auch Dortmunder Weigl sei der Lissaboner Weigl "reifer und erwachsener geworden", Lästereien über die Nationalmannschaft in einem Taxi sind auch dann nicht zu befürchten, falls der Mittelfeldmann nicht zum Einsatz kommt. Und falls er spielt, "will ich versuchen zu zeigen, dass ich eine Option für den WM-Kader sein kann".

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